Kleine Anfrage 3466des Abgeordneten Herbert Strotebeck von 12.03.2020
Die lange Tradition des linksextremen Antizionismus
Die Genese des Antisemitismus im Linksextremismus beginnt mit antijüdischen Aussagen im Text “Zur Judenfrage“ (1844) von Karl Marx. Entsprechend seiner ideologischen Basis gibt es im Linksextremismus keinen rassistischen Antisemitismus. Im Linksextremismus werden antisemitische Ressentiments mit dem Begriff des Antizionismus verhüllt.1 Der antizionistische Antisemitismus reicht weit in das linksextreme politische Spektrum hinein.
Bei der Abgrenzung einer antisemitischen von einer nicht-antisemitischen Kritik am Staat Israel wurden in der Sozialwissenschaft folgende Kriterien entwickelt:
- Aberkennung des Existenzrechts Israels,
- Aberkennung des Rechts auf Selbstverteidigung,
- Gleichsetzung israelischer Palästinenserpolitik mit der nationalsozialistischen Judenverfolgung,
- Beurteilung der Politik des Staates Israel mit doppelten Standards,
- Übertragung antisemitischer Stereotype auf den israelischen Staat,
- Zusprechung einer Verantwortlichkeit der Juden weltweit für die Politik Israels.
Der ehemalige Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans Georg Maaßen, beschrieb diese Problematik gegenüber der Jüdischen Rundschau wie folgt:2
„Was den linken Antisemitismus oder Antizionismus angeht, wird er auf politischer Ebene, insbesondere von Sozialisten, immer noch verharmlost und verniedlicht. Ich nehme es so wahr, dass der linke Antisemitismus sich weniger gegen das Individuum richtet, sondern gegen „die Juden“ und gegen die Existenz des Staates Israel. Das wird teilweise dadurch vertarnt, dass man gegenüber „palästinensischen“ oder arabischen extremistischen oder gar terroristischen Gruppierungen mehr oder weniger offen Verständnis oder Sympathie äußert. Wer offen oder klammheimlich mit den Feinden Israels paktiert, bedroht die Existenz unseres Partners Israel, des einzigen stabilen demokratischen Staates im Nahen Osten.“
„Die Grünen […] werden auch regelmäßig von ihrer antizionistischen Geschichte eingeholt.“ So äußerte sich bereits im Jahre 2013 der Journalist Henryk M. Broder.3 So wird als Beleg Hans-Christian Ströbele zitiert, der in Israel einschlagende Scud-Raketen als „die logische, fast zwingende Konsequenz der israelischen Politik den Palästinensern und den arabischen Staaten gegenüber“ bezeichnet haben soll.
Henryk M. Broder erinnerte an den Besuch grüner Bundestagsabgeordneter in Israel im Jahre 1984, die in ihrer Abschlusserklärung postulierten, dass die israelische Regierung die „volle Verantwortung für das sich abzeichnende Blutbad im Nahen Osten [trage], wenn sie ihre Politik nicht entscheidend ändert“.
Berichtet wird auch über das bereits zum damaligen Zeitpunkt vorhandene Ansinnen einer besonderen Kennzeichnungspflicht für israelische Produkte, etwa solchen von der Westbank. Hier waren nach Ansicht von Henryk M. B. doppelte Standards erkennbar, da es ähnliche Forderungen gegenüber chinesischen Produkten aus Tibet oder türkischen aus Nordzypern nicht gab. Antizionismus sei, so Broder, die Sonderbehandlung Israels. Und genau das sei der Kern einer grünen Initiative gewesen, die sich als Dienst am Kunden gerierte.
Wie der Cicero berichtete, behauptete die spätere Europaabgeordnete der Grünen, Brigitte H., bereits am 21.08.1982 im Verlaufe einer Libanon-Demonstration, dass der Zionismus Völkermord betreibe. Des Weiteren habe sie geäußert: „Gerade weil wir die moralische Schuld unseres Volkes am millionenfachen Judenmord nicht zurückweisen, können wir zum Aggressionskrieg Israels gegen das palästinensische Volk nicht schweigen.“4 Anhand dieser Aussagen wird eine klare antizionistische Grundhaltung, verbunden mit einem sekundären Antisemitismus, deutlich.
Benjamin W., der Europakorrespondent der Jerusalem Post, hat in seinem Artikel „How the German Green party made Iranian antisemitism politically correct“ vom 15.11.2019 die grüne Politik im Spannungsfeld zwischen der deutschen Staatsraison und der antizionistischen Politik des iranischen Mullah-Regimes analysiert.5 Kritisch betrachtet wurde der Besuch von Claudia Roth beim iranischen Parlamentssprecher Ali L., den David H. vom American Jewish Committee wie folgt kommentierte:
„Why do you as VP of German Parliament meet with a Holocaust-denying. Israel-hating Iranian leader? Why do you, as leader of the progressive Green party, so joyfully chat with the representative of such a brutal iran regime? Have you no shame?“
Claudia Roth habe u.a. auch Manouchehr M. umworben, der während seiner Amtszeit als Außenminister eine wichtige Rede, auf der im Jahre 2006 in Teheran stattfindenden Holocaust-Leugnungskonferenz hielt.
Im Rahmen einer Israel-Reise beschränkte sich der Einsatz für den Staat Israel beim aktuellen Vorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, auf eine „Portion Gratismut“, der weder seine Partei noch seine Anhänger etwas kosten wird. Irgendein Bekenntnis zum aktiven Handeln Deutschlands für das Existenzrecht Israels, als logische Konsequenz der deutschen Staatsraison, blieb bei diesem Besuch in Israel aus. Ob eine grün-pazifistische Appeasement-Politik geeignet ist, den Staat Israel dauerhaft zu schützen, muss offen bleiben.
Marcus E. fasste diese Grundhaltung auf Achgut.com wir folgt zusammen:6
„Historisch kontaminierte Passivität und Unterwürfigkeit vor einem faschistischen Regime, verkleistert als „zivilisatorischer Fortschritt“. Mehr noch: Untätigkeit gegenüber Judenhassern, ausgerechnet begründet durch den Holocaust! Ein rhetorisches, politisches und letztlich Israels Existenzrecht berührendes Vabanquespiel sondergleichen.“
Habecks Einordnung der Bedrohung Israels als quasi „Schuld am eigenen Unglück“ wird deutlich in folgender Aussage:
„Das Jordan-Tal zu annektieren, heizt die Konflikte nur an. Es gefährdet Zukunft, die Perspektive auf einen gerechten Frieden und nimmt Hoffnung. Durch den massiven Siedlungsbau wird der Raum für die Nachbarn Israels immer enger.“7
Interessant sind hier sowohl die Wortwahl als auch das damit verbundene „Framing“. Auf seiner Israel-Reise wurde der Vorsitzende der Grünen, Habeck, vom Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour, Grüne, und vom Europaabgeordneten Sergey Lagodinsky flankiert.8 Nouripour ist Mitglied im Beirat der „Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft e.V.“(DPG). (wie übrigens auch Frau Christine Buchholz, MdB, Die Linke, oder Frau MdB Aydan Özogus, SPD)9. Die DPG ist in der Vergangenheit u.a. durch eine Unterstützung der BDS-Bewegung aufgefallen.10
Lagodinsky wurde im Jahre 2009 scharf für seine Teilnahme an der Durban-2-Konferenz kritisiert. Zum damaligen Zeitpunkt war er der Sprecher des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten in der SPD.11 Die Konferenz ging in negativer Hinsicht in die Geschichte ein, weil der ehemalige Präsident der Republik Iran, Mahmud A., in seiner Rede Israel als das „grausamste und rassistischste Regime“ und den Zionismus als „personifizierten Rassismus“ bezeichnete.12
In einer Rede zum „al-Quds-Tag“ am 18. September 2009 behauptete Mahmud A., der Holocaust sei „eine falsche Behauptung, ein Märchen, das als Vorwand für Verbrechen gegen die Menschheit“ missbraucht werde.13 Eine derartige Reisebegleitung erscheint vor dem Hintergrund der besonderen deutschen historischen Schuld und Verantwortung als unangemessen und respektlos.
Das Existenzrecht Israels als Teil der deutschen Staatsraison
Am 26.04.2018 wurde mit den Stimmen aller Fraktionen im Deutschen Bundestag dem Antrag „70 Jahre Gründung des Staates Israel – In historischer Verantwortung unsere zukunftsgerichtete Freundschaft festigen“ zugestimmt.14 Dabei wurde erneut betont, dass das Existenzrecht Israels „Teil der deutschen Staatsraison“ sei.
Dr. Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD, sagte in seiner Rede:
„Gerade weil wir auf diese furchtbare Weise mit dem Existenzrecht Israels verbunden sind, war und ist es richtig, die Existenz Israels zu einem Teil unserer Staatsräson zu erklären. Das war und ist moralisch richtig, enthält aber eine über das bloße Bekenntnis hinausgehende Verpflichtung […] im Ernstfall einer existenziellen Bedrohung Israels an dessen Seite zu kämpfen und zu sterben. Ich bin mir nicht sicher, ob das Ausmaß dieser Verpflichtung überall in Deutschland erkannt und verstanden worden ist. Aber allein dadurch wäre es mehr als bloßes Lippenbekenntnis und rituelle Symbolik. […] Dieses Land ist für uns eben kein Staat wie jeder andere, dessen Führung und Methoden wir nach Herzenslust kritisieren dürfen. […] Deshalb ist es unsere Pflicht, genau hinzuschauen, wenn Kritik an diesem Staat die historischen Reflexe der Judenfeindschaft bedient.“15
Ich frage daher die Landesregierung:
1. Unterstützt die Landesregierung uneingeschränkt das Existenzrecht Israels als Teil der deutschen Staatsraison?
2. Teilt die Landesregierung die in der Einleitung aufgeführte Unterscheidung bzw. Abgrenzung zwischen einer antisemitischen und einer nichtantisemitischen Kritik am Staat Israel?
3. Mit welchen Maßnahmen und Projekten (Aufklärung, Prävention, Sanktionierung) bekämpft die Landesregierung aktuell bzw. zukünftig linksextremen Antizionismus?
4. Durch welche Publikationen oder Veranstaltungen thematisiert die Landeszentrale für politische Bildung die Problematik des linksextremen Antizionismus?
5. In welcher Form wird die Problematik des linksextremen Antizionismus aktuell im Schulunterricht thematisiert?
Herbert Strotebeck
1 Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/download/broschuere-2016-02-
antisemitismus.pdf?fbclid=IwAR3JnxYFc917fOLQ-CG8LEnAhkszFLbjt4rlyfE9fg_4bAvDsoXSe0Ma4GY
3 Vgl. https://www.welt.de/debatte/article116502265/Die-lange-Tradition-des-gruenen-Antizionismus.html
4 Vgl. https://www.cicero.de/aussenpolitik/zwischen-antisemitismus-und-israelkritik/42754
5 https://www.jpost.com/Diaspora/Antisemitism/How-the-German-Green-party-made-Iranian-antisemitism-politically-correct-analysis-
607566?fbclid=IwAR2JOziB_ckQgNUg_bfNuphE48EpirBXaVYmtdIt5J24lMVaoaQHMTNaTXg
6 Vgl. https://www.achgut.com/artikel/der_gruene_messias_im_heiligen_land
7 Vgl. https://www.robert-habeck.de/texte/blog/israel-die-andere-seite/
9 Vgl. http://dpg-netz.de/beirat/
10 Vgl. http://dpg-netz.de/wp-content/uploads/NewsHome/Pressemitteilung-23.05.2019-Bundestagsdebatte.pdf
11 Vgl. https://www.achgut.com/artikel/kein_grund/
14 Vgl. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1823
15 Vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19029.pdf#P.2623
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 16.04.2020
Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 3466 mit Schreiben vom 17. April 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister des Innern, der Ministerin für Schule und Bildung und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet.
1. Unterstützt die Landesregierung uneingeschränkt das Existenzrecht Israels als Teil der deutschen Staatsraison?
Ja.
2. Teilt die Landesregierung die in der Einleitung aufgeführte Unterscheidung bzw. Abgrenzung zwischen einer antisemitischen und einer nichtantisemitischen Kritik am Staat Israel?
Die Landesregierung orientiert sich in ihrer Beurteilung an der Arbeitsdefinition von Antisemitismus, die die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) am 26. Mai 2016 in Bukarest beschlossen hat. Diese Arbeitsdefinition ist am 20. September 2017 auch von der Bundesregierung durch Kabinettbeschluss übernommen worden.
3. Mit welchen Maßnahmen und Projekten (Aufklärung, Prävention, Sanktionierung) bekämpft die Landesregierung aktuell bzw. zukünftig linksextremen Antizionismus?
4. Durch welche Publikationen oder Veranstaltungen thematisiert die Landeszentrale für politische Bildung die Problematik des linksextremen Antizionismus?
Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 und 4 gemeinsam beantwortet.
Für die Landesregierung ist Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem, welches sowohl an den politischen Rändern unserer Gesellschaft als auch in deren Mitte vorzufinden ist. Die Landesregierung bekämpft Antisemitismus, gleich welcher Art, daher mit einer Vielzahl von Projekten und Maßnahmen.
Die Landesregierung hat bereits 2018 das Amt der Antisemitismusbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen eingerichtet. Grundlage ihrer Arbeit ist die in der Antwort auf die Frage 2 genannte Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance. Die Antisemitismusbeauftragte ist mit der Überprüfung, Vernetzung und, wo erforderlich, auch der Stärkung aller Maßnahmen des Landes gegen Antisemitismus jeglichen Ursprungs befasst.
Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales unterstützt mit verschiedenen Projekten Austausch und Begegnung von Studierenden aus Nordrhein-Westfalen und Israel. Damit leistet er einen Beitrag zum Abbau von antisemitisch oder antizionistisch motivierten Stereotypen und Vorurteilen. Mit dem am 1. März eröffneten Büro des Landes Nordrhein-Westfalen in Tel Aviv wird die Landesregierung ihr Engagement in Israel ausbauen.
Das Programm „Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes“ (ProPK) informiert auf seiner Internetseite über Straftaten und Phänomene aus dem Bereich der PMK, wie z. B. Hasskriminalität, fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten. Unter dem Link https://www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/extremismus/linksextremismus/ sind umfangreiche Informationen zum Linksextremismus abrufbar.
Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages klärt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die Öffentlichkeit auch über antisemitische Strömungen innerhalb der einzelnen Phänomenbereiche auf. Neben der Ausrichtung von bzw. Beteiligung an Vortragsveranstaltungen, Symposien oder ähnlichen Formaten zum Thema durch den Verfassungsschutz befasst sich z.B. auch der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2018 in einem eigenen Kapitel mit dem Antisemitismus. Der Antisemitismus im Linksextremismus, der in diesem Phänomenbereich vornehmlich als antizionistischer (Israel bezogener) Antisemitismus sichtbar wird, ist darin wiederum Gegenstand eines eigenen Abschnitts.
Als Maßnahme der tertiären Prävention hat der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz im September 2018 das Aussteigerprogramm „left“ ins Leben gerufen, um auch Personen aus dem deutschen und auslandsbezogenen Linksextremismus einen Ausstieg aus der extremistischen Szene zu ermöglichen. Dabei nimmt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz bundesweit eine Vorreiterrolle im Bereich der tertiären Linksextremismusprävention ein. „Left“ richtet sich sowohl an deutsche Linksextremisten (zum Beispiel Angehörige der gewaltbereiten Autonomen Szenen) als auch an Linksextremisten mit Auslandsbezug (beispielsweise PKK oder DHKP C). Die ideologische Aufarbeitung befasst sich u.a. neben politischen und historischen Themen des Extremismus auch mit dem wichtigen Thema Antisemitismus.
Nordrhein-Westfalen tritt allen Formen des Extremismus auch an Schulen mit einer klaren Haltung deutlich entgegen und fördert strukturell und konzeptionell schulische Prävention und Intervention. Dies gilt auch für alle Formen antisemitischer Haltungen, da antisemitische Stereotype, Erzählungen und Verschwörungsmythen in allen gesellschaftlichen Gruppen, Milieus und Schichten vorkommen können. Ihnen sachkompetent zu begegnen, ist eine wichtige Aufgabe, die sich für Lehrkräfte, aber auch für alle Mitglieder der Zivilgesellschaft ergibt. Schule kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie zentrale Kompetenzen vermittelt, um menschenfeindlichen Haltungen entschlossen entgegenzuwirken.
In Nordrhein-Westfalen bestehen in Bezug auf antisemitische Vorfälle an Schulen klare rechtliche Regelungen. Der gemeinsame Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales, des Justizministeriums, des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport sowie des Ministeriums für Schule und Weiterbildung in Überarbeitung vom 19.11.2019 „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ (BASS 18 -03 Nr.1) gibt vor, dass, soweit sich der Verdacht eines Vergehens ergibt, die Schulleitung zu prüfen hat, ob pädagogische/schulpsychologische Unterstützung, erzieherische Einwirkungen beziehungsweise Ordnungsmaßnahmen ausreichen oder ob wegen der Schwere der Tat eine Benachrichtigung der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erforderlich ist. Politisch motivierte Straftaten, unter die antisemitische Äußerungen und Delikte fallen, sind hier explizit genannt.
Darüber hinaus hat das Ministerium für Schule und Bildung auf Grundlage einer Schulmail vom 8. Mai 2018 Schulen dazu aufgefordert, antisemitische Straftaten bei der Polizei anzuzeigen.
Zudem werden Schulen fortan durch die Vereinbarung zur „Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Antisemitismus in nordrhein-westfälischen Schulen“, die das Ministerium für Schule und Bildung im November 2019 mit der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf K.d.ö.R. geschlossen hat, bei der Prävention von bzw. Intervention bei Antisemitismus noch stärker unterstützt.
Außerschulische Bildungsarbeit trägt zum Beispiel in der Jugendarbeit zur Herausbildung demokratischer und positiv auf Vielfalt bezogener Einstellungen bei. Dies schließt auch die Beförderung einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus ein. Das Land stellt für die Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und den erzieherischen Kinder- und Jugendschutz im Jahr 2020 Landesmittel aus dem Kinder und Jugendförderplan in Höhe von 125,3 Mio. € zur Verfügung.
Darüber hinaus fördert das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration die „Servicestelle für Antidiskriminierung, Beratung bei Rassismus und Antisemitismus“ (kurz: SABRA) in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf K.d.ö.R. SABRA ist eine von 13 Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit, die im Rahmen des Förderprogramms der Integrationsagenturen landesweit Beratung und Unterstützung anbieten. Daneben gibt es noch einige weitere Integrationsagenturen, die sich auch dem Thema Antisemitismusprävention widmen und verschiedene Projekte gegen Antisemitismus umsetzen.
Die Landeszentrale für politische Bildung initiiert Bildungsprozesse, um im Vorfeld und in Frühphasen der Entwicklung antidemokratischer Haltungen jungen Menschen aller Nationalitäten und Religionen menschenrechtsorientierte Werte und Normen zu vermitteln und damit respektvolles Handeln als unabdingbare Haltung in unserer demokratischen Gesellschaft zu stärken. Mit ihren Sensibilisierungsmaßnahmen und Angeboten greift die Landeszentrale alle Artikulationsformen des aktuellen Antisemitismus auf. Im Publikationsangebot der Landeszentrale thematisieren die Titel „Globaler Antisemitismus. Eine Spurensuche in den Abgründen der Moderne“ von Samuel Salzborn und – ab April 2020 – „Vorurteile abbauen – Mauern niederreißen. Judentum und Antisemitismus“ von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Düsseldorf e.V. explizit Formen des aktuellen Antisemitismus.
Als eine von vielen Präventionsmaßnahmen unterstützt die Landesregierung überdies die „Jüdischen Kulturtage“, die einen Beitrag zum Abbau der Berührungsängste mit der jüdischen Kultur leisten sollen, wodurch Antisemitismus frühzeitig entgegengetreten wird.
5. In welcher Form wird die Problematik des linksextremen Antizionismus aktuell im Schulunterricht thematisiert?
Die Landesregierung setzt auf das frühzeitige Einüben demokratischer Kompetenzen und eine fundierte Auseinandersetzung mit antidemokratischen Konzepten. Schülerinnen und Schüler sollen lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, die eigene Meinung zu vertreten, aber auch die Meinung anderer zu respektieren. Es gilt zu verhindern, dass junge Menschen in extremistische Positionen abgleiten. Die Auseinandersetzung mit extremistischen Positionen in jedweder Form ist Thema aller Fächer, insbesondere auch der historisch-politischen Bildung. Die Lehrpläne für diese Fächer enthalten die Auseinandersetzung mit Extremismus als obligatorischen Unterrichtsinhalt.
Durch eine fundierte Sach-, Reflexions- und Urteilskompetenz lernen Schülerinnen und Schüler extremistische Tendenzen zu erkennen, sich von ihnen zu distanzieren, und sich couragiert für die Werte unserer demokratischen Gesellschaft und gegen jede Form von Antisemitismus oder andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einzusetzen. Beispielhaft kann auf den aktuellen Kernlehrplanentwurf „Politik für die Realschule“ verwiesen werden. Demnach müssen Schülerinnen und Schüler „Ursachen, Merkmale und Erscheinungsformen von Extremismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit erläutern“ und die „Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch Populismus und Extremismus beurteilen“ können.