Dabei sein ist eben nicht alles! Den leistungsorientierten Wettkampf auch an Grundschulen erhalten, die Bundesjugendspiele retten!

Antrag
vom 15.08.2023

Antrag

der Fraktion der AfD

Dabei sein ist eben nicht alles! Den leistungsorientierten Wettkampf auch an Grund­schulen erhalten, die Bundesjugendspiele retten!

I. Ausgangslage

Die Bundesjugendspiele – ein sportliches Ereignis, das seit Jahrzehnten fest im Kalender deut­scher Schulen verankert ist und bei Schülern Vorfreude und Aufregung auslöst – wurden 1951 ins Leben gerufen und sollten „das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit erwecken“ und „frohen Wettkampfgeist anregen“.1 Ab 1979 waren alle westdeutschen Schulen dazu verpflich­tet, den Wettkampf einmal jährlich im Turnen, in der Leichtathletik oder im Schwimmen durch­zuführen. Seitdem sind sie zu einer bedeutenden Veranstaltung geworden, das nicht nur sport­liche Leistungen honoriert, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl stärkt. Auch an vielen Grundschulen finden die Bundesjugendspiele statt und haben sich dort längst als unverzicht­barer Höhepunkt des Schulsports etabliert. Die Veranstaltungen werden von den Lehrkräften und Eltern mit viel Engagement und Organisationsgeschick geplant und durchgeführt. Die Dis­ziplinen werden altersgerecht ausgewählt, um allen Kindern die Möglichkeit zu geben, ihr Kön­nen unter Beweis zu stellen. Mit großem Eifer trainieren die Kinder in den Wochen vor den Spielen, um ihre persönlichen Bestleistungen zu erzielen und sich vielleicht sogar eine der begehrten Ehrenurkunden zu erkämpfen.

Doch es ist nicht allein der sportliche Erfolg, der während der Veranstaltung im Vordergrund steht. Die Bundesjugendspiele sind auch ein wichtiger Baustein in der Persönlichkeitsentwick­lung der Grundschulkinder, die hier Erfahrungen im Wettkampfgeist und Fairplay sammeln. Denn sie lernen, sowohl mit Siegen als auch mit Niederlagen umzugehen und ihre sportlichen Erfahrungen mit anderen zu teilen. Durch die gemeinsame Teilnahme und das Anfeuern der Klassenkameraden entsteht eine besondere Atmosphäre, die das Miteinander stärkt und die Schulgemeinschaft festigt. Die Bundesjugendspiele sind somit nicht nur ein sportlicher Wett­kampf, sondern auch ein bedeutender pädagogischer Beitrag zur Förderung der sozialen Kompetenzen der Kinder.

Nach einer Entscheidung der Sportkommission der Kultusministerkonferenz (KMK) aus dem Jahr 2021 werden die Bundesjugendspiele an Grundschulen ab dem kommenden Schuljahr allerdings nur noch als „bewegungsorientierter Wettbewerb“ ausgetragen. Die traditionelle Ausrichtung als Wettkampf findet zukünftig nicht mehr statt. „Damit werden die Bundesjugend-spiele an den Grundschulen endlich kind- und zeitgemäß. Das Beschämen nicht so sportlicher Schülerinnen und Schüler gehört dann hoffentlich endlich der Vergangenheit an“, jubelte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-nahen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Hessen.2 Die Landesvorsitzende der GEW in Nordrhein-Westfalen, äußerte die Hoff­nung, „dass wieder mehr Kinder Spaß am Sport entwickeln und nicht durch zu frühes Leis­tungsdenken abgeschreckt werden“.3

Anstelle des bisherigen Wettkampfcharakters sollen die Veranstaltungen nun also stärker auf die Förderung von Bewegung und sozialen Aspekten ausgerichtet werden. Das erklärte Ziel sei dabei, den Schülern eine entspannte Atmosphäre zu bieten statt sie unter Leistungsdruck zu setzen. Am Ende der Austragung soll jeder Teilnehmer, und zwar unabhängig von seiner Leistung, eine Urkunde erhalten. Damit entfällt in Zukunft die bisherige Praxis der Urkunden­vergabe, mit der vor allem die herausragenden Leistungen der besonders sportlichen Kinder gewürdigt wurden. Durch diese Reform werden den Kindern jedoch bedeutende Erfahrungen vorenthalten. Die Idee, den Wettkampfgedanken gänzlich zu eliminieren, ist daher sowohl aus sportpolitischer als auch aus pädagogischer Sicht höchst fragwürdig. „Wir tun unseren Kindern keinen Gefallen, wenn wir so tun, als ob sich messen und Leistung nichts mit dem Leben zu tun hätten“, kommentierte die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) die Reform.4 Zustimmung erhielt sie vom Verband Bildung und Erziehung (VBE), der den Wett­kampfcharakter ebenfalls weiter für wichtig hält. Das Miteinandermessen sei ein starker Leis­tungsanreiz, erklärte der VBE-Bundesvorsitzende.5

Die Beseitigung des sportlichen Wettkampfs sowie des Leistungsprinzips wird, anders als von der GEW erhofft, nicht zwangsläufig zu mehr Schutz vor Mobbing von weniger sportlichen bzw. talentierten Schülern führen. Denn Kinder sind tatsächlich „vielfältig“: Sie bringen unter­schiedliche Talente, Stärken und Fähigkeiten mit. Leistungsunterschiede und Vergleiche zwi­schen den Kindern werden daher auch weiterhin bestehen bleiben; ob nun bei Klassenarbei­ten, in der Schach-AG oder im Sportverein. Die Betonung von „Vielfalt“ steht somit in direktem logischen Widerspruch zum Dogma der „Gleichheit“. Die Herstellung von Ergebnisgleichheit mag für Gewerkschaftsvertreter ein erstrebenswerter Zustand sein, für die sportliche Entwick­lung von Kindern ist sie jedoch fatal. Wenn Leistungen überhaupt nicht mehr erhoben werden, sind am Ende alle gleich schlecht. Denn mit Niederlagen umzugehen heißt auch, den Ansporn zu entwickeln die eigenen Leistungen zu steigern, um zukünftig bessere Ergebnisse erzielen zu können. Das gilt für die Mathearbeit ebenso wie für den Vokabeltest. Warum sollten also für Sportprüfungen andere Maßstäbe gelten?

Bereits in der klassischen Antike galt es in den griechischen Poleis wie Sparta als förderlich, wenn sich auch Kinder in den Disziplinen des Fünfkampfs wie Laufen oder Ringen miteinander maßen. Der sportliche Wettkampf war dort ebenso Teil der Bildung wie Lesen und Schreiben.6 Bei den Olympischen Spielen im Jahre 368 v. Chr. siegte Damaskos aus Messene im Alter von gerade einmal 12 Jahren im Stadionlauf der Knaben. „Bis zu diesem Alter konnten Jungen bereits Jahre voll sportlicher Erziehung hinter sich haben“, so Historiker der Universität Mann-heim.7 Die gegenwärtige Kritik am Prinzip des sportlichen Wettkampfs in der Primarstufe er­scheint vor diesem Hintergrund umso mehr wie eine Scheindebatte, je mehr man sich mit den Reaktionen von Schulleitern und Verbänden auf die Neugestaltung der Bundesjugendspiele beschäftigt: „Wir finden es gar nicht gut, dass das Leistungsprinzip rausgenommen wird und es künftig nicht mehr um individuelle Erfolge geht“, heißt es in einem Kommentar gegenüber der Rheinischen Post, die hinzufügt: „Bislang habe es an ihrer Schule keine Probleme gege­ben, weshalb die Leitung die Änderung des Konzepts für unnötig hält“.8 Auch der Stadtsport­bund Mönchengladbach äußert sich dahingehend kritisch. Der Leistungsgedanke werde „im­mer weiter zurückgedrängt“, was wiederum negative Auswirkungen auf den leistungssportli­chen Nachwuchs habe: „Wenn sich Kinder gar nicht messen können, dann besteht die Gefahr, dass sie die Lust verlieren.“9

Tatsächlich können Wettkämpfe dazu beitragen, sportliche Talente frühzeitig zu entdecken und zu fördern. Für manche Schüler kann der Wettkampfgedanke der Anstoß sein, sich auf eine bestimmte Sportart zu spezialisieren oder ihr sportliches Potenzial zu erkennen. So ver­wundert es kaum, dass die Reform der Bundesjugendspiele auch aus Sicht der Sportvereine keine Verbesserung zu sein scheint. Laut des Vorsitzenden des Leichtathletikvereins SC Myhl im Kreis Heinsberg, sollte man bei der alten Form der Bundesjugendspiele bleiben, denn „in­dem man alles vereinfacht, werden die Leistungen nicht besser.“10 Gerade Kinder mögen es, Sport im Wettbewerb mit anderen zu betreiben, so der Vereinsvorsitzende weiter. Eine Ein­schätzung, die insbesondere für Jungen zutrifft, wie mehrere Studien belegen. Die Untersu­chungen von Hellandsig11, Lauriola u.a.12 sowie Soares u.a.13 verdeutlichen, dass der Wett­kampf und die Genugtuung gewonnen zu haben für Jungen wichtige Motivationsfaktoren bei der Ausübung sportlicher Aktivitäten darstellen. Entwicklungs- und Sportpsychologen verwei­sen darauf, dass sportlicher Wettkampf per se keine nachteiligen Auswirkungen auf die kind­liche Entwicklung hat.14 Sie argumentieren, dass es vor allem Eltern sind, die – z. B. durch Überfürsorglichkeit, das Einschränken der Teilnahme bzw. fehlendes Interesse an deren sport­lichen Aktivitäten –, die Einstellung ihrer Kinder zum kompetitiven Sport negativ beeinflussen können. Ähnliches gelte für Trainer: Erst die Überbetonung des Gewinnens und negative Kom­mentare während des Spiels könnten dazu führen, dass Kinder den Sport unter Umständen als negatives Erlebnis wahrnehmen. Es ist nicht das Leistungsprinzip, sondern vielmehr die durch Eltern und Trainer vermittelte Haltung zum kompetitiven Sport, die bestimmt, ob Kinder eine gesunde Einstellung zum sportlichen Wettkampf entwickeln oder – wie in einigen wenigen Ausnahmefällen – nicht.

II. Der Landtag stellt fest:

– Die Bundesjugendspiele bilden an den Grund- und weiterführenden Schulen das wohl mit Abstand wichtigste Sportereignis eines jeden Schuljahres. Sie dienen nicht nur der Bewegungsförderung, sondern stärken auch die Sozialkompetenz der heranwachsen­den Kinder und Jugendlichen, indem sie ihnen die Werte des Sports wie Fairplay und Teamgeist vermitteln.

– Die jährliche Austragung der Bundesjugendspiele soll den Wettkampfgeist anregen. In­dem Schüler sich auf einen Wettkampf vorbereiten und daran teilnehmen, lernen sie, Herausforderungen anzunehmen und mit Rückschlägen umzugehen.

– Wettkämpfe bieten eine Plattform zur Anerkennung und Belohnung von sportlichen Leis­tungen. Die Möglichkeit, sich für herausragende Leistungen auszuzeichnen, stärkt das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl der Schüler.

– Durch die Entscheidung der Kultusministerkonferenz die Bundesjugendspiele an Grund­schulen ab dem Schuljahr 2023/24 nur noch als „bewegungsorientierten Wettbewerb“ auszutragen, werden den Kindern bedeutende Erfahrungen vorenthalten.

– Die von der GEW NRW geäußerte Hoffnung durch die Aufhebung des Leistungsprinzips wieder mehr Kinder zum Spaß am Sport zu bewegen, erweist sich aufgrund sportwis­senschaftlicher wie psychologischer Studien als haltlos.

– Der Wettkampfgedanke ist, wie aktuell von Schulleitungen, Verbänden und Sportverei­nen gefordert, sowohl aus sportpolitischer als auch aus pädagogischer Sicht unbedingt beizubehalten.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

– sich auf der Ebene der Kultusministerkonferenz für eine stufenweise Wiedereinführung des leistungsorientierten Wettkampfs bei den Bundesjugendspielen in der Primarstufe einzusetzen;

– über das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen sicherzu­stellen, dass diejenigen Grundschulen, die über keine für die Vorbereitung der Bundes-jugendspiele geeigneten Sportanlagen verfügen, ebenfalls die Möglichkeit erhalten an den Bundesjugendspielen teilzunehmen;

– das Ministerium für Schule und Bildung anzuweisen, in Kooperation mit den Stadtsport­bünden und Sportvereinen einmal pro Schuljahr eine bewegungsorientierte Schulsport-woche als Ergänzung zu den Bundesjugendspielen ins Leben zu rufen, damit wieder mehr Kinder Spaß am Vereinssport entwickeln.

Andreas Keith

Dr. Martin Vincentz

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://www.geo.de/geolino/mensch/21662-rtkl-gute-frage-sollten-die-bundesjugendspiele-abgeschafft-werden

2 https://www.gew-hessen.de/details/freude-an-bewegung-statt-wettkampf

3 https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/bundesjugendspiele-aenderungen-wettkampf-wettbewerb-100.html

4 https://www.tagesspiegel.de/berlin/wir-tun-unseren-kindern-keinen-gefallen-berlins-bildungssenatorin-kritisiert-reform-der-bundesjugendspiele-10094506.html

5 https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/bundesjugendspiele-kritik-an-reformplaenen-
FDL2HUTHJ5NLRJJO3HCWHEG27I.html

6 Vgl. Paul Christesen: Sparta and Athletics, in: Anton Powell (Hrsg.): A Companion to Sparta, Hoboken 2017, S. 534-564.

7 https://antikersport.uni-mannheim.de/Griechenland/leben04.html

8 https://rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/moenchengladbach-aerger-an-schulen-ueber-neue-bun-desjugendspiele_aid-89245331

9 Ebd.

10 https://www.aachener-zeitung.de/lokales/heinsberg/bundesjugendspiele-so-sehen-sportler-die-reform_aid-93961555

11 E. T. Hellandsig: Motivation Predictors of High Performance and Discontinuation in Different Types of Sports among Talented Teenage Athletes, in: International Journal of Sports Psychology 29 (1998), S. 27-44.

12 M. Lauriola, A. Zelli, C. Calcaterra, D. Cherubine und D. Spinelli: Sport Gender Stereotypes in Italy, in: International Journal of Sport Psychology, 35 (2004), S. 189-206.

13 J. Soares, H. Antunnes und R. van den Tillaar: A Comparison between Boys and Girls about the Motives for the Participation in School Sport, in: Journal of Physical Education and Sport 13 (2013), S. 303-307.

14 N. L. Holt und Z. L. Sehn: Processes associated with positive youth development and participation in competi-tive youth sport, in: N. L. Holt (Hrsg.): Positive Youth Development Through Sport, London u. New York 2008, S. 28.

Beteiligte:
Andreas Keith