Brückensperrungen in Nordrhein-Westfalen als Folge jahrzehntelanger Vernachlässigung der Infrastruktur – Welches Konzept hat die Landesregierung bei der Abarbeitung der Brückenbaustellen?

Kleine Anfrage
vom 12.07.2019

Kleine Anfrage 2747der Abgeordneten Andreas Keith und Nic Vogel vom 11.07.2019

 

Brückensperrungen in Nordrhein-Westfalen als Folge jahrzehntelanger Vernachlässigung der Infrastruktur – Welches Konzept hat die Landesregierung bei der Abarbeitung der Brückenbaustellen?

Der marode Zustand der Rheinbrücken in Leverkusen und Duisburg war vor Jahren der Anlass für den Beginn einer umfangreichen Untersuchung der Tragfähigkeit aller Brücken in Nordrhein-Westfalen, die vor 1985 errichtet worden sind. Das sind landesweit etwa 2/3 von insgesamt 10.000 solcher Bauwerke.1

Vielerorts führten die Ergebnisse der Untersuchungen zu Beeinträchtigungen für den LKW Verkehr. So mussten beispielsweise in Lippstadt im Jahr 2015 drei marode Brücken im Verlauf der in dieser Region als Hauptverkehrsader geltenden B 55 für die Nutzung von LKW eingeschränkt werden. Von August 2015 bis Oktober 2016 waren die Brücken für den LKW-Verkehr über 7,5 Tonnen gesperrt.2Der damalige NRW-Verkehrsminister Michael Groschek reiste in 2015 innerhalb von fünf Wochen immerhin zweimal nach Lippstadt, sprach unter Verweis auf den weltweit tätigen Leuchtenhersteller Hella von einer Baustelle übernationaler Bedeutung und erklärte vor Ort, dass die B 55 mit einer Verstärkung der Brücken wieder von LKW bis 44 Tonnen befahren werden kann. Nicht nur ein Trost für die Unternehmen und Speditionen in der Region, die auf die Hauptverkehrsader angewiesen sind, sondern auch für die Anwohner an den viele Kilometer langen Umleitungsstrecken.3 Die Verstärkungsmaßnahmen an den drei Brücken kosteten 1,5 Mio € und führten schließlich zurFreigabe des LKW-Verkehrs im Oktober 2016. Ausgenommen bleiben genehmigungspflichtige Schwertransporte.4

Die Brückenbauarbeiten in Lippstadt sind noch nicht abgeschlossen. Aktuell kommt es erneut zu Beeinträchtigungen, denn gleich an zwei Brücken der B 55 wird gebaut. Die Brücke an der B 55, die über die Lippe führt, ist für Wochen nur einspurig befahrbar und auf Höhe des Margaretensees wird die Brücke neu gebaut, so dass dort die Mastholter Straße gesperrt ist.5

Dabei gilt für die Brücke am Margaretensee seit Jahren bereits, dass der Verkehr nur auf einer der sonst zwei Fahrspuren pro Fahrtrichtung rollt, daran änderte auch die Verstärkung nichts.6

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Für wie viele Brücken in Nordrhein-Westfalen gilt infolge der erfolgten Untersuchungen zur Tragfähigkeit, dass sie den heutigen Belastungs- und Tragfähigkeits-Maßstäben nicht mehr genügen?

2. Für wie viele Brücken mussten Nutzungsbeschränkungen erlassen werden, die bis heute andauern? Bitte nach Ort und Datum der erstmaligen Einschränkung aufschlüsseln.

3. Welche Kosten sind seit Beginn der Tragfähigkeitsuntersuchungen für Verstärkungsmaßnahmen entstanden? Bitte für die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 getrennt aufschlüsseln.

4. Wie viele Brücken können nicht durch Verstärkungsmaßnahmen baulich angepasst werden und müssen neu gebaut bzw. ersetzt werden?

5. Wie lange dauern die Baumaßnahmen an den Brücken durchschnittlich? Bitte nach Art der Maßnahme (Verstärkung und Neubau) aufschlüsseln.

Andreas Keith
Nic Vogel

 

Anfrage als PDF laden

 

1 https://docplayer.org/43340619-Brueckensperrungen-fuer-den-schwerverkehr-auf-der-b-55-umgehung-in-lippstadt.html

2 https://www.ikz-online.de/staedte/warstein-und-umland/bruecken-werden-wieder-freigegeben-id12242120.html

3 https://www.wp.de/staedte/warstein-und-umland/b-55-bruecken-werden-verstaerkt-id11102759.html

4 https://www.ikz-online.de/staedte/warstein-und-umland/bruecken-werden-wieder-freigegeben-id12242120.html

5 https://www.hellwegradio.de/artikel/brueckenarbeiten-in-lippstadt-192570.html

6 https://www.soester-anzeiger.de/lokales/kreis-soest/bezirksregierung-arnsberg-vermutet-bombe-unter-bundesstrasse-lippstadt-kreis-soest-7563217.html


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 07.08.2019

 

Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 2747 mit Schreiben vom 7. August 2019 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Bei der Priorisierung zur Abarbeitung der „Brückenbaustellen“ waren zwei Kriterien von herausragender Bedeutung: Erstens die Standsicherheit der Bauwerke und zweitens die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer. Vor dem Hintergrund der Vielzahl von Brückenbauwerken in der Bundesrepublik Deutschland, die zukunftstauglich zu sanieren bzw. zu erneuern sind, hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) den Bundesländern Listen mit vordringlich nachzurechnenden Bauwerken übersandt. Langfristig muss der gesamte Bauwerksbestand auf seine Zukunftstauglichkeit hin überprüft werden.

Der derzeitige Schwerpunkt der Untersuchungen liegt bei den 375 Brücken der Liste der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt-Liste), die aufgrund ihres Alters, ihrer Bauweise oder der besonders hohen Verkehrsbelastung an ihre Grenzen kommen sowie auf 744 weiteren Brücken im Zuge des durch das BMVI definierten Korridornetzes.

1. Für wie viele Brücken in Nordrhein-Westfalen gilt infolge der erfolgten Untersuchungen zur Tragfähigkeit, dass sie den heutigen Belastungs- und Tragfähigkeits-Maßstäben nicht mehr genügen?

Nach dem Stand der derzeitigen Untersuchungen genügen von den 920 bislang untersuchten Brücken insgesamt 637 Brücken nicht mehr den heutigen und zukünftigen Belastungs- und Tragfähigkeitsmaßstäben.

2. Für wie viele Brücken mussten Nutzungsbeschränkungen erlassen werden, die bis heute andauern? Bitte nach Ort und Datum der erstmaligen Einschränkung aufschlüsseln.

Für acht Brücken wurden aufgrund von Untersuchungen zur Tragfähigkeit Gewichtsbeschränkungen für den genehmigungsfreien Verkehr erlassen, die auch weiterhin gültig sind.

Str. Bauwerksname Ort Gewichtsbesc hränkung Datum
A1 Rheinbrücke Leverkusen Köln 3,5 t 2014
K427 2 „Eichenhofer Weg“ / A43 Sprockhövel 20 t 2015
L527 „Eichholz Str.“/ A1 Gevelsberg 7,5 t 2015
L772 L772 / Werreumflut Bad Oeynhausen 16 t 2015
A46 AS Wuppertal-Wichlinghausen 1) Barmen 7,5 t 1) 2016
L735 L735    über     Ruhr (Dinscheder Brücke) Oeventrop 3,5 t 2016
L755 L755 / Weser Höxter 3,5 t 2017
L787 Brücke über die Emmer Verl 7,5 t 2017

1) (gilt nur für die Auffahrtsspur)

3. Welche Kosten sind seit Beginn der Tragfähigkeitsuntersuchungen für Verstärkungsmaßnahmen entstanden? Bitte für die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 getrennt aufschlüsseln.

Für Brückenverstärkungsmaßnahmen wurden in den Jahren 2015 bis 2018 folgende Mittel verausgabt:

Jahr Ausgaben
2015 14,7 Mio.€
2016 31,7 Mio.€
2017 33,6 Mio.€
2018 26,8 Mio.€

 

4. Wie viele Brücken können nicht durch Verstärkungsmaßnahmen baulich angepasst werden und müssen neu gebaut bzw. ersetzt werden?

573 Brücken genügen nach derzeitigem Kenntnisstand aufgrund der durchgeführten Untersuchungen nicht mehr den heutigen und zukünftigen Belastungs- und Tragfähigkeitsmaßstäben und müssen daher ersetzt werden.

5. Wie lange dauern die Baumaßnahmen an den Brücken durchschnittlich? Bitte nach Art der Maßnahme (Verstärkung und Neubau) aufschlüsseln.

Die Dauer einer Baumaßnahme ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Hierzu zählen insbesondere die Länge, die Breite, die Höhe, die Anzahl der Brückenfelder, die Konstruktionsformen, die erforderlichen Baustoffe, die Topographie, ob Neubau, Ausbau oder Ersatzneubau, die Bebauung im Umfeld, die verkehrlichen Rahmenbedingungen und vieles mehr. Bauzeiten können daher nicht allgemein angegeben werden, sondern müssen immer im Einzelfall abgeschätzt oder ermittelt werden.

Für Ersatzneubauten schwankt die Bauzeit grob geschätzt in etwa zwischen einem und acht Jahren. Ähnliches gilt auch für Verstärkungsmaßnahmen. Hier schwankt die Bauzeit in etwa zwischen drei Monaten und zwei Jahren.

 

Antwort als PDF laden