Die Kooperation zwischen Ganztagsschulen und Sportvereinen verbindlich gestalten, Potentiale ausschöpfen!

Antrag

Antrag

der Fraktion der AfD

Die Kooperation zwischen Ganztagsschulen und Sportvereinen verbindlich gestalten, Potentiale ausschöpfen!

I. Ausgangslage

Ganztagsschulen sind Lebens- und Lernorte, an denen Kindern und Jugendlichen vielfältige Bildungsprozesse ermöglicht werden sollen.1 Fast alle Schulformen werden inzwischen als Ganztagsschulen angeboten; im Primarbereich in NRW geht man inzwischen von rund 3.000 offenen Ganztagschulen aus.2 Nach einem Beschluss des Bundeskabinetts soll das Angebot von Ganztagsschulen weiter ausgebaut werden. Ab dem Schuljahr 2026/2027 soll jedes Kind, das eingeschult wird, in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Schule haben, ab August 2029 dann alle Grundschulkinder.3

Bis zur 10. Klasse haben die Schüler im Normalfall um 13:30 Uhr Unterrichtsschluss. In den Ganztagsschulen geht das Betreuungsangebot an mindestens drei Tagen in der Woche über diesen Zeitrahmen hinaus. Zu den charakteristischen Merkmalen einer Ganztagsschule gehö­ren Bildungsangebote, das Angebot eines Mittagessens sowie Angebote zur Freizeitgestal­tung, die durch außerschulische Partner gestaltet werden. Dazu gehören Institutionen und Or­ganisationen, die einzelne, zeitlich umgrenzte Kurse oder Arbeitsgemeinschaften an den Ganztagsschulen anbieten. Befürworter der Ganztagsschule sehen diese Art der Schule als große Chance für die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Nachmittags können die Schüler mit mehr Zeit und besseren Angeboten sinnvoller gefördert, gefordert und betreut werden. Die zunehmende Übernahme der Erziehungsaufgabe durch staatliche Institutionen wie Krippen und Ganztagsschulen untergräbt allerdings die Familie als wertegebende gesellschaftliche Grundeinheit. Insofern ist, wenn überhaupt, die offene Ganz­tagsschule zu befürworten.

Problematisch ist, dass Freizeit- und Vereinsaktivitäten wie Sport zu kurz kommen. Kinder, die bis 17:00 Uhr in der Schule sind, haben kaum Zeit, in einem Sportverein zu trainieren. Umge­kehrt haben Vereine immer mehr Probleme, jugendliche Mitglieder zu gewinnen. Ursächlich dafür ist die insgesamt gestiegene schulische Belastung; auch die zunehmende Zahl alternativer Freizeitaktivitäten spielt dabei eine Rolle.4 Doch stellt, wie die Motorik-Modul-Stu­die 2017 gezeigt hat, die kontinuierliche Mitgliedschaft in einem Sportverein vom Kindes- bis ins Jugendalter einen wichtigen Baustein für eine altersgerechte motorische Entwicklung dar.5 Bewegung, Spiel und Sport sind elementare und unverzichtbare Bestandteile ganzheitlicher Bildung. Sie beeinflussen nicht nur die motorische, sondern darüber hinaus auch die sprachli­che, körperliche, emotionale, intellektuelle und soziale Entwicklung von Kindern und Jugend­lichen.

Dem wird der Schulsport allein aber nicht gerecht. Obwohl in NRW drei Sportstunden ver­pflichtend vorgegeben sind,6 haben Analysen der organisierten Bewegungszeiten in Bildungs­institutionen gezeigt, dass die vorgegebenen Regelstunden bereits in der Vergangenheit fak­tisch nicht erreicht wurden.7 Bei Ausfall eines zentralen Unterrichtsfachs wird der Sportunter­richt häufig als erstes gestrichen, damit der Sportlehrer mit seinem zweiten Schwerpunktfach für die ausgefallenen Stunden eingesetzt werden kann. Es darf angenommen werden, dass der zunehmende Lehrermangel diese Situation noch weiter verschärfen wird.

Der Wegfall des Schulsportes und der Ausfall der Sport-AGs während der Lockdown-Phasen sind, auch wenn es individuelle Angebote von Sportlehrern gegeben hat, während der Zeit des sogenannten Homeschoolings nicht ausreichend beachtet worden. Dementsprechend haben die Corona-Maßnahmen nicht nur zu einem dramatischen Bildungsrückstand, sondern auch zu einem signifikanten Rückgang der sportlichen Aktivität von Schülern geführt.8 Schon vor Corona waren 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht betroffen.9 Weniger Sport in der Schule, immer mehr Medienkonsum und das damit einhergehende Sitzverhalten können längerfristig zu großen gesundheitlichen Problemen führen. So ermittelte das ifo Insti­tut, dass Kinder zu Beginn des Jahres 2022 insgesamt 4,6 Stunden pro Tag mit Fernsehen, Computerspielen oder ihrem Handy verbrachten.10 Gerade auch hinsichtlich der Auswirkungen der Corona-Pandemie gilt es daher, möglichst alle Kinder und Jugendliche in Bewegung zu bringen und an den Sport heranzuführen.

Nicht als Ersatz, sondern zusätzlich können Sportvereine als Kooperationspartner den Kindern den Spaß am Sport im Rahmen der Ganztagsbetreuung vermitteln und ihr Interesse an ver­schiedenen Sportarten wecken. Längerfristig können so auch neue Mitglieder für den Verein gewonnen werden. Über zusätzliche Sportangebote am Nachmittag können auch Kinder und Jugendliche aus einkommens- und bildungsschwächeren Schichten Zugang zum Sport finden.

Wie wichtig Sportangebote gerade für Jugendliche sind, zeigt sich anhand ihrer gewaltpräven­tiven Wirkung, insbesondere in Verbindung mit pädagogischen Intentionen und Interventionen. Die Vernetzung von Schul- und Vereinssport stellt hierfür eine wichtige Grundlage dar. Denn Untersuchungen haben gezeigt, dass „die präventive Wirksamkeit von Sport ohne Vernetzung relativ gering, im Gesamtkontext aber durchaus bedeutsam ist.“11

Daher ist es von großem gesellschaftlichem Interesse, dass in den Bildungs- und Erziehungs­angeboten der Ganztagsbetreuung von Schülern ein entsprechendes Bewegungs- und Sport­angebot integriert ist. „Bewegt den ganzen Tag!“ – das ist das Motto für Ganztagsschulen, so auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.12 Kooperationen zwischen Ganz­tagsschulen und Sportvereinen bestehen bereits. Aber dies ist generell abhängig von der Schulleitung, die eigenständig über die verschiedenen Partner entscheidet und dementspre­chend die Nachmittagsangebote auswählt. So kann mehr Wert auf musische oder handwerk­liche Angebote gelegt werden, während der Sport gar nicht stattfindet.

Vor diesem Hintergrund bieten sich verbindliche Kooperationen zwischen Ganztagsschulen und örtlichen Sportvereinen an. Durch diese Zusammenarbeit von Vereinen und Ganztags­schulen können die beiderseitigen Ressourcen optimal genutzt werden. Die Vereine können für ihr Angebot im Rahmen der Schule werben und so neue Mitglieder generieren. Die Schulen erhöhen ihr Sportangebot und bieten im Rahmen des Ganztages eine qualifizierte Ausübung von Sport für ihre Schüler. Eine Konkurrenzsituation zwischen dem Betreuungsangebot einer Ganztagsschule und dem nachmittäglichen Jugendtraining der Sportvereine wird so vermie­den. Diese gegenseitigen Vorteile wurden 2011 vom Land Nordrhein-Westfalen und dem Lan­dessportbund in einer entsprechenden Rahmenvereinbarung festgehalten.13 Ziel war jeweils, die Kooperation zwischen den Ganztagsschulen und den Sportvereinen zu fördern.

Diese Kooperation beruht ausschließlich auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit und führte dazu, dass fast alle Ganztagsschulen zumindest eine Sport-AG anbieten. Damit wird das Potential, welches eine Zusammenarbeit zwischen den Ganztagsschulen und den Sportvereinen bietet, bei weitem nicht ausgeschöpft. Angesichts des oben dargestellten Befundes, dass die Aus­übung von Sport bei Kindern und Jugendlichen immer weiter abnimmt, muss deshalb das Prin­zip der Freiwilligkeit aufgegeben werden. Nur eine verbindliche Kooperation einer Ganztags­schule mit einem oder mehreren Sportvereinen kann mittel- und langfristig zu einer Erhöhung der sportlichen Tätigkeiten von Kindern und Jugendlichen führen. Dieses zusätzliche Sportan­gebot stellt eine Ergänzung des regulären Sportunterrichtes dar und wird den Schülern als kostenloses Angebot unterbreitet. Damit geht einher, dass die zusätzlichen Kosten dieser ver­bindlichen Kooperation vom Land übernommen werden.

II. Der Landtag stellt fest:

– Der Ausbau des Angebots an Ganztagsschulen kann dazu führen, dass Kindern und Jugendlichen weniger Zeit für außerschulische Freizeitaktivitäten wie den Vereinssport bleibt. Letzterer stellt jedoch einen wichtigen Baustein für eine altersgerechte motorische Entwicklung dar.

– Der Schulsport bietet aufgrund des zunehmenden Lehrermangels und der wenigen Re­gelstunden hingegen keinen adäquaten Ersatz für den organisierten Vereinssport.

– Nicht zuletzt wegen der Corona-Maßnahmen ließ sich in den vergangenen Jahren eine Abnahme sportlicher Aktivität bei gleichzeitiger Zunahme von Medienkonsum und Über­gewicht bei Kindern und Jugendlichen konstatieren.

– Die bereits in Ansätzen vorhandene Kooperation zwischen Ganztagsschulen und Sport­vereinen bietet viel Potential, das allerdings durch den Grundsatz der Freiwilligkeit nicht vollends ausgeschöpft werden kann.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

– zu den charakteristischen Angeboten einer Ganztagsschule zusätzlich eine verbindliche Kooperation mit Sportvereinen auf den Weg zu bringen;

– dafür Sorge zu tragen, dass das Sportangebot am Nachmittag nicht den Sportunterricht ersetzt;

– allen Schülern die Möglichkeit kostenfreier Sportangebote zu eröffnen;

– die Sportangebote durch qualifizierte Vereinsübungsleiter oder Trainer durchführen zu lassen;

– die Honorare für die Übungsleiter und Trainer aus den Ganztagstöpfen der Schule zu finanzieren;

– die Übungsleiterpauschale für Ganztagsschulen zu erhöhen.

Andreas Keith
Carlo Clemens
Dr. Martin Vincentz

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/ganztaegiges-lernen/ganztagsschulen/

2 https://www.ganztag-nrw.de/information/ganzrecht/grundlagen/formen-von-ganztagsschulen/#:~:text=Im%20Pri-marbereich%20gibt%20es%20inzwischen,Weiterentwicklung%20zu%20einer%20gebundenen%20Ganztags-schule.

3 https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/gesetz-rechtsanspruch-ganztagsbetreuung-grundschulen-178966

4 Vgl. dazu: Thieme, Lutz. (2015). Ganztag und Sportvereine. Zusammenfassung vorliegender empirischer Be­funde unter besonderer Berücksichtigung von Daten aus Rheinland Pfalz. Working Papers der Hochschule Kob­lenz 2/2015.

5 https://www.sport.kit.edu/MoMo/img/Albrecht_Aktivit%c3%a4t_fin.pdf

6 https://www.schulministerium.nrw/schulsport-und-gesundheitsfoerderung.

7 Klaus Bös u.a. (Hgg.): Motorik-Modul: Eine Studie zur motorischen Leistungsfähigkeit und körperlich-sportlichen Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Abschlussbericht zum Forschungsprojekt, 1. Aufl., Baden-Baden 2009, S. 300.

8 https://www.sport.kit.edu/MoMo/img/FactSheets_MoMo%20Corona%201.pdf

9 https://adipositas-gesellschaft.de/forsa-umfrage-zeigt-folgen-der-corona-krise-fuer-kinder-gewichtszunahme-weniger-bewegung-mehr-suesswaren-jedes-sechste-kind-ist-dicker-geworden/

10 https://www.ifo.de/pressemitteilung/2021-04-20/auch-im-zweiten-lockdown-lernen-kinder-weniger

11 https://www.kriminalpraevention.de/files/DFK/dfk-publikationen/sport_und_praevention.pdf

12 https://www.ganztagsschulen.org/de/kooperationen/sport-und-bewegung/sport-und-bewegung_node.html

13 Siehe dazu etwa die Rahmenvereinbarung zwischen dem Landessportbund/der Sportjugend, dem Ministerium für Schule und Weiterbildung und dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen über Bewegung, Spiel und Sport in Ganztagsschulen und Ganztagsangeboten von 2011: https://www.schulsport-nrw.de/fileadmin/user_upload/schule_und_sportverein/pdf/rahmenvereinbahrung2011.pdf