Antrag
der Fraktion der AfD
Die Wertschätzung für das Ehrenamt darf nicht zur Floskel werden: Übungsleiterfreibetrag und Ehrenamtspauschale erhöhen!
I. Ausgangslage
Freiwilliges Engagement stellt eine wesentliche Säule unserer Gesellschaft dar. In Deutschland engagieren sich 28,8 Millionen Menschen für das Gemeinwohl, was einem Anteil von 39,7 Prozent der Bevölkerung entspricht.1 Ehrenamtliche tragen maßgeblich zur Aufrechterhaltung des Vereinswesens bei, organisieren Kulturangebote und stellen neben der Daseinsvorsorge auch ein breites Spektrum an sportlichen Freizeitangeboten in den Kommunen sicher. Ein besonders großer Teil der Bundesbevölkerung, nämlich 13,5 Prozent, engagiert sich im Bereich Sport und Bewegung. Gemäß dem letzten Freiwilligensurvey, einer repräsentativen Umfrage, die alle fünf Jahre durchgeführt wird, liegt diese Quote um rund fünf Prozentpunkte höher als in den Engagementfeldern Kultur und Musik, Schule und Kindergarten sowie im sozialen Bereich, in denen jeweils gut acht Prozent der Menschen in Deutschland ehrenamtlich aktiv sind. Diese Quoten spiegeln nicht nur die Interessen der freiwillig Engagierten wider, sondern geben auch Aufschluss darüber, wie groß die Nachfrage an Ehrenamtlichen sowie die Anzahl an Organisationen in den jeweiligen Bereichen ist.2
Dass der Bedarf nach Ehrenamtlichen speziell im Sport kaum noch gedeckt werden kann, zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre. Denn die Nachfrage nach Übungsleitern ist deutlich höher als das Angebot. Die Sport-Jobbörsen in Nordrhein-Westfalen und auch auf Bundesebene verzeichnen eine hohe Anzahl an Gesuchen von Vereinen nach geeigneten Kursleitern. Oftmals ohne Erfolg. Dies hat zur Konsequenz, dass immer mehr Kurse abgesagt werden müssen. Diese Misere ist jedoch weitgehend hausgemacht. Die Bereitschaft, Kurse für Minihonorare zu leiten, die gegebenenfalls sogar noch versteuert werden müssen, ist bei immer weniger Übungsleitern vorhanden. Laut der Deutschen Sporthochschule in Köln zahlt ein Drittel der 90.000 Sportvereine in Deutschland seinen Übungsleitern sogar überhaupt nichts.3 Dies steht in krassem Widerspruch zur öffentlichen Diskussion, in der nicht nur die hohe gesellschaftspolitische Relevanz, sondern auch die notwendige Wertschätzung des freiwilligen Engagements immer wieder betont werden.
Laut den aktuellen Daten des Ehrenamt-Atlas NRW beklagen die Ehrenamtlichen in fast allen Kreisen und kreisfreien Städten mangelnde Wertschätzung von Seiten der Politik.4 Bei einer Umfrage des NDR gaben 76 Prozent der befragten Personen an, dass das Ehrenamt nicht genug Wertschätzung von der Gesellschaft erhalte. Etwa die Hälfte befürchtet zudem, dass Freiwillige ausgenutzt werden könnten, um bezahlte Arbeitskräfte zu ersetzen. Ein Teil der Respondenten vertritt demgemäß die Auffassung, dass echte Anerkennung „dringend auch geldwert sichtbar werden“ müsse, zum Beispiel über Steuererleichterungen. Dies wird u. a. mit den durch die Tätigkeit entstehenden Sach- und Fahrtkosten begründet.5 Wer den unermüdlichen Einsatz der Übungsleiter auch tatsächlich wertschätzen will, kommt also um eine angemessene Aufwandsentschädigung oder Vergütung nicht herum. Einerseits wird dadurch sichergestellt, dass sich die Ehrenamtlichen nicht ausgenutzt fühlen, andererseits gibt man so auch einkommensschwachen Menschen eine Chance, sich zu engagieren. Untersuchungen zu bürgerschaftlichem Engagement in Deutschland legen nahe, dass ein geringeres Haushaltseinkommen mit einer geringeren Bereitschaft zu freiwilligem Engagement korreliert.6
Vergütungen für bestimmte nebenberufliche gemeinnützige Tätigkeiten mit pädagogischer Ausrichtung sind gemäß Einkommenssteuergesetz (EStG) bis zu einer gewissen Höhe steuerfrei. Mit dem Jahressteuergesetz 2020 stieg der Übungsleiterfreibetrag zum 1. Januar 2021 von 2.400 Euro auf 3.000 Euro und die Ehrenamtspauschale von 720 Euro auf 840 Euro, jeweils pro Jahr.7 Bis zu dieser Höhe bleiben pauschale Aufwandsentschädigungen u. a. für Übungsleiter von der Steuer befreit. Ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 28.03.2023 hat jedoch festgestellt, dass der Übungsleiterfreibetrag zu niedrig ist.8 Aufgrund der gestiegenen Inflation hätte der in § 3 Nr. 26 EStG aufgezählte Freibetrag bereits im März 2023 bei 3.207 € liegen müssen, damit die Kaufkraft des Steuerpflichtigen gleich bleibt und es nicht zu einer schleichenden Steuererhöhung (kalte Progression) kommt. Zur Berechnung dieses Wertes wurde der Wertsicherungsrechner des Statistischen Bundesamtes herangezogen. Dieser berechnet bereits seit 1991 Pauschbeträge, Freibeträge und Freigrenzen im Steuerrecht. Jetzt bleibt es dem Gesetzgeber überlassen, ob er auf der Grundlage der Handlungsempfehlung der Wissenschaftlichen Dienste tätig wird. Dies wäre angesichts des akuten Übungsleitermangels sicherlich wünschenswert. Neben dem Sport könnten aber auch andere ehrenamtlich Tätige im gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Bereich von einer Anpassung profitieren.
Eine vorzeitige Erhöhung der steuerlichen Freibeträge für Übungsleiter und Ehrenamtliche wurde bereits im September 2023 von Bayerns Innen- und Sportminister Joachim Herrmann ins Spiel gebracht. Dieser rief die Bundesregierung dazu auf, den Übungsleiterfreibetrag von derzeit jährlich 3.000 Euro auf rund 3.500 Euro sowie die Ehrenamtspauschale von derzeit 840 Euro auf rund 1.000 Euro pro Jahr anzuheben.9 Dass die bisherigen Erhöhungen der Übungsleiterpauschale in sehr unregelmäßigen und aus Sicht der Betroffenen langen Abständen erfolgten, nämlich 2007, 2013 und zuletzt 2021, bleibt jedoch ein Problem.10 Unregelmäßige Korrekturen eignen sich jedoch grundsätzlich nicht, um die kalte Progression abzubauen. Da inflationsbedingte Mehrbelastungen bei steigendem Preisniveau jedes Jahr entstehen, wären vielmehr jährliche Gegenmaßnahmen geboten. Um weitere Anreize für ehrenamtliches Engagement zu schaffen, stellt die jährliche Anpassung der Freibeträge an die Preisentwicklung ein probates Mittel dar. Dabei werden die Abzugsbeträge automatisch an einen Indexwert, zum Beispiel den Verbraucherpreisindex oder die Nominallohnentwicklung, angepasst. Ein Großteil der OECD-Staaten – die USA, Kanada, Großbritannien usw. – verfügt bereits über einen Mechanismus zur automatischen Anpassung u. a. von Absetzbeträgen. Die Schweiz hat die automatisierte jährliche Anpassung sogar verfassungsrechtlich auf Bundesebene verankert.11
II. Der Landtag stellt fest:
- Freiwilliges Engagement ist und bleibt eine wesentliche Säule der deutschen Gesellschaft; mit 28,8 Millionen Menschen engagieren sich fast 40 Prozent der Bevölkerung für das Gemeinwohl, insbesondere im Bereich Sport und Bewegung.
- Trotz der hohen gesellschaftlichen Bedeutung besteht ein besorgniserregender Mangel an Übungsleitern, was bei vielen Sportvereinen zur Einschränkung des Kursangebots führt. Grund dafür ist die geringe oder fehlende Honorierung der Übungsleiter, die oft nicht der öffentlichen Wertschätzung entspricht.
- Ehrenamtlich Tätige fühlen sich von Politik und Gesellschaft oft nicht ausreichend wertgeschätzt, denn sie befürchten ausgenutzt zu werden und fordern deshalb finanzielle Anerkennung durch Steuererleichterungen und angemessene Aufwandsentschädigungen.
- Der Übungsleiterfreibetrag und die Ehrenamtspauschale wurden zuletzt 2021 erhöht, sind aber aufgrund der Inflation nicht ausreichend. Eine Erhöhung der steuerlichen Freibeträge ist bereits durch das bayerische Innenministerium ins Spiel gebracht worden.
- Eine regelmäßige Anpassung der Freibeträge an die Preisentwicklung, wie in vielen OECD-Staaten bereits praktiziert, bietet die Möglichkeit, die Kaufkraft der Ehrenamtlichen zu erhalten und somit Anreize für ehrenamtliches Engagement zu schaffen.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
- sich gemeinsam mit dem bayerischen Innenminister und der Sportministerkonferenz für eine vorzeitige Erhöhung der Übungsleiterfreibeträge sowie der Ehrenamtspauschale einzusetzen;
- mittels einer Bundesratsinitiative eine Indexierung der steuerlichen Freibeträge für Übungsleiter und Ehrenamtliche im Einkommenssteuergesetz anzustoßen;
- weitere Anreize für ehrenamtlich Tätige im gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Bereich zu schaffen.
Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz
und Fraktion
1 https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/buergerschaftliches-engagement/bedeutung-engage-ment/engagement-node.html;jsessionid=4962B904EA661EB4878C8B39C0258665.live891 (aufgerufen am 18.06.2024).
2 Freiwilliges Engagement in Deutschland. Zentrale Ergebnisse des Fünften Deutschen Freiwilligensurveys (FWS 2019), S. 21-25, siehe: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/176836/7dffa0b4816c6c652fec8b9eff5450b6/frewilli-ges-engagement-in-deutschland-fuenfter-freiwilligensurvey-data.pdf (aufgerufen am 18.06.2024).
3 MDR, 30.10.2022: „Hilferuf aus den Turnhallen. Dramatischer Personalmangel in den Sportvereinen“, siehe: https://www.deutschlandfunk.de/uebungsleiter-mangel-deutsche-vereine-100.html (aufgerufen am 18.06.2024).
4 https://www.ehrenamtatlas.de/index.html (aufgerufen am 18.06.2024).
5 MDR, 20.03.2024: „Umfrage zum Ehrenamt. Mehrheit wünscht sich mehr Anerkennung“, siehe: https://www.ndr.de/ndrfragt/Umfrage-zum-Ehrenamt-Mehrheit-wuenscht-sich-mehr-Anerkennung,ehren-amt780.html (aufgerufen am 18.06.2024).
6 Vgl. Braun, Joachim; Klages, Helmut (Hgg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland Ergebnisse der Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement, 2. Aufl., Stuttgart, Berlin, Köln, Kohlhammer 2001, S. 59.
7 BGBl. I Nr. 65 vom 28.12.2020.
8 Az.: WD 4 – 3000 3 012/23, siehe: https://www.bundestag.de/re-source/blob/945976/9eb8465173933bb0ad31f8fc3f8f499c/WD-4-012-23-pdf-data.pdf (aufgerufen am 18.06.2024).
9 Siehe: https://www.bayern.de/herrmann-fordert-erhoehung-der-steuerlichen-freibetraege-fuer-uebungsleiter-und-ehrenamtliche/ (aufgerufen am 18.06.2024).
10 Vgl. https://www.lohnsteuer-kompakt.de/steuerwissen/uebungsleiterpauschale-und-ehrenamtspauschale-wer-den-erhoeht/ (aufgerufen am 18.06.2024).
11 Vgl. https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2014/heft/12/beitrag/indexierung-der-einkommensbesteuerung-im-internationalen-vergleich.html (aufgerufen am 19.06.2024).