Kleine Anfrage 3740des Abgeordneten Markus Wagner vom 25.05.2020
Corona-Spuckattacken auf Polizisten
Ein junger Mann aus dem Landkreis Heinsberg hat in Mönchengladbach am 24. April 2020 einen Polizeibeamten bespuckt und lautstark behauptet, Träger des Coronavirus’ zu sein. Leider stellt eine solche Verhaltensweise keinen Einzelfall dar.1
Es scheint inzwischen auch andernorts vorzukommen, dass Personen der Polizei gegenüber angeben, mit dem Coronavirus infiziert zu sein, um sogleich damit zu drohen, die Beamten durch eine Spuckattacke ebenfalls zu infizieren und sich auf diesem Wege der jeweiligen polizeilichen Maßnahme zu entziehen.
In der allgemeinen Rechtsprechung wird das Anspucken als Körperverletzung angesehen. Das Androhen einer Körperverletzung stellt jedoch keine Bedrohung im strafrechtlichen Sinn dar, da es hierzu der Drohung mit einem Verbrechenstatbestand bedarf. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Delinquenten bewusst das Coronavirus instrumentalisieren, um den Beamten mit einer möglichen Infektion, die potenziell auch zum Tode führen könnte, zu drohen.
Ich frage daher die Landesregierung:
1. Wie viele solcher (angedrohten) Spuckattacken hat es im Zusammenhang mit der Behauptung, Träger des Coronavirus’ zu sein, bislang gegen Polizeibeamte in NRW gegeben?
2. Wurden Polizeibeamte dabei tatsächlich verletzt/infiziert?
3. Wurden gegen die Bedroher/Angreifer Strafverfahren eingeleitet? (Bitte nach Deliktarten aufschlüsseln)
4. Bewertet die Landesregierung das Drohen mit einer Spuckattacke im Zusammenhang mit der Behauptung, Träger des Coronavirus’ zu sein, als Bedrohung im strafrechtlichen Sinne?
Markus Wagner
1 Vgl. Merkur (2020): Corona-Krise: Mann aus Heinsberg bespuckt Polizisten und schreit: „Ich habe Corona!“; online im Internet: https://www.merkur.de/welt/coronavirus-heinsberg-nrw-polizei-karneval-infektion-spuckattacke-zr-13635812.html.
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 23.06.2020
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3740 mit Schreiben vom 23. Juni 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Als Datengrundlage für die Beantwortung der Fragen 1 bis 3 dient das Polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem. Diese Daten sind statistisch nur bedingt valide, denn sie können sich aufgrund von Qualitätssicherung und je nach Ermittlungsfortschritt noch verändern.
Ergänzend sind die Meldungen wichtiger Ereignisse (WE-Meldungen) zu sogenannten Corona-Spuckattacken in die Auswertung einbezogen. Eine Meldeverpflichtung besteht für die Polizeibehörden zu diesen Sachverhalten allerdings nicht.
- Wie viele solcher (angedrohten) Spuckattacken hat es im Zusammenhang mit der Behauptung, Träger des Coronavirus’ zu sein, bislang gegen Polizeibeamte in NRW gegeben?
Im Zeitraum vom 01.02.2020 bis zum 26.05.2020 wurden acht Spuckattacken gegen Polizeibeamte registriert, bei denen der Täter behauptet hat, Träger des Coronavirus zu sein.
Darüber hinaus wurden drei Spuckattacken gegen Polizeibeamte registriert, ohne dass der Beschuldigte von sich aus angab, dass er mit dem Coronavirus infiziert sei. In zwei Fällen davon lassen jedoch die Tatumstände aufgrund typischer Krankheitssymptome oder weil sich der Beschuldigte auf einer Covid-Isolierstation im Krankenhaus befand vermuten, dass eine Infektion mit dem Coronavirus vorlag. Bei einer Spuckattacke, die sich im Rahmen einer Überprüfung nach Maßgabe der Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) ereignete, lagen keine Hinweise zu einer möglichen Infektion des Beschuldigten vor.
In einem Fall eines Internetaufrufs zu Spuckattacken lag die Zielrichtung konkret darin, Polizeibeamte mit dem Coronavirus anzustecken. Ob dieser Aufruf tatsächlich zu einer Spuckattacke geführt hat, ist nicht bekannt.
- Wurden Polizeibeamte dabei tatsächlich verletzt/infiziert?
Informationen zu bestätigten Verletzungen/Infizierungen infolge von Anspucken liegen der Landesregierung nicht vor.
- Wurden gegen die Bedroher/Angreifer Strafverfahren eingeleitet? (Bitte nach Deliktarten aufschlüsseln)
In allen zu Frage 1 bekanntgewordenen Fällen leitete die Polizei Strafverfahren mit folgender deliktischer Verteilung ein: Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen (5), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen (2), gefährliche Körperverletzung (2), einfache Körperverletzung (1), Straftat nach dem Infektionsschutzgesetz (1), Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (1). Aufgrund der vorgenannten Erfassungskriterien können sich diese Daten nach dem Fortschritt der polizeilichen Ermittlungsergebnisse ggf. noch verändern.
- Bewertet die Landesregierung das Drohen mit einer Spuckattacke im Zusammenhang mit der Behauptung, Träger des Coronavirus’ zu sein, als Bedrohung im strafrechtlichen Sinne?
Für die Prüfung möglicherweise strafrechtlich relevanter Sachverhalte sind ausschließlich die Staatsanwaltschaften zuständig. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind dem Legalitätsprinzip verpflichtet und ermitteln diesem gesetzlichen Auftrag folgend bei Vorliegen eines sogenannten Anfangsverdachts ohne Ansehen der Person. Sie sind dabei inhaltlich unabhängig. Ihnen und nicht der Landesregierung obliegt die Entscheidungshoheit über die Ermittlungen. Vor diesem Hintergrund enthält sich die Landesregierung jeglicher
Einflussnahme auf laufende staatsanwaltschaftliche Verfahren und somit auch der strafrechtlichen Bewertung von Sachverhalten, die möglicherweise Gegenstand von Ermittlungen sein können.