Dortmund: „Mr. Cash Money“ – Wie hoch ist der finanzielle Schaden?

Kleine Anfrage
vom 19.04.2024

Kleine Anfrage 3729

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Dortmund: „Mr. Cash Money“ – Wie hoch ist der finanzielle Schaden?

Die Straßen marode, Schulen und andere Bildungseinrichtungen veraltet. Für die so dringend benötigten Reparaturen und Modernisierungen fehlt überall das Geld. Trotz steuerlicher Rekordeinnahmen scheint die Bundesrepublik finanziell nicht in der Lage zu sein, ihren Pflichten ausreichend nachzukommen. Umso erstaunlicher erscheint in diesem Zusammenhang der Fall des 44-jährigen A., der als „Mr. Cash Money“ wohl für einen der größten Betrugsfäll in der Dortmunder Stadtgeschichte sorgte. Er ließ sich nämlich die Vaterschaft für 24 Kinder anerkennen und erhielt dafür 1,5 Millionen Euro im Jahr.1

Seine Masche bestand darin, dass er die deutsche Gesetzeslage geschickt ausnutzte. Denn hat ein Elternteil die deutsche Staatsbürgerschaft, haben auch seine Kinder – egal ob leiblich oder nicht – und der jeweilige andere Elternteil sowie die Geschwister des anerkannten Kindes ein Bleiberecht in Deutschland und damit auch Anspruch auf Sozialleistungen. Obwohl A. selbst eine Wohnung in Dortmund hat, verbrachte er zuletzt viel Zeit in Nigeria. Erst im Rahmen der Bekämpfung der Clankriminalität kam ihm die „Sicherheitskonferenz (Siko) Ruhr“ auf die Spur. Diese entdeckte ein Geflecht aus Anerkennungen von Kindern und dem Bezug von Millionen Euro an Sozialleistungen.2 Seitdem läuft die Aufarbeitung bei der Stadt Dortmund, und es wird geklärt, ob es weitere Männer gibt, die in betrügerischer Absicht Vaterschaften haben anerkennen lassen.3

Wie die Ruhr Nachrichten berichteten, wurden im Jahr 2023 insgesamt 3.208 Vaterschaften anerkannt, seit Einführung des aktuellen Paragraphen im Jahr 2017 rund 20.000 Mal. Im vorliegenden Fall lag das Problem offenbar bei der Zuständigkeit, die sich bisher nach dem Wohnort der Mutter gerichtet habe. So hätten fünf verschiedene Mitarbeiter jeweils eine Vaterschaft anerkannt, wodurch der Betrug nicht aufgefallen sei.4

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wie viele Vaterschaften wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2010 bis heute pro Jahr beantragt?
  3. Wie viele dieser Vaterschaften wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2010 bis heute pro Jahr anerkannt?
  4. Bei wie vielen der in Fragen 2 abgefragten Vaterschaften wurden mehr als 10 Kinder urkundlich anerkannt?
  5. Bei wie vielen der in Fragen 2 abgefragten Vaterschaften wurde eine betrügerische Absicht nachgewiesen?

Markus Wagner

 

MMD18-8996

 

1 Vgl. https://www.bild.de/regional/dortmund/ruhrgebiet-aktuell/dortmund-mr-cash-money-betruegt-mit-24-kindern-stadt-dreht-geldhahn-zu-87518504.bild.html.

2 Ebenda.

3 Vgl. https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/falsche-vaterschaften-von-mr-cash-money-stadt-dortmund-hatte-betrugsverdacht-gegen-weitere-maenner-w858259-2001145089/.

4 Ebenda.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3729 mit Schreiben vom 24. Juli 2024 namens der Landesregierung im Einver­nehmen mit dem Minister des Innern, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digi­talisierung und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vor­namen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Dortmund hat dem Ministerium der Justiz unter dem 30.04.2024 berichtet, dass in dem angesprochenen Fall hinsichtlich des Verdachts der miss­bräuchlichen Vaterschaftsanerkennung von der Aufnahme der Ermittlungen abgesehen wor­den sei.

Eine mit Zustimmung der Kindesmutter erfolgte Anerkennung der Vaterschaft vor einer für eine öffentliche Beurkundung zuständigen Stelle begründe – ohne dass es auf die biologisch-gene­tische Abstammung an-komme – ein wirksames Rechtsverhältnis, das Rechtswirkung nicht nur auf zivilrechtlicher, sondern auch auf strafrechtlicher Ebene entfalte. Die Erklärungen seien folglich im Rechtssinne nicht falsch, sodass weder der Tatbestand der Personenstandsfäl-schung noch der des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt sei.

Da notarielle Urkunden über die Erklärungen zur Anerkennung der Vaterschaft als öffentliche Urkunden nur die Abgabe der Erklärung selbst, nicht aber deren inhaltliche Richtigkeit bewie­sen, komme auch eine Strafbarkeit wegen mittelbarer Falschbeurkundung nicht in Betracht.

Der Betroffene sei deutscher Staatsangehöriger. Es sei nicht bekannt, seit wann er im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist. Von der Nennung weiterer personenbezogener Daten, insbesondere der Nennung des Vornamens und eventueller Vorstrafen bzw. anhängiger Er­mittlungsverfahren hat der Leitende Oberstaatsanwalt in seinem eingangs genannten Bericht vor dem Hintergrund der öffentlichen Berichterstattung, die die Identifizierbarkeit des Betroffe­nen erhöht, unter Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Unschuldsvermu­tung mit dem parlamentarischen Informationsinteresse abgesehen.

Die Bundesregierung hat am 12.06.2024 einen Gesetzentwurf zur besseren Verhinderung der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft beschlossen. (vgl. https://smex-ctp.trend-micro.com:443/wis/clicktime/v1/query?url=https%3a%2f%2fwww.bmj.de%2fShared-Docs%2fDownloads%2fDE%2fGesetzgebung%2fRefE%2fRefE%5fmissbr%5fAnerken-nung%5fVaterschaft.pdf%3f%5f%5fblob%3dpublicationFile%26v%3d2&umid=bde6fcd1-c825-47ee-ab7c-8ad3b304b781&auth=62223d12a7d772b296310ede92326021eafac816-7318855dfd5b8a18d85e582b6da15b68c7f81340). Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten.

Zur aktuellen Rechtslage und zu den Details der seitens der Bundesregierung geplanten An­passungen wird auf das gemeinsame Informationspapier des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und des Bundesministeriums der Justiz verwiesen (https://smex-ctp.trend-micro.com:443/wis/clicktime/v1/query?url=https%3a%2f%2fwww.bmj.de%2fShared-Docs%2fDownloads%2fDE%2fGesetzgebung%2fDokumente%2fInfopapier%5fmissbr%5fAn-erkennung%5fVaterschaft.pdf%3f%5f%5fblob%3dpublication-File%26v%3d2%29.%e2%80%9c&umid=bde6fcd1-c825-47ee-ab7c-8ad3b304b781&auth=62223d12a7d772b296310ede92326021eafac816-9de518be92193cb9270139bf356c1a262b531c3b).

  1. Wie viele Vaterschaften wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2010 bis heute pro Jahr beantragt?

Gemäß § 59 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII haben die Jugendämter die Befugnis, Erklärungen über die Anerkennung der Vaterschaft zu beurkunden. Die Jugendämter erfüllen ihre Aufgaben nach dem SGB VIII im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstver­waltung in eigener Verantwortung. Der Landesregierung liegen keine Daten zur Beurkundung von Vaterschaftsanerkennungen durch die Jugendämter vor. Die amtliche Kinder- und Jugend-hilfestatistik, die auf Grundlage der §§ 98-103 SGB VIII durchgeführt wird, erhebt keine Daten zu Anerkennungen von Vaterschaften.

Auch zur Beurkundung von Erklärungen zur Anerkennung der Vaterschaft durch andere Stel­len liegen der Landesregierung keine Daten vor.

  1. Wie viele dieser Vaterschaften wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2010 bis heute pro Jahr anerkannt?

Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor, vgl. Antwort zu Frage 2.

  1. Bei wie vielen der in Fragen 2 abgefragten Vaterschaften wurden mehr als 10 Kinder urkundlich anerkannt?

Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor, vgl. Antwort zu Frage 2.

  1. Bei wie vielen der in Fragen 2 abgefragten Vaterschaften wurde eine betrügerische Absicht nachgewiesen?

Eine Beantwortung der Frage ist anhand der dem Ministerium der Justiz vorliegenden statisti­schen Daten nicht möglich.

Im Rahmen der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in Straf- und Bußgeld­verfahren (StPO/OWi-Statistik) wird nicht gesondert erhoben, bei wie vielen Anträgen auf Va­terschaft sowie anerkannten Vaterschaften eine betrügerische Absicht nachgewiesen wurde.

 

MMD18-10126

Beteiligte:
Markus Wagner