Der Freiheit auf der Spur: Grüne Welle statt Stauspur und Tempo 30 – ideologiefreie Mobilität und Individualverkehr erhalten – Verkehrsexperimente zu Lasten der Pendler beenden

Antrag
vom 19.11.2019

Antragder AfD-Fraktion vom 19.11.2019

 

Der Freiheit auf der Spur: Grüne Welle statt Stauspur und Tempo 30 – ideologiefreie Mobilität und Individualverkehr erhalten – Verkehrsexperimente zu Lasten der Pendler beenden

I. Ausgangslage

In mehreren nordrhein-westfälischen Städten werden derzeit sogenannte „Umweltspuren“ geplant oder Beschlüsse über deren Einrichtung gefasst. Neben Städten wie Essen1 und Bochum2, die eine Einrichtung von „Umweltspuren“ planen, nimmt Düsseldorf eine Vorreiterrolle ein. Hier wurden bereits mehrere „Umweltspuren“ eingerichtet, zuletzt eine weitere, die einen Großteil der Stadt durchquert. Ganz unumwunden gibt die Stadt Düsseldorf, wie auch andere Städte, dabei als Begründung an, die Bürger von der Nutzung des eigenen PKW zugunsten eines stärkeren ÖPNV abbringen zu wollen.3 Diese offene und ehrliche Aussage der Düsseldorfer Verwaltung offenbart den „Schildbürgerstreich“, der mit der Einrichtung von „Umweltspuren“ einhergeht. Ein Begriff, mit dem auch Automobilwirtschafts-Professor Ferdinand Dudenhöffer die „Umweltspuren“ bezeichnet hat.4 Er erwarte mehr Staus und sogar mehr Emissionen, sagte der Professor der Universität Duisburg-Essen in einem Zeitungsinterview.5 Mit der Einrichtung von „Umweltspuren“ verfolgt man bestenfalls sekundär eine Luftreinhaltung, Emissionsvermeidung oder den weltweiten Klimaschutz. Primär handelt es sich um eine Lenkung bzw. Umerziehung der Bürger und Pendler „mit der Brechstange“. Diese sollen ihr Mobilitätsverhalten grundsätzlich und unter erzwungener Veränderung der Gegebenheiten umstellen. Der Individualverkehr soll immer unattraktiver und schließlich nahezu unmöglich gemacht werden.

Neben der Behinderung des Individualverkehrs durch „Umweltspuren“ werden parallel in einigen Städten Nordrhein-Westfalens flächendeckende Tempo 30 – Zonen eingerichtet, so z.B. in Aachen innerhalb des Alleenrings.6 Auch hier wird, ähnlich wie in anderen Städten Nordrhein-Westfalens mit den „Umweltspuren“, der innerstädtische Verkehr unter dem Vorwand der Luftreinhaltung beschränkt, ohne dabei jedoch das Nahverkehrsangebot des ÖPNV bzw. ÖSPV zu verbessern. Dies führt zunächst zur Einschränkung des Individualverkehrs und birgt in der Folge die Gefahr, unsere Städte unattraktiver zu machen – eine Gefahr vor allem für Geschäftstreibende.

Die Städte sind insbesondere in den Stoßzeiten verkehrstechnisch überlastet und können die Pendlerströme kapazitär kaum bewältigen. Dieses Problem, das überwiegend auf einer verfehlten städtebaulichen Verkehrsinfrastruktur beruht, gilt es zu lösen. Durch die Einführung von „Umweltspuren“ wird aber die ohnehin schon enge Infrastruktur unserer Städte vorsätzlich weiter verengt bzw. nur für gewisse Verkehrsteilnehmer zur Nutzung freigegeben. Die weiterhin für jedermann nutzbare, jedoch verengte Infrastruktur wird dabei so stark überlastet, dass es zwangsläufig zu Staus und Ausweicheffekten innerhalb der Städte kommen muss. Dem Auto- und Lieferverkehr wird Verkehrsraum entzogen. Die Verkehrsteilnehmer wählen alternative Routen und fahren dadurch sogar länger durch die Stadt, mit allen negativen Folgeeffekten wie bspw. Lärmbelästigungen und Abgasen. Vertreter von Handel und Wirtschaft, wie beispielsweise die IHK, warnten bereits vor Monaten vor „Verkehrsinfarkten“ zu Stoßzeiten und drohenden Nachteilen für den Lieferverkehr der Einzelhändler in den betroffenen Städten7, diese Folgen sind nun bereits eingetreten. Gerade diese neue, potentielle Benachteiligung des stationär gebundenen Einzelhandels in den Städten durch „Umweltspuren“ konterkariert die allseitigen Bemühungen, den Einzelhandel gegenüber dem onlinebasierten Versandhandel zu erhalten. Des Weiteren droht eine Abwanderung von Handel und Gewerbe aus urbanen Kernbereichen in die Peripherie und infolgedessen eine Verödung und Attraktivitätsverlust der Innenstädte. Hierin liegt eine nicht zu unterschätzende Gefahr für den Einzelhandel, die Land und Kommunen im Blick haben sollten.

Die von allen Parteien, mit Ausnahme der AfD, gewollten Mobilitätskonzepte der Zukunft sind im Wesentlichen auf einen starken SPNV, ÖSPV, ÖPNV und den individuellen Nahverkehr „auf dem letzten Kilometer“ ausgerichtet. Pendler sollen beispielsweise über den schienengebundenen Nahverkehr (SPNV) an die Städte herangebracht und per Straßenpersonennahverkehr (ÖSPV) und weitere Nahverkehrsangebote in die Innenstädte gebracht werden.

Um diese Phantasie jedoch auch nur annähernd umzusetzen würde eine deutlich bessere ÖPNV-Infrastruktur, eine höhere Taktung der Verbindungen und Ausreizung der Möglichkeiten durch Digitalisierung, deutlich größere Kapazitäten und tausende P+R sowie Pendlerparkplätze im Stadtrandbereich oder in der Nähe von Abfahrt-Bahnhöfen benötigt. Die NRW-Landeshauptstadt muss täglich einen Zustrom von über 300.000 Einpendlern bewältigen. Man darf mit Blick auf die vergangenen Jahre großen Zweifel daran haben, dass diese benötigte Infrastruktur zumindest mittelfristig zur Verfügung gestellt werden kann. Denn jegliche Bautätigkeit im größeren Stil, die hier nötig wäre, würde vor dem Hintergrund von Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren sowie Ausschreibungen und möglicher Widersprüche viele Jahre benötigen, bis man mit den tatsächlichen Bauarbeiten überhaupt beginnen könnte.

Der größte Nachteil des heute zur Verfügung stehenden ÖPNV ist die fehlende Individualität und Flexibilität des Angebots sowie fehlender Komfort, den ein Auto bietet, wie z.B. eine funktionierende Klimatisierung im Sommer, eine Sitzheizung im Winter oder andere Bequemlichkeitsfaktoren. Viele Pendler werden deshalb, egal wie gut das ÖPNV-Angebot ist, weiterhin das Auto nutzen.

Die Freiheit in der Fortbewegung muss zwingend erhalten und möglich bleiben, ergänzt durch sinnvolle und ideologiefreie Nahverkehrsangebote, wie z.B. per App buchbare und durch künstliche Intelligenz (KI) getaktete Kleinbusse, wie sie bereits in Städten wie London8 oder Reykjavik9 im Einsatz sind. Diese „Smart-Busse“, wie sie teilweise genannt werden, holen Personen am individuellen Standort ab und bringen sie zum Zielort, ähnlich einem Gemeinschaftstaxi, das durch effektive Routenführung mehrere Personen gleichzeitig aufnimmt und somit besonders umwelt- und ressourcenschonend fährt. Bei uns fristen ähnliche Ansätze, wie das Programm „AST“ des VRS (Verkehrsverbund-Rhein-Sieg), ein Service für Ruf-Busse und Sammeltaxen, noch ein Nischendasein, da sie wenig flexibel und damit unattraktiv sind.10

Abschließend ist als weiterer Nachteil von „Umweltspuren“ zu nennen, dass die Verkehrsgeschwindigkeit vom jeweils langsamsten Verkehrsmittel vorgegeben wird, also in vielen Fällen den Fahrradfahrern. Busse und Taxen könnten demnach nur sehr viel langsamer fahren als üblich. Vor diesem Hintergrund zu erwartende Überholmanöver lassen zudem ein Ansteigen von Unfallzahlen erwarten. Der angebliche Vorteil dieser Sonderspur wird dadurch konterkariert. Die Unzufriedenheit der breiten Masse der Bürger mit der Einrichtung von „Umweltspuren“ zeigt sich auch daran, dass diverse Online-Petitionen zu diesem Thema eingereicht wurden. Die erfolgreichste Petition erreichte binnen kürzester Zeit über 11.000 Unterzeichner.11 Der weit überwiegende Teil von ca. 7.500 Zeichnern gab an, aus Düsseldorf zu stammen.12

II. Der Landtag stellt fest:

1. „Umweltspuren“ und flächendeckende Tempo 30 – Zonen sind keine geeigneten Mittel zur Emissionsreduktion, verursachen Staus und infolgedessen sogar mehr Emissionen durch stehende Fahrzeuge.

2. Eine zwangsweise Umerziehung der Bürger auf bestimmte Mobilitätskonzepte hat keine Zukunft. Stattdessen müssen Alternativen so attraktiv und tatsächlich ideologiefrei ausgestaltet sein, dass Bürger zu einer schrittweisen, freiwilligen Veränderung ihres Mobilitätsverhaltens motiviert werden.

3. Der derzeitige ÖPNV in Nordrhein-Westfalens ist weder kapazitär noch aus Attraktivitätsgesichtspunkten in der Lage, Pendlerströme in dem Maße aufzunehmen, wie es die „Mobilitätskonzepte der Zukunft“ vorsehen.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. sich gemeinsam mit den Kreisen, Städten und Gemeinden sowie den kommunalen Spitzenverbänden in NRW für eine Stärkung und den zielgerichteten Ausbau des Straßenpersonennahverkehrs (ÖSPV) und der benötigten Infrastruktur stark zu machen sowie differenzierte Lösungen zwischen Ballungsräumen und ländlichen Räumen nebst Vernetzung derselben untereinander zu finden,

2. sich in diesem Zusammenhang auch dafür einzusetzen, der Behinderung des Individualverkehrs aus ideologischen Gründen, z.B. durch „Umweltspuren“, entgegenzuwirken,

3. im Rahmen einer landesweiten Untersuchung und auf Grundlage bereits bestehender Gutachten Pendlerströme und Pendlerverhalten zu untersuchen sowie den tatsächlichen Kapazitätsbedarf eines zukunftsfähigen ÖPNV, SPNV und ÖSPV zu ermitteln. Gegenstand einer solchen Untersuchung müssen auch volkswirtschaftliche Komponenten, wie z.B. die Auswirkung von „Umweltspuren“ und möglichen Fahrverboten auf den innerstädtischen und landesweiten Handel, sein.

Nic Peter Vogel
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/umweltspur-in-essen-100.html

2 https://www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/auch-essen-dortmund-bochum-denken-an-die-umweltspur-id226173305.html

3 https://www.n-tv.de/regionales/nordrhein-westfalen/Ausschuss-stimmt-fuer-dritte-Umweltspur-in-Du-esseldorf-article21236530.html

4 https://www.n-tv.de/regionales/nordrhein-westfalen/Experiment-mit-Chaos-Potenzial-Umweltspuren-article20953582.html

5 https://www.rga.de/rhein-wupper/verkehrsexperte-haelt-umweltspuren-riskant-11791903.html

6 https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/tempo-30-aachen-innenstadt-100.html

7 https://www.duesseldorf.ihk.de/servicemarken/presse/aktuell/dritte-umweltspur–ihk-warnt-vor-langer-durststrecke/4508346

8 https://citymapper.com/news/1800/introducing-the-citymapper-smartbus

9 https://smartbus.is/

10 https://www.vrs.de/service/anruflinien-ast-taxibus-etc.html

11 https://www.openpetition.de/petition/online/abschaffung-der-3-umwelt-spur-in-duesseldorf

12 https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-umweltspur-petition-bekommt-10000-unter-schriften-ende-1211_aid-47128229