Kleine Anfrage 2495
des Abgeordneten Dr. Hartmut Beucker AfD
„Das ist kolonial.“ Ausstellungswerkstatt im LWL-Museum Zeche Zollern in Dortmund, Safe Space für BIPoC und schwarze Menschen samstags 10–14 Uhr. Wie beurteilt das die Landesregierung?
Der Landschaftsverband Westfalen Lippe LWL veranstaltet seit dem 18. März bis zum 15. Oktober 2023 die Veranstaltungsreihe „Das ist kolonial. Eine Ausstellungswerkstatt.“.
Wie schon andernorts erschien auch dem Landschaftsverband LWL die Thematik Kolonialismus/Postkolonialismus von besonderer Wichtigkeit.
„Die LWL-Kulturstiftung richtet in einem neuen Förderschwerpunkt den Blick auf die koloniale Vergangenheit Westfalen-Lippes und ihre gegenwärtigen Spuren im Alltag und in der Kultur. „Kolonialismus ist keine Epoche, sondern ein einschneidendes Element, dass unsere Gesellschaft in allen Bereichen maßgeblich geprägt hat und weiterhin prägt. Deshalb geht es uns alle an – in unseren Städten und unseren ländlichen Regionen“, so LWL-Direktor und Vorstandsvorsitzender der LWL-Kulturstiftung. Zu begreifen, in welcher Weise das Fortwirken kolonialer Machtstrukturen und Denkmuster unser eigenes Leben bestimme, sei wesentlich, um diese Muster aufzubrechen und Gesellschaft neu zu gestalten. „Mit dem Förderschwerpunkt wollen wir für diese Zusammenhänge sensibilisieren und uns dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe widmen“, so der LWL-Direktor und Vorstandsvorsitzender der LWL-Kulturstiftung weiter.
Der Kaffee und Tee am Frühstückstisch sowie Straßennamen, die an Kolonialakteur:innen erinnern, zeigten beispielhaft Wirkungen der Kolonialzeit bis heute. Die „Black Lives Matter“-Bewegung oder die Debatte um Kolonialkunst in deutschen Museumssammlungen verweise darauf, wie tiefgreifend koloniale Denkmuster, Bilder und Strukturen in der Gesellschaft verankert seien. Wie sich sogenannte „(post)koloniale Verstetigungen“ vielerorts niederschlagen und wie kulturelle Angebote zu einem kritischen Umgang damit anregen, soll in Projekten vorgestellt und diskutiert werden.
Mit dem Förderschwerpunkt tragen wir einen sehr wichtigen Diskurs von den urbanen Zentren Deutschlands in die Region Westfalen-Lippe, denn koloniale Spuren finden sich nicht nur in Archiven und Museumssammlungen der Metropolen“ so die LWL-Kulturdezernentin und Vorstandsmitglied der LWL-Kulturstiftung. „Wir rufen dazu auf, koloniale Kontinuitäten in unserem Alltag und in unserem gesellschaftlichen Miteinander aufzuspüren und Vorschläge für ein selbstkritisches und kritisches Zusammenleben in gelebter Vielfalt zu diskutieren“ so die LWL-Kulturdezernentin und Vorstandsmitglied der LWL-Kulturstiftung weiter.“1
Unter den Öffnungszeiten der Ausstellungswerkstatt steht zu lesen:
„Jeden Samstag von 10 – 14 Uhr ist die Ausstellungswerkstatt für „Black, Indigenous and People of Color“ (BIPoC) reserviert.“2 Dadurch soll für die angesprochenen Gruppen ein „Safer Space“ geschaffen werden, der so beschrieben wird:
„Ein Safer Space ist ein geschützter Raum, in dem sich Menschen, die vom Rassismus betroffen sind, vor weiteren (auch unbewussten) Diskriminierungen schützen können. Es ist ein Angebot für BIPoC und Schwarze Menschen, um sich zurückziehen und und offen austauschen zu können. Für BIPoC sind solche sicheren Räume im Alltag sowie in musealen Räumen nur selten gegeben.“3
Themen haben Konjunktur und derzeit ist ein solches Thema unter anderem der Kolonialismus. Zur Wichtigkeit oder Unerlässlichkeit dieser Thematik wird es unterschiedliche Meinungen geben. Manch idyllische Prosa klingt überzogen, ja peinlich.
Was befremdet, ist die Delegation des Aussuchens der samstags von 10 bis 14 Uhr zugelassenen Personen an die Mitarbeiter im Empfangsbereich. Anhand welcher Merkmale sollen diese den Zutritt gewähren oder verweigern? An der Pigmentierung, ethnischen Merkmalen, Sprache, Kleidung, Gruppenzugehörigkeiten? Sind „kölsche Italiener“ People of Colour, sind Türken und Türkischstämmige PoC, sind Süditaliener oder Südspanier PoC? Was ist mit Menschen mit ethnisch gemischter Abstammung, welches Merkmal entscheidet über Zulassung oder Ablehnung? Was ist mit gemischt-ethnischen Familien oder mit Personen mit Adoptivkindern aus dem Globalen Süden? Dürfen die einen rein und müssen die anderen draußen bleiben?
Eigentliches Hauptziel großer Teile von Politik und Gesellschaft ist die Integration des Fremden und die Inklusion des Besonderen. Dienen Safe Spaces diesem Ziel? Bringt uns das weiter?
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie beurteilt die Landesregierung das Projekt Ausstellungswerkstatt „Das ist kolonial.“?
- Inwieweit hält die Landesregierung die Einrichtung eines „Safe Space“ für notwendig bzw. angebracht?
- Inwiefern hält die Landesregierung die Delegierung der Entscheidung über Gewährung oder Verweigerung des Zutritts zum Safe Space der Ausstellungswerkstatt an die Mitarbeiter im Eingangsbereich für zumutbar?
- Sieht die Landesregierung die Einrichtung von Safe Spaces als förderlich für die Integration an?
- Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der Thematik Kolonialismus/Postkolonialismus zu?
Dr. Hartmut Beucker
1 LWL Newsroom. Mitteilung vom 23.06.2022
2 zeche-zollern.lwl.org/de/ausstellungen/das-ist-kolonial/
3 Ebenda
Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 2495 mit Schreiben vom 6. Oktober 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
- Wie beurteilt die Landesregierung das Projekt Ausstellungswerkstatt „Das ist kolonial.“?
Es handelt sich um ein partizipatives Projekt zum Thema Kolonialismus, dessen Konzept darauf basiert, den unterschiedlichen Besucherinnen und Besuchern Raum für die Einbringung ihrer diesbezüglichen Erfahrungen und Sichtweisen zu bieten.
- Inwieweit hält die Landesregierung die Einrichtung eines „Safe Space“ für notwendig bzw. angebracht?
Bei Safe Spaces handelt es sich um Angebote für Menschen, die von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind. Sie bieten Betroffenen einen geschützten Raum, um miteinander ins Gespräch zu kommen und Erfahrungen auszutauschen.
- Inwiefern hält die Landesregierung die Delegierung der Entscheidung über Gewährung oder Verweigerung des Zutritts zum Safe Space der Ausstellungswerkstatt an die die Mitarbeiter im Eingangsbereich für zumutbar?
Es handelt sich um ein Ausstellungsprojekt des vom LWL betriebenen Museums Zeche Zollern. Insofern liegt die Organisation und Umsetzung des Zutritts zu der Ausstellung „Das ist kolonial.“, und damit auch zu der hierzu gehörenden Ausstellungswerkstatt, alleine in der Zuständigkeit des Museums. Unabhängig davon ist der Landesregierung nicht bekannt, dass der Einlass zum Safe Space kontrolliert würde. Vielmehr wird auf der Internetseite des Museums ausgeführt, dass der Einlass auf Vertrauensbasis funktioniert.
- Sieht die Landesregierung die Einrichtung von Safe Spaces als förderlich für die Integration an?
Museen sind Orte der Begegnung, an denen alle Besucherinnen und Besucher willkommen sind und sich sicher fühlen können. Es ist wichtig, dass eine Atmosphäre geschaffen wird, die einlädt zum lebendigen Austausch aller Besucherinnen und Besucher – ganz unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Hautfarbe.
- Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der Thematik Kolonialismus/Post-kolonialismus zu?
Die Themen Kolonialismus bzw. Postkolonialismus spielen in verschiedenen Kontexten eine wichtige Rolle, u. a. im Bereich der Provenienzforschung. Das Kulturgesetzbuch Nordrhein-Westfalen (KulturGB NRW) sieht hierzu vor, dass das Land die Erforschung der Provenienz von Objekten aus kolonialen Kontexten unterstützt (§ 5 Abs. 3 KulturGB NRW). Die vom Land ins Leben gerufene Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen berät, vernetzt und bündelt bzw. veröffentlicht Forschungsergebnisse u. a. auch zu diesem Thema.
Auch für die historisch-politische Bildung ist die Aufarbeitung der Kolonialzeit wichtig: Die Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte ist Teil der Erinnerungskultur in einer pluralen Gesellschaft.