Clan-Razzia wegen Versicherungsbetruges in Berlin und drei NRW-Städten – Was sind die Ergebnisse?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 690
des Abgeordneten Markus Wagner vom 03.11.2022

Clan-Razzia wegen Versicherungsbetruges in Berlin und drei NRW-Städten Was sind die Ergebnisse?

In Berlin sowie in Duisburg, Essen und Düsseldorf fand am Mittwochmorgen, den 26. Oktober 2022, erneut eine Razzia wegen des Verdachts des Versicherungsbetruges und der Geldwäsche statt. Dabei war es den Ermittlern möglich, kriminelle Aktivitäten mehrerer Clan-Mitglieder aufzudecken. Im Konkreten richten sich die Ermittlungen nach Angaben der Staatsanwaltschaft gegen sechs Beschuldigte, von denen einige einem großen libanesisch-stämmigen Familienclan zugerechnet werden. Bei den durchgeführten Durchsuchungen mehrerer Wohnungen und Gewerbeobjekten seien zwei Frauen und vier Männer im Alter zwischen 19 und 61 Jahren angetroffen worden. Allerdings kam es zu keinen Festnahmen. Auch über etwaige sichergestellte Beweismittel machten die Behörden keine Angaben. Nach Informationen von welt.de soll eine Versicherung mit einem angeblichen Wasserschaden an einem Gebäude in Berlin in entsprechender Höhe betrogen worden sein. Der Schaden belaufe sich dabei angeblich auf rund 200.000 Euro.1

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Durchsuchungen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wurden bei der Durchsuchung auch legale bzw. illegale Waffen sichergestellt? (Bitte nach Waffenart aufschlüsseln.)
  3. Wurde bei der Durchsuchung Bargeld aus ungeklärter Herkunft beschlagnahmt?
  4. In welcher Form ist der libanesischstämmige Familienclan in der Vergangenheit bereits den polizeilichen und/oder staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbehörden aufgefallen?
  5. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über das „Geschäftsmodell“ Versicherungsbetrug und Geldwäsche durch Clan-Kriminelle?

Markus Wagner

 

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1 Vgl. htt p s: / /www . w e l t .de/ vermischtes /kriminalitaet/ article 24 17 99 093 / N R W-und-Berlin-Versicherungsbetrug-u n d-Geldwaesche-Razzien-bei-Clans .html.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 690 mit Schreiben vom 29. November 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Durchsuchungen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)

Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 21.11.2022 berichtet, dass Gegenstand eines bei der Staatanwaltschaft Düsseldorf geführten Ermittlungs­verfahrens gegen zwei nicht vorbestrafte ehemalige und aktuell geschäftsführende Personen libanesischer und rumänischer Staatsangehörigkeit einer in Düsseldorf ansässigen GmbH der Verdacht des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt im Zusammenhang mit „Schwarzlohn“-Zahlungen an Arbeitnehmer sei. Die am 26.10.2022 in Essen und Düsseldorf durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen seien mit der Staatsanwaltschaft Duisburg auf­grund eines dort wegen anderer Vorwürfe gegen eine beschuldigte Person anhängigen Ermitt­lungsverfahrens koordiniert worden. Die Auswertung der im Rahmen der Maßnahmen sicher­gestellten Beweismittel dauere an.

Gegenstand des bei der Staatsanwaltschaft Duisburg geführten Verfahrens gegen insgesamt sechs Beschuldigte deutscher und rumänischer Staatsangehörigkeit seien Ermittlungen u. a. wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall zum Nachteil einer Versicherung und Geld­wäsche. Im Rahmen der am 26.10.2022 durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen an ver­schiedenen Örtlichkeiten seien umfangreiche schriftliche Unterlagen sowie elektronische Ge­räte samt Speichermedien als Beweismittel sichergestellt worden, deren Auswertung noch an­dauere. Zwei der Beschuldigten mit deutscher Staatsangehörigkeit seien vorbestraft. Ein Be­schuldigter sei letztmalig 2011 wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz verur­teilt worden. Ein weiterer Beschuldigter sei mehrfach u. a. wegen Betrugs, gefährlicher Kör­perverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu inzwischen erlassenen Bewährungsstrafen verurteilt worden.

Von näheren Angaben zu den Vornamen der deutschen Beschuldigten oder den Vorstrafen der Beschuldigten wird insbesondere aus Datenschutzgründen (Grundrecht der informationel­len Selbstbestimmung nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz, Artikel 4 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen) und vor dem Hin­tergrund der im Strafverfahren zu beachtenden Unschuldsvermutung (Artikel 6 Abs. 2 der Eu­ropäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) bei Abwägung mit dem parlamentarischen Informationsanspruch abgesehen. Dabei ist auch zu beachten, dass die Beschuldigten wegen der zeitlichen und örtlichen Eingrenzung der Tat sowie weiterer, presseöffentlicher Angaben zum Verfahrensstand zur Person identifizierbar sein könnten.

  1. Wurden bei der Durchsuchung auch legale bzw. illegale Waffen sichergestellt? (Bitte nach Waffenart aufschlüsseln.)

Nach dem vorbezeichneten Bericht wurde im Rahmen der Maßnahmen der bei der Staatsanwaltschaft Duisburg geführten Ermittlungen ein Wurfmesser mit selbst hergestellter Scheide sichergestellt, dessen waffenrechtliche Überprüfung andauert.

  1. Wurde bei der Durchsuchung Bargeld aus ungeklärter Herkunft beschlagnahmt?

Dem in der Antwort auf die Frage 1 genannten Bericht zufolge wurde im Rahmen der Maßnahmen der bei der Staatsanwaltschaft Duisburg geführten Ermittlungen Bargeld in Höhe von insgesamt 5.015,00 Euro unklarer Herkunft sichergestellt.

  1. In welcher Form ist der libanesischstämmige Familienclan in der Vergangenheit bereits den polizeilichen und/oder staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbehörden aufgefallen?

Nach dem vorbezeichneten Bericht wurden bei der Staatsanwaltschaft Duisburg in der Vergangenheit diverse Verfahren aus unterschiedlichen Deliktsbereichen im Sinne der Fragestellung geführt, deren konkrete Darstellung mangels statistischer Erfassung der abgefragten Parameter nicht möglich ist. Dies würde eine händische Auswertung sämtlicher Verfahrensakten erfordern, die mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu leisten ist. Im Übrigen liegen dem Bericht zufolge Informationen zu weiteren Ermittlungsverfahren nicht vor.

Das Ministerium des Innern hat mir zur Beantwortung der Frage 4 den folgenden Beitrag übermittelt:

„Für die Darstellung der Kriminalität von Clanangehörigen im Lagebild „Clankriminalität Nordrhein-Westfalen 2021“ wendet das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) die in polizeilichen Gremien bundeseinheitlich abgestimmte Definition unter Zugrundelegung des sogenannten namensbasierten Ansatzes an. Die dazu notwendige Datenbasis wird jährlich unter Einbindung der Analysedienststellen für Organisierte Kriminalität in Nordrhein-Westfalen evaluiert. Nicht jede Person mit einem Clannamen ist als Straftäterin oder Straftäter zu qualifizieren. Das Lagebild „Clankriminalität Nordrhein-Westfalen 2021“ erfasst somit ausschließlich Verdächtige von Straftaten und trifft keine Aussagen zu nicht-kriminellen Angehörigen von Clans.

Die Darstellung der Kriminalität im Lagebild „Clankriminalität Nordrhein-Westfalen 2021“ erfolgt zur Vermeidung der Stigmatisierung nicht krimineller Personen mit entsprechendem Familiennamen ausschließlich pseudonymisiert. Die Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens, welches der Kleinen Anfrage zu Grunde liegt, tragen einen Familiennamen, der bei der Erstellung des „Lagebildes Clankriminalität Nordrhein-Westfalen 2021“ berücksichtigt wurde. Eine weitergehende Beantwortung der Frage zur Kriminalität von Personen, die den gleichlautenden Familiennamen tragen, wäre geeignet, die beschriebene Vorkehrung zur Verhinderung einer Stigmatisierung zu konterkarieren und kann deshalb nicht erfolgen.“

  1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über das „Geschäftsmodell“ Versicherungsbetrug und Geldwäsche durch Clan-Kriminelle?

Das Ministerium des Innern hat mir zur Beantwortung der Frage 5 den folgenden Beitrag übermittelt:

„Von den 5.462 im Lagebild „Clankriminalität Nordrhein-Westfalen 2021“ erfassten Straftaten der Allgemeinkriminalität handelt es sich in 59 Fällen um den Tatvorwurf der Geldwäsche ge­mäß § 261 StGB, in sechs Fällen liegt ein Betrug im Sinne der Fragestellung zu Grunde.

Ausweislich des Lagebildes „Organisierte Kriminalität Nordrhein-Westfalen 2020“ gab es in 13 der 16 Verfahren der Clankriminalität Hinweise auf Geldwäscheaktivitäten, die in zwölf Fällen auch zu Ermittlungen im Sinne des § 261 StGB führten. Der Betrug zum Nachteil einer Versi­cherung war im Berichtsjahr 2020 lediglich in einem der 16 Ermittlungskomplexe der Organi­sierten Kriminalität mit Bezügen zur Clankriminalität verfahrensgegenständlich.“

Im Übrigen gewinnen die Strafverfolgungsbehörden, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Einrichtung der Task Force „Ressortübergreifende Bekämpfung von Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismus“ beim LKA NRW und der Zentral- und Ansprech-stelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten (ZeOS NRW) bei der Staatanwaltschaft Düs­seldorf, im Rahmen ihrer Ermittlungen auch in Zusammenarbeit mit anderen Behörden ständig neue Erkenntnisse, die sie bei der wirksamen und effektiven Kriminalitätsbekämpfung berück­sichtigen und einsetzen.

Von der Mitteilung konkreter Einzelheiten zu entsprechenden Erkenntnissen sieht die Landes­regierung indes ab. Die Bekanntgabe würde Rückschlüsse etwaiger Tatverdächtiger auf den Stand der Ermittlungen sowie auf Verfahrensweisen und Methoden der Strafverfolgungsbe­hörden ermöglichen und damit staatliches Handeln bei der Bekämpfung der Organisierten Kri­minalität berechenbar gestalten.

 

Antwort als PDF

Beteiligte:
Markus Wagner