Kleine Anfrage 5092
des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD
Der bauernfeindliche „Landschaftsplan Gelsenkirchen“: nur ein Einzelfall? Wie stark ist die Nutzungsfähigkeit von Grund und Boden für Bauern in NRW durch den Naturschutz eingeschränkt?
Die Stadt Gelsenkirchen plant, mehr Gebiete unter Naturschutz zu stellen. Um dies zu erreichen, soll eine Neu-Aufstellung des seit dem 12. Oktober 2000 gültigen Landschaftsplans erfolgen. Begründet wird dies mit neuen gesetzgeberischen Anforderungen.1 Die Gelsenkirchener Bauernschaft, die sowieso schon mit einem Flächenschwund von rund 36 Hektar pro Jahr zu kämpfen hat,2 sieht sich durch die Pläne der Stadt zusätzlich eingeschränkt. Aus einer Stellungnahme geht hervor, dass die geplanten Änderungen sogar das Potenzial haben, für die Bauerschaft existenzgefährdend zu sein.3 Die Fläche der Landschaftsschutzgebiete soll um rund 300 Hektar auf rund 2710 Hektar anwachsen; die Fläche der Naturschutzgebiete soll sogar auf rund 668 Hektar verdoppelt werden. Dies betrifft insbesondere die Ausweitung des bestehenden Naturschutzgebietes am Emscherbruch, das die forstwirtschaftlich genutzten Waldungen im Emscherbruch und der Resser Mark, darüber hinaus aber auch Äcker und Grünland umfasst. Deren Nutzung würde damit auf ein nicht mehr erträgliches Maß eingeschränkt. Außerdem widersprechen die Vorgaben des Landschaftsplans im Hinblick auf die Nutzviehhalter veterinärrechtlichen Vorgaben.4
Die schwarz-grüne Landesregierung steckt diesbezüglich durch eine widersprüchliche Gesetzesplanung den Rahmen. Sie forciert „Anpassungen im Naturschutzrecht und im Bauplanungsrecht (…), die (…) dem Ziel einer tierwohlgerechten Haltung dienen“ 5, betont in ihrem Koalitionsvertrag „für alle Regional- und Flächennutzungspläne ein Planzeichen Landwirtschaft“ einzuführen, um den grassierenden Flächenverbrauch zu drosseln.6 Im neuen, seit 2024 geltenden Regionalplan Ruhr heißt es resümierend, „dass der Regionalplan in einem großen Umfang Festlegungen von Bereichen mit nicht nachteiligen bzw. positiven Umweltauswirkungen beinhaltet. Hierzu gehören aufgrund ihrer großen Flächenanteile insbesondere die Allgemeinen Freiraum- und Agrarbereiche.“7 Während Wald- und Erholungsflächen in der Metropolregion Ruhr zwischen 1994 und 2015 zunahmen, schrumpfte die landwirtschaftliche Nutzfläche.8 Diese Entwicklungen werden im Landschaftsplan Gelsenkirchen nicht hinreichend berücksichtigt und konterkarieren die im Regionalplan als Landschaftsrahmenplan vorgegebenen Leitlinien.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Inwieweit plant die Landesregierung ihr Eingriffsrecht bei unverhältnismäßig ausgelegten Landschaftsplänen wahrzunehmen?9
- Inwieweit gedenkt die Landesregierung bei Flächennutzungskonflikten, wie sie aus Landschaftsplänen mit einer Überbetonung des Naturschutzes resultieren, die Interessen von Bauern und anderen Landnutzern, etwa Grundstückseignern mit Privatgärten, stärker zu schützen?
- Wie beurteilt die Landesregierung die Gesetzeskonflikte im Hinblick auf tierwohl-gerechte Haltungsanforderungen und naturschutzrechtliche Nutzungseinschränkungen?
- Wie beurteilt die Landesregierung im Hinblick auf eine standortnahe Sicherung der Nahrungsversorgung – gerade im großstädtischen Umfeld – eine privilegierte Flächenvorhaltung für Bauern, die ganz dem Ziel einer nachhaltigen Flächensparsamkeit entsprechen würde?
- Sind der Landesregierung andere Fälle von Nutzungskonflikten bei in Neu-Aufstellung befindlichen Landschaftsplänen bekannt? (Bitte nach Kommunen und Art der Nutzungskonflikte aufschlüsseln)
Zacharias Schalley
1 Vgl. Stadt Gelsenkirchen (Hg.), Landschaftsplan Gelsenkirchen Festsetzungsband (Bd. 1), Vorentwurf, Gelsenkirchen 2024.
2 Zwischen 2010 und 2017 nahm die landwirtschaftliche Nutzfläche durchschnittlich um 36 Hektar pro Jahr ab. Vgl. https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/landentwicklung/raumplanung/pdf/fachbeitrag-ruhr-kurz-2019.pdf, S. 10.
4 Siehe das im Februar 2022 veröffentlichte Positionspapier zu den Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten: https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/#c282 sowie ferner https://www.vetline.de/pferdehaltung-auf-dem-neuesten-wissenschaftlichen-stand-positionspapier-der-tvt-zu-den-leitlinien. Dies wird auch in einem vorliegenden Informationsschreiben des Referats 71 der Stadt Gelsenkirchen, zuständig für Veterinär-und Lebensmittelüberwachung, unterstrichen.
6 https://www.cdu-nrw.de/sites/www.neu.cdu-nrw.de/files/zukunftsvertrag_cdu-grune.pdf, S. 33, Z. 1543f.
7 Vgl.
8 Vgl. https://statistikportal.ruhr/#Fl%C3%A4chennutzung.
9 Vgl. LG § 29 (5), https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_show_historie?p_id=5349.
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 5092 mit Schreiben vom 18. März 2025 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz beantwortet.
- Inwieweit plant die Landesregierung ihr Eingriffsrecht bei unverhältnismäßig ausgelegten Landschaftsplänen wahrzunehmen?
Nach § 20 Abs. 5 S. 1 Landesnaturschutzgesetz NRW muss ein Landschaftsplan geändert oder neu aufgestellt werden, wenn sich die ihm zugrunde liegenden Ziele der Raumordnung geändert haben.
Der Entwurf des Landschaftsplans ist der höheren Naturschutzbehörde zur Rechtsprüfung anzuzeigen. Sollte der Landschaftsplan nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sein oder Rechtsvorschriften widersprechen, können diese Verstöße geltend gemacht werden und der Träger der Landschaftsplanung muss diese Verstöße ausräumen (vgl. § 18 Landesnatur-schutzgesetz NRW). Die Wahrnehmung des Eingriffsrechts ist im Rahmen des Anzeigever-fahrens im Einzelfall zu überprüfen und liegt im Ermessen der höheren Naturschutzbehörde.
- Inwieweit gedenkt die Landesregierung bei Flächennutzungskonflikten, wie sie aus Landschaftsplänen mit einer Überbetonung des Naturschutzes resultieren, die Interessen von Bauern und anderen Landnutzern, etwa Grundstückseignern mit Privatgärten, stärker zu schützen?
Die sich aus den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege nach § 1 des Bundesnaturschutzgesetzes ergebenden Anforderungen sind bei der Erstellung eines Landschaftsplans untereinander und gegenüber den sonstigen öffentlichen und privaten Belangen wie z.B. den eingebrachten Belangen der Landwirtinnen und Landwirte sowie anderer Landnutzenden gerecht abzuwägen (§ 7 Abs. 1 Landesnaturschutzgesetz NRW). Darüber hinaus sind seitens der Landesregierung keine weiteren Maßnahmen vorgesehen.
- Wie beurteilt die Landesregierung die Gesetzeskonflikte im Hinblick auf tierwohl-gerechte Haltungsanforderungen und naturschutzrechtliche Nutzungseinschränkungen?
Landes- und Regionalplanung sollen landwirtschaftliche Betriebe in ihrem Bestand und ihren Entwicklungsmöglichkeiten sichern. Bei konkurrierenden Flächenansprüchen sollen die für die Regionalplanung zuständigen Regionalräte in Anbetracht der örtlichen Situation eine Abwä-gungsentscheidung treffen. Dazu sollen die Anforderungen an tierwohlgerechte Haltungsverfahren mit den naturschutzfachlich verfolgten Zielen in Einklang gebracht werden.
- Wie beurteilt die Landesregierung im Hinblick auf eine standortnahe Sicherung der Nahrungsversorgung – gerade im großstädtischen Umfeld – eine privilegierte Flächenvorhaltung für Bauern, die ganz dem Ziel einer nachhaltigen Flächensparsamkeit entsprechen würde?
Die Landesregierung beabsichtigt das Planzeichen „Landwirtschaftliche Kernräume“ über eine Festlegung in Kapitel 7.5 (Landwirtschaft) des Landesentwicklungsplans (LEP) zu verankern. In „Landwirtschaftlichen Kernräumen“ sollen die raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen der Landwirtschaft bei erforderlicher Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen mit besonderem Gewicht berücksichtigt werden. Die Entscheidung über die konkrete Ausweisung von „Landwirtschaftlichen Kernräumen“ treffen die für die Regionalplanung zuständigen Regionalräte. Entscheidungsgrundlage können die landwirtschaftlichen Fachbeiträge der Landwirtschaftskammer sein.
- Sind der Landesregierung andere Fälle von Nutzungskonflikten bei in Neu-Aufstellung befindlichen Landschaftsplänen bekannt? (Bitte nach Kommunen und Art der Nutzungskonflikte aufschlüsseln)
Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor.