Dublin-Rücküberstellungen aus Landeseinrichtungen und Kommunen

Kleine Anfrage
vom 09.12.2019

Kleine Anfrage 3226der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 09.12.2019

 

Dublin-Rücküberstellungen aus Landeseinrichtungen und Kommunen

Gemäß dem Stufenplan der Landesregierung ist es u.a. vorgesehen, Asylsuchende im Dublin-Verfahren direkt aus den Landeseinrichtungen heraus in die für das Asylverfahren zuständigen EU-Länder zurückzuführen. Das Ziel dieses Verfahrens ist es, die Kommunen zu entlasten. Nach Art. 29 Absatz 2 Dublin III-Verordnung ist hierbei eine Frist von 6 Monaten einzuhalten, wenn man verhindern möchte, dass die Zuständigkeit wechselt.

Der Städtetag NRW beklagt ein vermehrtes Abweichen von diesem Grundsatz. Danach werden den Städten immer noch „Flüchtlinge“ ohne Bleibeperspektive zugewiesen, was für Unmut in den Städten sorge.1 Befürchtet wird hierbei ein Zusammenhang mit dem angekündigten starken Abbau von Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen des Landes durch das Integrationsministerium.

Wie ein Berichtswunsch im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen ergeben hat, ist diese Rücküberstellung aus Landeseinrichtungen heraus nicht EU-weit möglich.2 Diese Form der Rücküberstellung sei außer nach Polen und der Schweiz neuerdings auch nach Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Frankreich möglich. Zahlreiche andere – in diesem Zusammenhang aber wichtige EU-Länder – fehlen bisher. Darunter fallen u.a. Österreich, Italien, Griechenland und Spanien.

Bei Zuständigkeit von EU-Staaten, die nicht an oben genanntem System beteiligt sind, kann laut Aussage der Landesregierung die Rücküberstellung nur aus den Kommunen heraus erfolgen. Um eine mögliche Rücküberstellung nicht zu gefährden, sei in diesen Fällen eine zugige Zuweisung dieser Personen an die Kommunen erforderlich.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie viele Dublin-Rücküberstellungen erfolgten seit 2015 aus NRW-Landeseinrichtungen bzw. aus Kommunen heraus? (bitte nach Jahr, Anzahl und EU-Land auflisten)

2. Wie viele Rücküberstellungen scheiterten seit 2015 in NRW durch ein Verstreichen der Rücküberstellungsfrist gemäß Dublin III-Verordnung? (bitte nach Jahr, EU-Land und Anzahl auflisten)

3. In wie vielen der unter Frage 2 erfragten Fälle erfolgte vor Ablauf der Frist gemäß Dublin III-Verordnung eine Zuweisung der Personen an die Kommunen?

4. An welchen rechtlichen Hürden scheitert die Rücküberstellung aus Landeseinrichtungen im Gegensatz zur Rücküberstellung aus den Kommunen heraus?3

5. Mit welchen Maßnahmen setzt sich die Landesregierung dafür ein, bestehende Hindernisse zu beseitigen mit dem Ziel, dass zukünftig alle „Dublin-Fälle“ aus Landeseinrichtungen heraus zurückgeführt werden können?

Gabriele Walger-Demolsky

 

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1 Vgl. Städtetag NRW, Eildienst, Ausgabe 09/19, S.2

2 Vgl. Lt. Vorlage 17/2736

3 Vgl. Lt. Vorlage 17/2736, S. 4


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 03.01.2020

 

Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 3226 mit Schreiben vom 3. Januar 2020 namens der Landesregierung beantwortet.

1. Wie viele Dublin-Rücküberstellungen erfolgten seit 2015 aus NRW-Landeseinrich-tungen bzw. aus Kommunen heraus? (bitte nach Jahr, Anzahl und EU-Land auflis­ten)

Die Kompetenzverteilung zwischen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Aus­länderbehörden bei Dublin-Überstellungen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) stellt sich wie folgt dar: Die Ausländerbehörden haben im Dublin-Verfahren neben dem BAMF keine eigene aufenthaltsrechtliche Entscheidungskompetenz. Sie vollziehen lediglich die Anordnung des BAMF und nehmen die Abschiebung als Realakt vor. Die Verfahrenshoheit liegt ausschließlich beim BAMF (vgl. hierzu auch Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages „Föderale Zuständigkeiten in Dublin-Verfahren – WD 3-3000-119/14 – vom 16. Juni 2014).

Bundeslandbezogene statistische Daten zu Dublin-Überstellungen werden den Ländern durch das BAMF erst seit Dezember 2018 monatlich zur Verfügung gestellt. Dabei wurden für das Jahr 2018 nur die monatlichen Gesamtzahlen (ohne Aufschlüsselung nach Zielstaaten) über­mittelt.

Für den Zeitraum 2015-2017 liegen der Landesregierung daher keine landesbezogenen Daten vor.

Im Jahr 2018 gab es in Nordrhein-Westfalen insgesamt 1.790 Dublin-Überstellungen.

Im Zeitraum 01.01.2019 bis 30.11.2019 erfolgten aus Nordrhein-Westfalen insgesamt 2.172 Überstellungen, die sich auf folgende Zielstaaten verteilten:

Mitgliedstaat: Überstellungen:
Belgien 78
Bulgarien 1
Dänemark 43
Estland 1
Finnland 25
Frankreich 315
Griechenland 4
Irland 1
Italien 557
Kroatien 4
Lettland 23
Litauen 13
Luxemburg 1
Malta 9
Niederlande 173
Norwegen 15
Österreich 78
Polen 146
Portugal 139
Rumänien 13
Schweden 139
Schweiz 67
Slowakische Republik 14
Slowenien 18
Spanien 224
Tschechische Republik 63
Ungarn 7
Vereinigtes Königreich 5
Gesamt: 2.172

 

Für das Jahr 2018 wurden durch die für die Landeseinrichtungen zuständigen Zentralen Aus­länderbehörden 270 Dublin-Überstellungen erfasst; für das Jahr 2019 waren es 474 (Stand: 19. Dezember 2019).

2. Wie viele Rücküberstellungen scheiterten seit 2015 in NRW durch ein Verstreichen der Rücküberstellungsfrist gemäß Dublin III-Verordnung? (bitte nach Jahr, EU-Land und Anzahl auflisten)

3. In wie vielen der unter Frage 2 erfragten Fälle erfolgte vor Ablauf der Frist gemäß Dublin III-Verordnung eine Zuweisung der Personen an die Kommunen?

Die Fragen 2 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Statistische Daten im Sinne der Fragestellungen liegen der Landesregierung nicht vor.

Im Übrigen wird zu Übernahmeersuchen, Zustimmungen und Überstellungen nach der Dublin-III-Verordnung auf die veröffentlichten monatlichen Berichte des BAMF zu „Aktuelle Zahlen“ verwiesen. Zur Zuweisungspraxis in NRW wird auf den Bericht des MKFFI vom 19. November 2019 (Vorlage 17/2736) verwiesen. Im Rahmen der Umsetzung des Stufenplans der Landes­regierung zur Entlastung der Kommunen wurde zum 01. Oktober 2018 (zunächst für die Ziel­staaten Polen und Schweiz) damit begonnen, Dublin-Überstellungen unmittelbar aus den Lan-deseinrichtungen vorzunehmen. Zwischenzeitlich erfolgt dies auch für Belgien, die Nieder­lande, Luxemburg und Frankreich. Eine weitere Ausweitung auf die Länder Schweden, Finn­land, Norwegen und Österreich ist vorgesehen.

4. An welchen rechtlichen Hürden scheitert die Rücküberstellung aus Landesein-richtungen im Gegensatz zur Rücküberstellung aus den Kommunen heraus?

5. Mit welchen Maßnahmen setzt sich die Landesregierung dafür ein, bestehende Hindernisse zu beseitigen mit dem Ziel, dass zukünftig alle „Dublin-Fälle“ aus Lan-deseinrichtungen heraus zurückgeführt werden können?

Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die rechtlichen Gründe, die einer Dublin-Überstellung aus einer Landeseinrichtung entgegen­stehen, unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denjenigen, die eine Dublin-Überstellung aus den Kommunen heraus verhindern. Ob solche Gründe vorliegen, obliegt aufgrund der rechtlichen Verfahrensverantwortlichkeit auch in diesen Fällen allein der Bewertung durch das BAMF.

Um effektive Rücküberstellungen aus Landeseinrichtungen vornehmen zu können, ist Voraus­setzung, dass der jeweilige Mitgliedstaat dem Bedarf angemessene faktische Überstellungs-möglichkeiten einräumt (z.B. Überstellungen per Charter). Auch die Aushandlung der jeweili­gen Überstellungsmodalitäten erfolgt ausschließlich auf Bundesebene.

 

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