Die Freiheit im Internet bewahren: Minister Buschmanns Cyber-Polizeistaat entgegen-treten!

Antrag

Antrag

der Fraktion der AfD

Die Freiheit im Internet bewahren: Minister Buschmanns Cyber-Polizeistaat entgegen­treten!

I. Ausgangslage

Die Freiheitsrechte sollen laut Erklärung des Bundesjustizministers Marco Buschmann (FDP) jetzt nicht mehr durch das seit Oktober 2017 geltende Gesetz zur Verbesserung der Rechts­durchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) beeinträch­tigt werden1. Dieses soll, wie von der FDP im Wahlkampf versprochen, abgeschafft werden.

Denn die Anwendung des Digital Services Act (DSA) der Europäischen Union ab 17. Februar 2024 macht das NetzDG in seiner jetzigen Ausgestaltung obsolet – das von der FDP kritisierte Überwachungs- und Sanktionsgesetz für Soziale Plattformen wird also mit dem Segen der FDP durch eine neue EU-weite Überwachungs- und Sanktionsverordnung ersetzt.

Doch damit nicht genug: Bundesjustizminister Buschmann möchte weiter in die Freiheit des Internets eingreifen. Am 12. April 2023 veröffentlichte das Bundesministerium für Justiz unter dem Titel „Gesetz gegen Digitale Gewalt“ ein Eckpunktepapier für ein Gesetz, welches die individuellen Auskunftsrechte für Betroffene von sogenannter „digitaler Gewalt“ und anderem regeln und damit den Betroffenen und staatlichen Stellen mehr Handhabe bei der Bekämpfung der vermeintlichen und tatsächlichen Täter geben soll.2

Während im Digital Service Act individuelles Fehlverhalten durch hauptsächlich staatliche Maßnahmen über Ansprache der sozialen Netzwerke sanktioniert werden soll, steht das „Ge­setz gegen Digitale Gewalt“ für die Erweiterung der direkten Auskunftsrechte von Privatperso­nen oder Unternehmen gegen Personen, die über alle Arten von Aussagen vermeintlich die Rechte der Betroffenen beeinträchtigen.

Unter anderem können die Betroffenen gerichtlich angeordnete Accountsperren und umfas­sendere Auskunftsrechte erwirken. In einem zweistufigen Verfahren soll erst die IP-Adresse vom Social-Media- oder Messenger-Dienstleister abgefragt und danach, richterlich angeord­net, die vom Internetprovider hinterlegte Namens- und Adresszuordnung des Beklagten zu­gänglich gemacht werden.

Anders als die Gesetzesbezeichnung suggerieren soll, sind jedoch nicht nur Fälle von soge­nannter „digitaler Gewalt“, also der Herabsetzung, Belästigung, Diskriminierung und Nötigung anderer Menschen mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmittel, sondern auch sogenannte absolute Rechte und „sonstige Rechte“, darunter Immaterialgüterrechte wie „geistiges Eigen­tum“, Gegenstand des Gesetzes.

Das Bundesministerium für Justiz gibt dabei in seinem Eckpunktepapier selbst den Fall Res­taurantkritik als Beispiel an: „Schädigung durch wahrheitswidrige Nutzerkommentare“ im Ab­schnitt „Erstreckung auf alle Fälle der Verletzung absoluter Rechte“.

Dies ist eine erhebliche Ausdehnung der Anwendungsfälle über die Grenzen dessen, was bis­her durch das sogenannte NetzDG gesetzt wurde.

Eine weitere Ausweitung, die über das NetzDG hinausreicht, ist, dass nicht nur soziale Netz­werke wie Facebook, Twitter und Co. betroffen sind, sondern auch private Messengerdienste, wie beispielsweise WhatsApp, Telegram und Signal. Also nicht mehr nur öffentliche Inhalte sollen bei Bedarf sanktioniert werden, sondern jetzt sogar Inhalte, die im Zwiegespräch geäu­ßert wurden.

Das im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP hinterlegte Versprechen „ano­nyme und pseudonyme Online-Nutzung werden wir wahren“ ist damit Makulatur, denn das konträr zum Versprechen der Wahrung der Anonymität stehende Gesetz findet ebenfalls im Koalitionsvertrag der Bundesregierung seine Grundlage. Dort heißt es nämlich: „Wir schaffen die rechtlichen Rahmenbedingungen für elektronische Verfahren zur Anzeigenerstattung und für private Verfahren und ermöglichen richterlich angeordnete Accountsperren“.3

Neben der politischen Kritik der Netzgemeinde an der FDP und dem Bundesjustizminister als Verräter der Freiheitsrechte4, haben digitalpolitische Medien wie netzpolitik.org, der Chaos Computer Club und der SPD-nahe digitalpolitische Verein D64 ihre Kritik und Befürchtungen zum Eckpunktepapier für das kommende Gesetz geäußert.

Der digitalpolitische Verein D64 befürchtet durch diese geplanten Ausweitungen „erheblich negative Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit“.

Die AfD sieht jedoch zusätzlich zur Kritik bei den überbordenden Auskunftsrechten kein wirk­sames Mittel in den Account-Sperren. Dies, weil einerseits nicht zuletzt durch anonyme und oftmals schnell ersetzbare Accounts die Persönlichkeitsrechte von Privatpersonen angegriffen werden, andererseits z. B. Accounts wie Google, Microsoft oder Apple sehr viel mehr „reale“ Funktionen (Smart Home, IPTV, Shopping, Finanzen) haben, als die pure Präsenz im Bereich der Sozialen Medien bereitzustellen, womit deren (vorübergehende) Löschung einen vom Klä­ger oftmals nicht-intendierten und dennoch unverhältnismäßigen Schaden für den betroffenen Beklagten auslösen kann.

Die vorgesehene Ausweitung der Sanktions- und Auskunftsrechte auf private Messenger-dienste zur Sanktionierung von digitaler Gewalt ist entschieden zurückzuweisen, sie greift un­verhältnismäßig in die durch Grundgesetz und Landesverfassung garantierten Grundrechte ein.

II. Der Landtag stellt fest:

  • Eine Überwachung und De-Anonymisierung von privater Kommunikation beeinträchtigt die freie Entfaltung der Persönlichkeit.
  • Eine niedrigschwellige Möglichkeit, Absender von möglichen nicht justiziablen aber un­angenehmen Äußerungen zu deanonymisieren und zu bestrafen, erzeugt eine mit dem Begriff „Chilling Effect“ bezeichnete allgemeine Voreingenommenheit im Kommunikati­onsverhalten der breiten Bevölkerung, die einer freien und offenen Gesellschaft unwür­dig ist.

III. Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird beauftragt, sich auf Bundesebene frühzeitig gegen das Vorhaben des Bundesjustizministers zu stellen, mit dem „Gesetz gegen digitale Gewalt“ eine Beihilfe zur Ermöglichung einer exzessiven Kontrolle und Sanktion von privater und öffentlicher Kommu­nikation für jedermann zu ermöglichen.

Sven W. Tritschler
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://www.bmj.de/SharedDocs/Reden/DE/2022/1027_Rede_KIT_Karlsruhe.html

2 https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Digitale_Gewalt.html

3 https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf Seite 14

4 Userkommentare auf https://netzpolitik.org/2023/geplantes-gesetz-gegen-digitale-gewalt-accounts-sperren-ip-adressen-einfrieren/

Beteiligte:
Sven Tritschler