Antragder AfD-Fraktion vom 02.10.2018
Digitalisierung im Bildungsprozess konstruktiv und bildungsfördernd gestalten – gegen den Missbrauch der schulischen Digitalisierung als „trojanisches Pferd“ für die Durchsetzung wirtschaftlicher und ideologischer Interessen
I. Ausgangslage
Zur diesjährigen Auftaktkonferenz „Digitaloffensive Schule NRW“ hat Ministerin Yvonne Gebauer für die aktive Gestaltung des digitalen Wandels an unseren Schulen geworben und auf neue Möglichkeiten und Chancen des digitalen Lernens hingewiesen. Dabei hat die Ministerin offiziell den Diskurs für eine Digitalstrategie in ihrer Amtszeit eröffnet. Die Digitalstrategie der Landesregierung wird zum Schuljahr 2018/2019 vorgestellt werden.1 Die drei wesentlichen Zielgrößen der Landesregierung in der Digitalisierungsstrategie sind die Vermittlung von Medienkompetenz, Qualifizierung der Lehrkräfte und die Ausstattung von Schulen. Jede nordrhein-westfälische Schule ist gemäß des Medienkompetenzrahmens NRW verpflichtet, bis 2021 ihr schuleigenes Medienkonzept weiterzuentwickeln. Das Ziel ist die curriculare Verankerung der Anwendung digitaler Medien in allen Jahrgangsstufen.2 Damit erhielte das Lernen mit digitalen Medien eine rechtliche Grundlage. In diesem Zusammenhang erprobt das Schulministerium derzeit zwei Prototypen digitaler Schulbücher, wobei das „BioBook NRW“ für den Biologieunterricht und das „mBook NRW“ für den Geschichtsunterricht eingesetzt werden.
Für die Qualifizierung von Lehrkräften wird ein neuer verbindlicher „Medienkompetenzrahmen Lehrkräfte“ entwickelt, der auch die Einführung eines Medienkoordinators an jeder nordrhein-westfälischen Schule schrittweise ab 2019 vorsieht.3 Leitbild des „digitalen Lernens“ umfasst in seinem Orientierungsrahmen auch explizit die frühkindliche Bildung,4 die Bildung an allgemeinen und berufsbildenden Schulen, das Hochschulstudium und die Fachkräfteausbildung.
Die FDP-Landtagfraktion will nun Kernforderungen ihres am 19. Januar 2016 eingereichten Antrags „Digitale Bildung und Medienkompetenz in den Schulen stärken – durch bundesweite Bildungsstandards, ein Bund-Länder-Sonderprogramm zur Ausstattung der Schulen und eine Qualifizierungsoffensive der Lehrerschaft“ (Drs. 16/10796) knapp zweieinhalb Jahre später in Regierungspolitik umsetzen. Der Antrag war seinerzeit im Jahr 2016 mit den Stimmen der SPD und GRÜNEN gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung von CDU und PIRATEN abgelehnt worden.5
Der anfangs erläuterten Strategie der Landesregierung sowie dem dieser Strategie vorausgehendem Antrag der FDP aus dem Jahr 2016 sind allerdings keine didaktischen oder pädagogischen Konzepte und vor allem keine Reflexionen über die finanziellen und lernpsychologischen Auswirkungen des sogenannten „digitalen Lernens“ zu entnehmen. Ein Sachverständiger z.B. zeigte sich in seiner Stellungnahme zum FDP-Antrag darüber verwundert, dass dieser „Wirtschaftsförderungsantrag“6 im Ausschuss für Schule und Bildung behandelt wurde. Bei der Digitalisierung handelt es sich um einen gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess, dessen Schwerpunkt im Bildungsbereich liegt. Wenn der politische Diskurs über die Digitalisierung den Bereich der (früh-)kindlichen oder allgemeinen Bildung berührt, so bleiben oftmals Gefahren für den pädagogischen, didaktischen und psychoanalytischen Aspekt unberücksichtigt und damit unausgesprochen.
Claus Pias, Professor für Mediengeschichte und Medientheorie, geht den Ursprüngen der Automatisierung der Lehre nach. In seiner Veröffentlichung der Protokolle und Dokumente der Macy-Konferenzen (1946-1953) von 2003/04 behandelt er die ersten Ansätze in diesem Bereich. Die Idee der Automatisierung von Lehre und Lernen ist somit viel älter als das Internet selbst. So beschreibt Pias in einem im Jahr 2013 veröffentlichten Artikel in der FAZ die Geschichte über den Einsatz digitaler Medien.7 Der erstmalige Einsatz von Filmen im Unterricht habe im amerikanischen Rochester im Jahre 1910 stattgefunden, so Pias. Der amerikanische Unternehmer Thomas Edison habe damals verkündet, dass Bücher bald dem Einsatz von Bewegbildern weichen müssen. Diese Medieneuphorie beeinflusste den Psychologen Sidney L. Pressey, welcher mit der Konstruktion seiner sogenannten „teaching machine“ Lernenden ein Multiple-Choice-Verfahren zur Anwendung von Wissen erschloss. An Pressey orientierte sich der radikale Behaviorist Frederic Skinner nach 1950, welcher sich verstärkt der Konditionierung komplexerer psychisch-intellektueller Prozesse wie dem schöpferischem Denken widmete. In Deutschland selbst fühlte sich der deutsche Kybernetiker Helmar Franks zur Implementierung automatisierten Lernens in den Schulalltag berufen. Insbesondere in seinem Werk „Kybernetische Grundlage der Pädagogik“ (1962) spielt die Ersetzung von Lehrkräften aus Rentabilitätsgründen in finanzieller und ideologischer Sichtweise in seiner Argumentation eine bedeutende Rolle.8 So zieht Pias die Schlussfolgerung aus der damaligen Automatisierungsdiskussion im Bereich von Lehren und Lernen und stellt Chancen und Risiken abwägend gegenüber: „Gleichmacherei, Ökonomisierung und Bildungsverlust gegen Individualisierung, Mehrwerte und Bildungschancen.“9 Die Möglichkeiten, mit Hilfe digitaler Medien den Automatisierungsgrad von Lernprozessen weiter zu treiben, als man sich das jemals hat vorstellen können, machen eine vertiefte Diskussion über die Chancen und Risiken solcher Lernanordnungen dringender nötig als zuvor.
Die Zuversicht über den Erfolg des Einsatzes digitaler Medien auf die Leistung und Motivation der Schüler hält den Ergebnissen der wissenschaftlichen, pädagogischen, lernpsychologischen und sozialwissenschaftlichen Forschung nämlich nicht stand. Doch die Synonyme „digitale Bildung“ und „digitaler Unterricht“ unterliegen einer redundanten Sprachlogik. In der Anhörung zum Antrag der Fraktion der FDP (16/10796) ist deutlich geworden, dass die sogenannte „digitale Bildung“ nicht existiert, da Lernen und Lehren grundsätzlich auf analogem Wege geschieht und Bildung somit das Ergebnis analoger Prozesse im kognitiv-emotionalen Bereich ist. So zeigt die Hattie-Studie beispielsweise, dass der Einsatz digitaler Medien im Unterricht keinen nennenswerten Mehrwert bringt. Gemäß der Hattie-Studie sind die Effekte auf den Lernerfolg entsprechend der Lehrperson: „Any influences in this zone are similar to what teachers can accomplish in a typical year of schooling.”10 Zur Steigerung der Effektivität benennt Hattie eine Reihe von Maßnahmepaketen, wovon eines die Durchführung von Lehrerfortbildungen ist. Die umfangreiche auf mehreren Einzelstudien beruhende Hattie-Studie zeigt, dass die Qualität des Unterrichts insbesondere von der Fachkompetenz, dem Vermittlungsvermögen und der Lehrpersönlichkeit abhänge. Erstaunlicherweise äußern selbst Verfechter der digitalen Revolution unserer Schulen Bedenken, die Lehrkraft bei Nutzung digitaler Medien zu marginalisieren. So konstatiert Wilfried Bos, der Leiter der Telekom-Studie „Schule digital. Der Länderindikator 2015“: „Die verstärkte Nutzung digitaler Medien führt offensichtlich nicht per se zu besseren Schülerleistungen. Vielmehr kommt es auf die Lehrperson an.“11
Im Forschungsbericht des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen E.V. zur „Prävention problematischer und suchtartiger Bildschirmmediennutzung“ (2014) ist eine deutschlandweite Befragung von Praxiseinrichtungen und Experten erfolgt.12 Zudem weist der Forschungsbericht nach, dass die Expertenempfehlung zur maximalen Nutzungsdauer von Bildschirmmedien je nach Altersgruppe erheblich überschritten wird, so beispielsweise in der Gruppe der 7 bis 12-jährigen, denen Experten höchstens eine tägliche Nutzungsdauer von 64 Minuten empfehlen, die jedoch einen realen durchschnittlichen Nutzungswert von 154 Minuten aufweisen.13 Der Forschungsbericht zeigt darüber hinaus, dass sich je nach disziplinärer Verortung der Experten erhebliche Abweichungen bei der Empfehlung des Einstiegsalters der Mediennutzung ergeben. So plädieren Experten der zugeordneten Expertengruppe „Perspektive Medien“ für ein früheres Einstiegsalter, sodass diese Expertenmeinung von der Expertengruppe „Perspektive kindliche Entwicklung“ um etwa dreieinhalb Jahre auseinander liegt.14 Der Hochschulprofessor und Psychiater Manfred Spitzer fasst in seiner Stellungnahme für die Anhörung durch die Enquetekommission „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“ zum Thema „Digitalisierung“ die Ergebnisse großer empirischer Studien zu den Auswirkungen digitaler Informationstechnik auf das Lernen von Schülern zusammen.15 Keine einzige Studie hat einen signifikanten Lernerfolg nachweisen können. Lediglich eine randomisierte kontrollierte Studie konnte bei geringem Effekt bessere Leistungen durch den Computereinsatz nachweisen, jedoch handelte es sich bei dem Forschungsgegenstand um 25-jährige Studenten.16 In Deutschland konnte bei Schülern der 6. Klasse eine Verbesserung bei begabten Schülern im Bereich Mathematik nachgewiesen werden, wohingegen sich bei schwachen Schülern kein Effekt zeigte.17 Darüber hinaus offenbaren auch Studien wie das „Hamburger Netbook Projekt“ (2010), dass nicht einmal eine Verbesserung im Umgang mit Computer und Internet nachgewiesen werden kann.18 Die ersten Ergebnisse der „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS) haben im November 2014 Aufschluss darüber gegeben, dass Jugendliche auskömmlich mit digitalen Geräten ausgestattet sind, aber über keine ausreichenden Kenntnisse über den Umgang mit diesen verfügen.19
Dem Irrglauben, „digitale Bildung“ sei der Heilsbringer vor allem für bildungsbenachteiligte Jugendliche oder Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, wie die Fraktion der FDP ihn in ihrem Antrag (16/10796)20 formuliert hat, widersprach nicht zuletzt auch die Bertelsmann-Stiftung, indem sie bildungssoziologische Kategorien nicht als direkt erklärende Variablen einstufte.21 Schließlich wird die Analogizität menschlichen Lernens ausgeblendet. Verfügt ein Schüler über unzureichende Fähigkeiten im Bereich der Eigenständigkeit und im selbstverantwortlichen Lernen, so wird diese auch entsprechend im Umgang mit digitalen Medien an denselben Ausgangskriterien scheitern. Mehr noch sind im regulären Unterrichten das kulturelle Kapital und die Unterstützungsressourcen des Elternhauses entscheidend. Doch darüber hinaus wurde in zwei Studien sogar die Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich wissenschaftlich nachgewiesen.22
Ein wichtiges Thema der sogenannten „digitalen Bildung“ ist die Form der Integration digitaler Medien in den Unterricht. Befürworter plädieren dafür, digitale Medien zu bestimmenden Faktoren von Unterricht zu machen, quasi die Lehrkraft weitgehend zu ersetzen. Skeptiker wiederum setzen nach wie vor auf herkömmliche Unterrichtsformen, bei denen digitale Medien wie andere Medien auch instrumentelle Bedeutung haben und Informationsprozesse schneller und anschaulicher vermitteln können. So kann etwa durch Visualisierung und Illustration komplexer Sachverhalte die Analyse eines Sachverhalts erleichtert und vertieft werden. Die Analyse selbst muss aber nach wie vor das Ergebnis eines gemeinsamen Denkprozesses der Lerngruppe einschließlich der Lehrkraft sein. Eine rein mediale Aufarbeitung von Informationen ist abzulehnen, da diese letztlich „zu 100 % Frontalunterricht und Instruktion per Algorithmus“23 bedeutet. Der Humanwissenschaftler Dr. Burchardt bietet einige Alternativen zur curricularen Verankerung von „Digitalität“ an. So nennt er zur fächerübergreifenden curricularen Verankerung des Themas u.a. folgende Beispiele: Kybernetisches Modell, sozialkybernetische Steuerung, Kryptographie, Technikfolgenabschätzung, Valorisierung von Information, Digitalisierung und soziale Ungerechtigkeit.24
Die Digitaleuphorie im Bildungswesen aber hat bereits schon einen Dämpfer erhalten und zwar in den Ländern, welche ihre ersten Erfahrungen damit gemacht haben. De facto befindet sich Deutschland in puncto Digitalisierung im Bildungsbereich auf der Überholspur, während die Straße kaum befahren ist. Denn andere Länder haben bereits aufgrund des ausgebliebenen Erfolgs umgedreht und in der Digitalstrategie gewaltig umgelenkt. Aus dem Jahr 2007 wurde der Laptop-Bann an US-Schulen bekannt.25 Der Direktor einer der teuersten australischen Privatschulen, der Sydney Grammar School nennt im Jahr 2016 Computer an Schulen „a scandalous waste of money.“26 Prof. Dr. Gerald Lembke von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg für Digitale Medien begründet aus seiner Sicht: „In Australien wurden die Schulen schon 2012 flächendeckend mit Computern und Tablets versorgt. Die sind seit 2016 alle wieder rausgeholt worden, weil man festgestellt hat, dass das Nutzungsverhalten ausschließlich ein spielerisches und unterhaltungsorientiertes ist, und dass der Einsatz der Computertechnologien in den Schulen zu mehr Problemen geführt hat, als es Nutzen gebracht hat. Und Deutschland ist gerade im Jahr 2012 von Australien. Wir wollen das jetzt gerade hier in Deutschland flächendeckend haben, das heißt jedenfalls die Politik und die Lobby möchte das, obwohl wir im Ausland schon wissen, dass das schädlich ist.“27
Auch das französische Parlament hat ein Komplettverbot für internetfähige Geräte bei schulischen Aktivitäten selbst außerhalb des Schulgebäudes beschlossen.28 In NRW hingegen bestätigt die Ministerin im März 2018, dass sie für eine Übergangsphase der Realisierung der Digitalisierung an den nordrhein-westfälischen Schulen die Verwendung eigener technischer Geräte im Unterricht für sinnvoll erachtet. Die CDU-Fraktion hingegen offenbart in ihrem Positionspapier mehr Mut: „Zumeist sind Schüler mit aktueller Hardware ausgestattet und kennen sich mit ihren eigenen Geräten am besten aus“.29 Das Schulministerium informiert man derweil mit einem 9-Punkte-Fahrplan zur Einführung von BYOD (Bring your own Device) in der Schule:
- Überprüfen Sie die Qualität der schulischen Netzanbindung.
- Passen Sie ein ggf. bestehendes Handyverbot an.
- Planen Sie das Vorgehen gemeinsam mit ihrem Schulträger und dem zuständigen IT-Dienstleister.
- Stellen Sie sicher, dass neben der ausreichenden Bandbreite auch die Aspekte Datenschutz und Urheberrecht thematisiert und geregelt werden.
- Informieren Sie rechtzeitig die Schülerinnen und Schüler und beziehen Sie die Elternschaft ein: Thema und Beschluss der Schulkonferenz.
- Treffen Sie in den Fachgruppen Verabredungen.
- Organisieren Sie Fortbildungen für das Kollegium.
- Stellen Sie klare Nutzungsregeln auf.
- Verankern Sie das BYOD-Konzept im schulischen Medienkonzept.30
Während also andere Länder digital abrüsten, verbreitet sich zurzeit in Deutschland eine unreflektierte Digitalisierungseuphorie im Bildungsbereich, die so weit geht, dass das bisherig föderal organisierte Bildungswesen umbruchartigen Bestrebungen ausgesetzt ist. So ist der Antrag der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen an den Bundesrat als Initiative zur Aufhebung des Kooperationsverbots zu verstehen.31 Der Bildungsexperte Josef Kraus merkt dazu an, dass gerade die Schülerschaft dieser Bundesländer in den bundesweiten Bildungstests besonders schlecht abgeschnitten hat.32 Auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), die auch die unionsgeführten Länder koordiniert, zeigte wenig Verständnis für den Vorstoß einer Grundgesetzänderung, denn „auch wenn ihr Land noch keine abschließende Haltung zur geplanten Grundgesetzänderung gefunden habe, sei gut möglich, dass die grün-schwarze Landesregierung in Stuttgart, die für einen „gelebten Föderalismus“ kämpfe, den Vorschlag im Bundesrat ablehne oder eine eigene Initiative zur Grundgesetzänderung einbringe.“33 Bildung fungiert eben nicht als Polytrop und ist daher in der Landeshoheit der jeweiligen Bundesländer mit verschiedenen Bildungsstandards sehr gut aufgehoben. Die Bildungshoheit der Länder gewährleistet, demokratische Prozesse, kulturelle Vielfalt und einen leistungsförderlichen Wettbewerb.
II. Der Landtag stellt fest:
1. Für Deutschland als Hochtechnologieland ist erstklassige Bildung die wichtigste Voraussetzung für den wirtschaftlichen Wohlstand des Landes und den internationalen wirtschaftlichen Erfolg.
2. Die neoliberalen Transformationsvorstellungen von Gesellschaft steigern das Interesse an der ökonomischen Verwertbarkeit von Bildung (Bildungsökonomie) erheblich. Die Bildung gerät somit in Gefahr, zu Humankapital degradiert zu werden.
3. „Bildung ist immer notwendig an Personen und an ein lebendiges Bewusstsein gebunden. Bildung ist zwingend Eigenschaft einer Person, kein technisches Speicherformat und nicht medialisierbar.“34 Damit ist der Bildungserwerb immer an bewusst miteinander kommunizierenden Personen gebunden.
4. Die Idee vom automatisierten Lernen ist bereits über einhundert Jahre alt und erreichte nie einen Durchbruch im Bildungsprozess. Die in den siebziger Jahren eingerichteten Sprachlabore sind heute an keiner Schule mehr zu finden.
5. Die utopischen Standardisierungsmaßnahmen namhafter Kypernetiker in Sozialeinrichtungen sind gescheitert, weil der Mensch nur durch interpersonale Kommunikation im sozialen Leben zu Lernen fähig ist.
6. Digitale Techniken haben einen erheblichen Einfluss auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, weswegen auch Bildungseinrichtungen den Einsatz und Umgang mit diesen (politisch) diskutieren müssen.
7. „Es gibt keine digitale Bildung.“35
8. Um den großen Herausforderungen der digitalen Transformation zu begegnen, muss in die personelle und konzeptionelle Ausstattung unserer Schulen investiert werden und nicht nur in die technische Infrastruktur.
9. „Digitalisierung muss als Thema der Bildung stärker gewichtet werden, eine Digitalisierung von Schule, Lernen und Bildung ist dazu nicht erforderlich, ja sogar kontraproduktiv.“36
10. Der Bildungsföderalismus stellt in der heutigen Zeit nach wie vor ein hohes demokratisches und partizipatives Gut wie eine machtpolitische Utilität dar und wirkt somit als ein Schutzschild vor den sich perpetuierenden Interessen von Großkonzernen.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1. Die Digitalstrategie für nordrhein-westfälische Schulen muss unter Berücksichtigung der aktuellen didaktischen und pädagogischen Konzepte und Risiken ausgestaltet werden.
2. Die Lehrkräfte nach ihrem didaktischen Ermessen, der Entwicklungsstufe ihrer Schüler, dem Lehrinhalt und ihrer Lehrpersönlichkeit entsprechend den Einsatzrahmen von digitalen Medien bestimmen zu lassen.
3. In der Lehrerausbildung müssen sowohl analoge als auch digitale Medien thematisiert werden. Fortbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte müssen in dezidierter Weise auf die Vorbereitung der Schüler auf eine technisch determinierte Welt auszurichten sein und Fähigkeiten zum Verstehen dieser Systeme vermitteln.
4. Der Bildungsföderalismus muss vor Lobbyinteressen von Konzernen geschützt werden.
5. Digitalität muss als Gegenstand von Bildung in interdisziplinären Perspektiven verankert werden. Dabei muss stets ein verantwortlicher emanzipatorischer Umgang und die Fähigkeit zum Verstehen der digitalen Transformation vermittelt werden.
6. Die pädagogische Freiheit von Lehrerinnen und Lehrern darf nicht limitiert werden.
Helmut Seifen
Andreas Keith
und Fraktion
1 https://rp-online.de/wirtschaft/digitaloffensive-fuer-schulen-in-nrw_aid-22414149 (abgerufen am 29.08.2018).
2 Ministerin Gebauer: „Unser Ziel ist, das Lernen mit digitalen Medien in allen Fächern und Schulstufen zu verankern“ (s. dazu: https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulentwicklung/NRW-4_0/Leitbild-Lernen-im-Digitalen-Wandel.pdf).
3 Ministerin Gebauer: „Wir wollen, dass das Lernen mit digitalen Medien an jeder Schule vertieft qualifiziert begleitet wird und das Kollegium einen Ansprechpartner für den pädagogischen Support bekommt“ (s. dazu: https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulentwicklung/NRW-4_0/Leitbild-Lernen-im-Digitalen-Wandel.pdf).
4 https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulentwicklung/NRW-4 0/Leitbild-Lernen-im-Digitalen-Wandel.pdf.
5 http://landtag/portal/WWW/Webmaster/GB II/II.2/Suche/Landtagsdokumentation ALWP/Suchergebni sse Ladok.jsp?view=berver&mn=165196ab501&wp=16&w=native%28%27id%3D%27%271609027% 2F0100%27%27+%27%29.
6 Prof. Ralf Lankau, Stellungnahme (16/3764) zum Antrag (16/10796) der Fraktion der FDP „Digitale Bildung und Medienkompetenz in den Schulen stärken“, S. 6.
7 http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/automatisierung-der-lehre-eine-kurze-geschichte-der-unterrichtsmaschinen-12692010.html (abgerufen am 12.08.2018).
8 Professoren beispielsweise würden die Aufnahmekapazitäten von Studenten überspannen und diese mit redundantem Wissen überfordern.
9 Claus Pias, Automatisierung der Lehre: Eine kurze Geschichte der Unterrichtsmaschinen, FAZ vom 10.12.2013: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/automatisierung-der-lehre-eine-kurze-geschichte-der-unterrichtsmaschinen-12692010.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0 10Hattie, John. Visible learning. A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London, New York: Routledge 2009, S. 20.
11 http://schulforum-berlin.de/schule-digital-auf-die-lehrperson-kommt-es-an/ (abgerufen am 15.09.2018).
12 Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen E.V., Prävention problematischer und suchatartiger Bildschirmmediennutzung (Forschungsbericht Nr. 125), 2014: https://kfn.de/wp-content/uploads/Forschungsberichte/FB_125.pdf.
13 Vgl. Feierabend, S., Karg, U. & Rathgeb, T. (2012). JIM-Studie 2012. Jugend, Information, (Multi) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. (Forschungsbericht). Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest.
14 Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen E.V., Prävention problematischer und suchatartiger Bildschirmmediennutzung (Forschungsbericht Nr. 125),2014: https://kfn.de/wp-content/uploads/Forschungsberichte/FB_125.pdf, S. 7.
15 Prof. Manfred Spitzer, Stellungnahme „Risiken und Nebenwirkungen digitaler Informationstechnik“, Hessischer Landtag, 14,10.2016, S. 3.
16 Vgl. Fairlie R.; London R. (2012): “The Effects of Home Computers on Educational Outcomes: Evidence from a Field Experiment with Community College Students. Economic Journal 122: 727-753.
17 Vgl. Scharnagl S. et al. (2014): „Sixth Graders Benefit from Educational Software when Learning about Fractions: A controlled Classroom study.”
18 Vgl. Gottwald A.; Valendor M. (2010): Hamburger Netbook-Projekt. Behörde für Schule Berufsbildung, Hamburg.
19 Vgl. https://www.medienkompetenzportal-nrw.de/medienpaedagogischer-atlas-nrw/mpa-tipps/icils-2018-studie-zur-medienkompetenz-von-schuelerinnen-und-schuelern.html (abgerufen am 15.08.2018).
20 „Die Studie konstatiert Bildungsbenachteiligungen etwas für Jugendliche aus sozial schwierigen Lagen und für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund“, S. 1.
21Vgl. dazu: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_IB_Wirksamkeit_digitale_Medien_im_Unterricht_2014.pdf , S. 20.
22 Vgl. Vigdor et al. (2014): „Scaling the digital divide: Home computer technology and student achievement” & Belo et al. (2010): “The Effects of Broadband in Schools: Evidence from Portugal.
23 Prof. Ralf Lankau, Stellungnahme (16/3764) zum Antrag (16/10796) der Fraktion der FDP „Digitale Bildung und Medienkompetenz in den Schulen stärken“, S. 3.
24 Dr. Matthias Burchardt, Stellungnahme (16/3737) zum Antrag (16/10796) der Fraktion der FDP „Digitale Bildung und Medienkompetenz in den Schulen stärken“, S. 7.
25 http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/laptop-bann-an-us-schulen-web-0-0-im-klassenzimmer-a-483245.html (abgerufen am 10.08.2018).
26 https://www.theaustralian.com.au/national-affairs/education/computers-in-class-a-scandalous-waste-sydney-grammar-head/news-story/b6de07e63157c98db9974cedd6daa503 (abgerufen am 15.08.2018).
27 https://www.deutschlandfunk.de/schreibunterricht-an-schulen-handschrift-vom-aussterben.1148.de.htm l?dram:article_id=400805 (abgerufen am 29.08.2018).
28 http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/frankreich-parlament-beschliesst-handy-verbot-an-schulen-a-1220899.html (abgerufen am 15.08.2018).
29 https://www.welt.de/regionales/nrw/article174773125/Schueler-sollen-eigene-Smartphones-im-Unterricht-nutzen.html (abgerufen am 22.08.2019).
30 http://www.medienberatung.schulministerium.nrw.de/Medienberatung/Lern-IT/Ausstattung/Bring-Your-Own-Device/ (abgerufen am 22.08.2018).
31 Antrag an den Bundesrat „Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufheben“, Drs.621/17.
32 https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/bildungsexperte-josef-kraus-im-phoenix-tagesgespraech-bildungspolitik-m uss-aufgabe-der-laender-bleiben-5657166 (abgerufen am 30.08.2019).
33 http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/hoch-schule/digitalpakt-ringen-um-die-kultushoheit-15644830.html (abgerufen am 30.08.2018).
34 Prof. Ralf Lankau, Stellungnahme (16/3764) zum Antrag (16/10796) der Fraktion der FDP „Digitale Bildung und Medienkompetenz in den Schulen stärken“, S. 2.
35 Prof. Ralf Lankau, Stellungnahme (16/3764) zum Antrag (16/10796) der Fraktion der FDP „Digitale Bildung und Medienkompetenz in den Schulen stärken“, S. 2.
36 Dr. Matthias Burchardt, Stellungnahme (16/3737) zum Antrag (16/10796) der Fraktion der FDP „Digitale Bildung und Medienkompetenz in den Schulen stärken“, S. 3.