Deutschland im Visier der Mocro-Mafia – Schläft die Landesregierung?

Kleine Anfrage
vom 17.09.2024

Kleine Anfrage 4348

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Deutschland im Visier der Mocro-Mafia Schläft die Landesregierung?

„Was wir als Polizei klar und deutlich sagen müssen: Es ist eine neue Gewalteskalation eingetreten, die auch Auswirkungen auf Unbeteiligte haben kann.“1

So beschreibt der Kölner Kriminaldirektor den Fall im Bereich der Organisierten Kriminalität, mit dem er sich aktuell befasst. Es handele sich um „einen der schwierigsten und komplexesten Einsätze der nordrhein-westfälischen Polizei“2 in den vergangenen Jahren. Offenbar tobt ein Drogenkrieg mitten in Nordrhein-Westfalen, der sich insbesondere Anfang Juli zuzuspitzen begann. In den Kölner Stadtteilen Mülheim und Buchheim kam es an Haustüren von Mehrfamilienhäusern zu Detonationen, bei denen zum Glück niemand verletzt wurde, jedoch ein hoher Sachschaden entstand. Außerdem wurden Explosionen in Engelskirchen und Duisburg gemeldet, bei denen ein Selbstbausprengsatz verwendet wurde. Im Zuge der Ermittlungen rückte ein Entführungsfall aus Bochum, bei dem ein Paar verschleppt und nach Köln gebracht worden sei, in den Fokus der Beamten. Hintergrund der Entführung sollen Drogendeals zwischen Clans in Deutschland und der „Mocro-Mafia“ sein, bei denen mehrere hundert Kilo Rauschgift unterschlagen worden sein sollen.3 Nach Informationen der Bild-Zeitung sollen sie einen Gesamtwert von 9 Millionen Euro haben.4

Ein Spezialeinsatzkommando stürmte am 5. Juli ein Wohnhaus in Köln-Rodenkirchen, in dem das entführte Pärchen vermutet wurde. Die beiden Geiseln konnten befreit werden; zudem wurden sechs Verdächtige im Alter von 22 und 29 Jahren festgenommen. Ein Video, das den Ermittlern vorliegt, zeigt, dass das Paar während der Geiselnahme gefoltert wurde. Der Mann, gefesselt und blutend am Boden liegend, wird geschlagen, getreten und mit einer Pistole bedroht. Unter Schlägen und Tritten wird er immer wieder nach seinem Namen gefragt, während neben ihm eine halbnackte gefesselte Frau auf einem Stuhl sitzt. Bei dem entführten Paar, das in dem Foltervideo zu sehen ist, soll es sich um den Bruder eines Mitglieds des El-Zein-Clans und dessen Partnerin aus Bochum handeln. Die Täter sollen das Video der Misshandlungen an den Bruder des Opfers gesendet haben.5

Die Explosionen dienten nach Einschätzung der Polizei als Warnungen wegen des verschwundenen Rauschgifts. Hierzu sollen Hintermänner Afrikaner als Täter eingesetzt haben, die Videos von den Explosionen als Beweismittel aufnehmen mussten. Bei einer solchen Explosion vor dem Haus einer Clanfamilie in Solingen starb ein Eritreer, als der Sprengsatz vorzeitig explodierte.6

Die Niederlande sehen sich bereits seit längerer Zeit ganz massiv mit dem Ergebnis ihrer verfehlten liberalen Zuwanderungspolitik konfrontiert. Die sogenannte „Mocro-Mafia“ hat nicht nur die niederländische Prinzessin Amalia, sondern auch Premierminister Mark Rutte bedroht.7 Bereits 2021 berichtete der Focus über die seit Jahren wachsende Macht der „Mocro-Mafia“, nachdem Anfang Juli 2021 der niederländische Journalist Peter de Vries auf offener Straße erschossen wurde.8 Schon länger exportieren die Drogen-Gangs ihr Wissen auch nach Nordrhein-Westfalen. So berichtete der leitende Kriminaldirektor S. vom Landeskriminalamt NRW, dass bereits „bei Cannabis-Plantagen und Drogenküchen Rezepte zur Herstellung oder Pflege der Pflanzen gefunden“ wurden, „die von Experten aus den Niederlanden stammen“.9

Diesen Umstand nahmen wir zum Anlass, am 19. Oktober 2022 eine Kleine Anfrage, Drucksache 18/1287, zu fertigen und nach Straftaten, kriminellen Geschäftsfeldern sowie Auseinandersetzungen um kriminelle Geschäftsfelder zwischen hiesigen Clans und Rockgruppen und der „Mocro-Mafia“ in Nordrhein-Westfalen zu fragen. Die Landesregierung antwortete uns hierzu:

„Der Begriff „Mocro-Mafia“ ist weder bei der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen noch bei den mit der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität (OK) befassten Gremien der Innenministerkonferenz definiert. Bei der niederländischen Polizei ist der Begriff ebenfalls nicht Teil des offiziellen Sprachgebrauchs. Ausweislich der vorliegenden Erkenntnisse dürfte es sich jedoch um einen in den Niederlanden medial geprägten Begriff handeln, mit dem in der medialen Darstellung niederländische Straftäter bezeichnet werden, die einen marokkanischen Migrationshintergrund haben, mit hoher krimineller Energie agieren und insbesondere im Großraum Amsterdam aufhältig sind.

Bisher liegen für Nordrhein-Westfalen keine belastbaren Indikatoren für kriminelle Aktivitäten dieser Zielgruppe sowie Auseinandersetzungen dieser Zielgruppe mit kriminellen Clanangehörigen und Rockergruppierungen vor. Gleichwohl wird das internationale Kriminalitätsgeschehen und insbesondere aus den Niederlanden einreisende Tätergruppen aufmerksam beobachtet und analysiert.

Im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz findet eine statistische Erfassung von Verfahren nach dem Kriterium einer Zugehörigkeit zur sog. „Mocro-Mafia“ nicht statt. Die Generalstaatsanwältin in Hamm und die Generalstaatsanwälte in Düsseldorf und Köln haben dem Ministerium der Justiz unter dem 26., 27. und 28. Oktober 2022 im Übrigen berichtet, dass – soweit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich – bei den Staatsanwaltschaften Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der sogenannten „Mocro-Mafia“ nicht geführt würden bzw. – auch aufgrund des unklaren Begriffs – nicht hätten festgestellt werden können. Eine Auskunft über die Anzahl der Straftaten ist dementsprechend nicht möglich.“10

Die FAZ führt aus, dass Entführungen, Folterungen, Morde und gezielte Sprengstoffattacken zur „Handschrift“ der niederländischen „Mocro-Mafia“ zählen. Im Zusammenhang der Geiselbefreiung in Köln sprach Innenminister Herbert Reul (CDU) von

„beachtlichen Erfolgen“, die die Ermittler erzielt hätten. Gleichzeitig musste er eingestehen, dass das „was wir jetzt sehen, […] eine neue Qualität im Kampf um den Markt mit Drogen [ist]. Dabei hilft es auch nicht, dass manche Betäubungsmittel bagatellisiert werden.“11

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben beschriebenen Vorfällen? (Bitte Tathergang sowie Straftatbestände aufschlüsseln.)
  2. In welchem Umfang wurden Sonderkommissionen gebildet, die die Vorfälle untersuchen?
  3. Wie viele Termine gab es seit 2010 bis heute pro Jahr, bei denen es um die strukturelle Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der niederländischen Polizei im Bereich der Mocro-Mafia ging? (Bitte einzeln aufschlüsseln.)
  4. Welche Ergebnisse hat die Landesregierung durch eine durchgeführte Gefahrenanalyse im Hinblick auf die Mocro-Mafia gewinnen können?
  5. In welchem Umfang wurde oder wird der Grenzschutz zwischen Nordrhein-Westfalen und insbesondere den Niederlanden verstärkt, um effektiver gegen die Mocro-Mafia vorgehen zu können?

Markus Wagner

 

MMD18-10440

 

1 https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/drogen-mafia-aus-den-niederlanden-in-koeln-ermittler-sind-beunruhigt-19846490.html.

2 Ebenda.

3 Vgl. https://www.bild.de/regional/koeln/clan-entfuehrung-sprengstoff-anschlaege-waren-warnung-der-geiselnehmer-668bc10a3cf43d19cbbae202?cachebuster=true.

4 Vgl. https://www.bild.de/news/inland/drogen-krieg-in-nrw-el-zein-mitglied-nackt-in-villa-gefoltert-668b710d935d586554d909df

5 Ebenda.

6 Ebenda.

7 Vgl. https://rp-online.de/panorama/niederlande/mocro-mafia-in-den-niederlanden-amalia-bedroht-ein-land-in-angst_aid-78474571.

8 Vgl. https://www.rtl.de/cms/mocro-mafia-terrorisiert-die-niederlande-ist-das-gefaehrliche-drogenkartell-auch-in-deutschland-aktiv-5011275.html.

9 Vgl. https://www.focus.de/politik/ausland/cannabis-kokain-kopfschuesse-wie-mocro-maffia-niederlande-terrorisiert_id_28737670.html.

10 Vgl. Antwort der Landesregierung vom 17.11.2022, Drucksache 18/1739.

11 https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/drogen-mafia-aus-den-niederlanden-in-koeln-ermittler-sind-beunruhigt-19846490.html.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4348 mit Schreiben vom 18. November 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er­mittlungen zu den oben beschriebenen Vorfällen? (Bitte Tathergang sowie Straf­tatbestände aufschlüsseln.)

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat dem Ministerium der Justiz unter dem 27.09.2024 im Wesentlichen berichtet, dass die Ermittlungen zu der am 05.07.2024 beendeten Geisel­nahme andauerten. Sieben in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte seien verdächtig, sich gemeinsam mit weiteren, bislang unbekannt gebliebenen Tatverdächtigen dazu ent­schlossen zu haben, zwei Personen aus dem Raum Bochum gewaltsam zu entführen, um einen Verwandten zu einer Geldzahlung oder zur Rückgabe angeblich unterschlagener Rauschmittel zu bewegen. Die Beschuldigten hätten mit den zwei Personen einen Treffpunkt vereinbart, von dem sie sie unter Verwendung von Schusswaffen zunächst in einen Transpor­ter und schließlich zu einem Einfamilienhaus in Köln verbracht hätten. Die zwei Personen seien dort erheblich misshandelt worden.

Der Geiselnahme seien im Zeitraum vom 25.06.2024 bis zum 05.07.2024 sechs Explosions­geschehen in Solingen, Köln, Engelskirchen und Duisburg vorausgegangen, bei denen ein Zusammenhang zu dem eingangs geschilderten Tatgeschehen geprüft werde. In Köln und Engelskirchen hätten Blitz-Knall-Explosionen in Eingangsbereichen von Mehrfamilienhäusern zu erheblichen Beschädigungen geführt. In Duisburg sei es ebenfalls zu einer Explosion im Eingangsbereich eines Einfamilienhauses gekommen. Bei dem Explosionsgeschehen in So­lingen sei der Tatverdächtige bei dem mutmaßlich missglückten Angriff auf eine unmittelbar neben dem Tatort gelegene Gaststätte verstorben.

Von der Mitteilung weiterer Einzelheiten zum Sachstand der Ermittlungen in öffentlicher Form wird aus ermittlungstaktischen Gründen abgesehen und im Übrigen auf den schriftlichen nicht­öffentlichen Bericht für die Sitzung des Innenausschusses am 07.11.2024 zu dem Tagesord­nungspunkt „Festnahme einer mutmaßlichen Schlüsselfigur − welche neuen Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Expansion der sogenannten niederländisch-belgischen ‚Mocro-Mafia‘ nach NRW?“ verwiesen.

  1. In welchem Umfang wurden Sonderkommissionen gebildet, die die Vorfälle unter­suchen?

Hinsichtlich der Organisation der Ermittlungen der Polizei verweise ich auf die schriftlichen Berichte für die Sitzungen des Innenausschusses am 05.09.2024 (Vorlage 18/2934, S. 3) und am 26.09.2024 (Vorlage 18/3020, S. 2 f.).

  1. Wie viele Termine gab es seit 2010 bis heute pro Jahr, bei denen es um die struk­turelle Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der niederländischen Polizei im Bereich der Mocro-Mafia ging? (Bitte einzeln aufschlüsseln.)

Wie bereits u.a. mit schriftlichem Bericht für die Sitzung des Innenausschusses am 05.09.2024 (Vorlage 18/2934, S. 2) dargestellt, ist der Begriff der „Mocro-Mafia“ weder bei der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen noch bei den mit der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität befassten Gremien der Innenministerkonferenz oder dem Bundeskriminalamt gebräuchlich. Der Begriff wird daher als ein medial geprägter Begriff verstanden, mit dem niederländische Straftäterinnen und Straftäter bezeichnet werden, die einen marokkanischen Migrationshinter-grund haben, mit hoher krimineller Energie agieren und insbesondere im Großraum Amster­dam aufhältig sind.

Im Rahmen der seit vielen Jahren etablierten, vertrauensvollen und konstruktiven Zusammen­arbeit der Polizei Nordrhein-Westfalen mit niederländischen Sicherheitsbehörden im Kontext der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Organisierten Kriminalität bestehen zahlreiche polizeiliche Zusammenarbeitsformen und Kontakte sowohl auf strategischer wie auch auf ope­rativer Ebene. Ein Austausch findet in verschiedensten Formaten sowohl regelmäßig als auch anlassbezogen statt. Hierzu zählt unter anderem ein „High-Level Meeting“ mit Vertretern der niederländischen Polizei, dem Bundeskriminalamt, dem Ministerium für Inneres und für Sport des Landes Niedersachsen sowie dem Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfa­len. Dies hat zuletzt im September 2024 stattgefunden. Im Übrigen wird auf den schriftlichen Bericht für die Sitzung des Innenausschusses am 05.09.2024 (Vorlage 18/2934, S. 6 bis 8) verwiesen.

Der Landesregierung liegen darüber hinaus keine Daten im Sinne der Fragestellung vor.

  1. Welche Ergebnisse hat die Landesregierung durch eine durchgeführte Gefahren­analyse im Hinblick auf die Mocro-Mafia gewinnen können?

Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen hat im Juli 2024 eine Analyse hinsichtlich krimi­neller Aktivitäten bzw. schwerer Straftaten durch niederländische Tatverdächtige – mit und ohne Migrationshintergrund – mit Bezügen nach Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Es wird auf den schriftlichen Bericht für die Sitzung des Innenausschusses am 05.09.2024 (Vorlage 18/2934, S. 2 f.) verwiesen.

  1. In welchem Umfang wurde oder wird der Grenzschutz zwischen Nordrhein-West­falen und insbesondere den Niederlanden verstärkt, um effektiver gegen die Mocro-Mafia vorgehen zu können?

Gemäß § 2 des Gesetzes über die Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes grundsätzlich der Bundespolizei.

Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen bekämpft grenzüberschreitende Kriminalität in den Grenzbehörden unter anderem auf der rechtlichen Grundlage des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die grenzüberschrei­tende polizeiliche Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenhei­ten in Form von gemischt besetzten Dienststellen und Polizeiteams. Dazu zählen sowohl grenzüberschreitende Polizeiteams (GPT) als auch das Euregionale Polizei-Informations- und Kooperationszentrum (EPICC). Von deutscher Seite sind in den GPT und dem EPICC die Bundespolizei sowie die Polizei Nordrhein-Westfalen gemeinsam vertreten.

Seit dem 16. September 2024 führt die Bundespolizei zur Begrenzung der Migration, des Schutzes vor aktuellen Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus sowie vor grenz­überschreitender Kriminalität, vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Landesgrenzen durch. Zur Unterstützung der entsprechenden bundespolizeilichen Binnengrenzkontrollen wur­den alle grenznahen Kreispolizeibehörden, inklusive der für die betreffenden Bundesautobah­nen zuständigen Kreispolizeibehörden Köln und Düsseldorf, mit Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10.09.2024 angewiesen, flankierende polizeili­che Maßnahmen vorzuplanen. Hierbei werden auch benachbarte Behörden, wie beispiels-wiese Ausländerbehörden, im erforderlichen Umfang einbezogen.

Darüber hinaus wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 4336 (LT-Drs. 18/11036) ver­wiesen.

 

MMD18-11474

Beteiligte:
Markus Wagner