Kleine Anfrage 4228
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
Düsseldorf: Mann durch SEK-Panne schwer verletzt – Wie verläuft die Aufarbeitung?
Am Donnerstag, den 20. Juni 2024, kam es in Monheim am Rhein zu einem folgenschweren Einsatz der Düsseldorfer Landespolizei. Gegen vier Uhr in der Nacht habe eine Gruppe des Sondereinsatzkommandos die Wohnungstür des 25-jährigen E. T. aufgesprengt, wie der Vater des Beschuldigten berichtete. Daraufhin sei der 25-Jährige zu Boden gebracht und zur Polizeiwache gebracht worden. Zunächst habe der von der Polizei beauftragte Arzt eine Schnittwunde festgestellt, im Krankenhaus wurde dann aber ein Bruch des Gesichtsschädelknochens nachgewiesen, weshalb der junge Mann nun operiert werden muss. Der Einsatz schlug im Internet und den sozialen Medien große Wellen, schnell war die Rede von einem rassistischen Vorfall und auch überzogene Polizeigewalt wurde kritisiert. Selbst Amnesty International meldete sich bezüglich des Vorfalls und forderte aufgrund des „strukturellen Rassismus“ innerhalb der Polizei eine „unabhängige Untersuchung“ des Falls.1
Grund für diese Kritik ist, dass bereits kurz nach dem Einsatz erste Stimmen laut wurden, dass es sich bei dem Verdächtigen um einen Unschuldigen handelt. Hintergrund des SEK-Einsatzes war eine vorausgegangene Schlägerei zwischen Anhängern des Rockermilieus, wobei teilweise Waffen wie Äxte, Baseballschläger und Macheten zum Einsatz gekommen sein sollen. Dieser Vorfall soll sich am Nachmittag des 16. Juni dieses Jahres auf einer ruhigen Straße in der Nähe von Monheim am Rhein zugetragen haben. Mindestens zwei Männer, aber auch der Angreifer selbst sollen bei diesem Angriff Schnittwunden davongetragen haben. Auslöser des Vorfalls sei eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Mitgliedern des Rockermilieus gewesen. Ein Mann, welcher versicherte, bei dem Angriff dabei gewesen zu sein, verkündete im Nachhinein, dass er den Angreifer erkannt habe, jedoch nur wenig kennen würde. Demnach wisse er lediglich, dass der Angreifer E. heißen würde, aber nicht den Nachnamen. Unter anderem auf Grundlage dieser Informationen sei die Polizei dann auf den deutschen Staatsangehörigen E. T. gekommen. Aufgrund des Tatvorwurfs, zwei Männer mit einem Handbeil und einem Messer angegriffen und verletzt zu haben, wurde befürchtet, dass der Mann auch zu Hause bewaffnet sei, und somit wäre der Einsatz eines Sondereinsatzkommandos gerechtfertigt.2
Auf Anfrage stellte der Rechtsanwalt des Verdächtigen die Vorwürfe als „absurd“ dar. Sein Mandant sei am Tag des Angriffs nicht vor Ort gewesen, da er den gesamten Tag über Verwandte besucht habe, was durch viele Zeugen belegt werden könnte. Außerdem gebe es Aufzeichnungen von Überwachungskameras einer Tankstelle, die er auf dem Weg besucht haben soll. E. T. sei derzeit in einem Nahverkehrsunternehmen der Rheinbahn angestellt und habe zuvor in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei als Sicherheitsmitarbeiter an einem Flughafen fungiert. Mit Rockern soll er keinerlei Verbindungen haben. Der Jurist führt den Tatvorwurf auf eine Verwechslung zurück, da in der Straße des 25-Jährigen mehrere Personen mit dem Namen E. wohnen sollen und somit der Zeuge womöglich einen anderen Mann mit diesem Namen meinte. Der Sprecher der Düsseldorfer Polizei bestreitet jedoch weiter, dass es sich um eine Verwechslung handelt, da der Mann als Tatverdächtiger identifiziert worden sein soll. Auch der Durchsuchungsbeschluss sei richterlich genehmigt worden und somit der Einsatz rechtens verlaufen. Nach kurzer Zeit musste die Polizei jedoch in einer Pressemitteilung verkünden, dass es sich bei E. T. tatsächlich nicht um den Gesuchten handelt und das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt wurde. Man habe daraufhin den korrekten Tatverdächtigen stellen können, welcher denselben Namen, jedoch einen anderen Nachnamen hat. Weiter heißt es, dass der Fall aufgearbeitet werden soll.3
Nun steht zur Debatte, ob der Ablauf des Einsatzes in diesem Umfang gerechtfertigt war. So bemängeln Strafrechtler beispielsweise die generell niedrig gesetzten Hürden für die Auslegung eines Durchsuchungsbeschlusses. Grundsätzlich bliebe die Handhabung dabei immer den zuständigen Behörden überlassen, welche aufgrund der von ihnen eingeschätzten Gefahrenlage abwägen, ob die Aktion beispielsweise bei Nacht erfolgen müsse oder ein Sondereinsatzkommando erforderlich sei. Hierfür gebe es demnach keine expliziten Voraussetzungen, die es zu erfüllen gilt. Der Rechtsanwalt des fälschlicherweise beschuldigten Mannes spricht in diesem Fall von einem „Justizskandal“. Weiter wirft er den Verantwortlichen schlampige Ermittlungen vor und spekuliert, dass der Antrag für den Durchsuchungsbeschluss vom Ermittlungsrichter lediglich durchgewunken worden sei. Er betont, dass es bislang keine Entschuldigung von Seiten der Behörden gegeben habe. Nun habe er Strafanzeige gegen die Polizei Düsseldorf, den zuständigen Staatsanwalt sowie den Ermittlungsrichter erstattet. Eine darauffolgende gemeinsame Pressemitteilung der Behörden bestätigte lediglich die Einstellung des Verfahrens gegen T. „wegen erwiesener Unschuld“. Allerdings fehlt es auch in dieser Mitteilung an Eingeständnissen von eigenen Fehlern während der Ermittlungen. Außerdem wird das Opfer in diesem Zusammenhang nicht einmal namentlich erwähnt, sondern lediglich als „der 25-jährige Deutsche“ bezeichnet. Weiter wird beschrieben, dass er „zunächst zweifelsfrei“ als mutmaßlicher Täter identifiziert worden sei, was jedoch nur auf den Angaben eines Tatbeteiligten basierte. Während der Ermittlungen habe sich diese Aussage dann als „nachweislich falsch“ erwiesen. Das Opfer sei durch den Angriff „seelisch kaputt“ und habe niemals damit gerechnet, dass es in einem Rechtsstaat zu solchen Fehlern kommen kann, wie der Vater berichtete.4
Ich frage daher die Landesregierung:
- Was ist über den später festgenommenen Tatverdächtigen bekannt? (Bitte nach Tätermerkmalen wie Alter, Herkunft, Staatsbürgerschaft, Vorstrafen und sonstigen polizeilichen Erkenntnissen aufschlüsseln.)
- Welche Rockerbanden waren an dem Vorfall vom 16. Juni beteiligt?
- Wurden durch die für den Vorfall verantwortlichen Behörden bereits Fehler bezüglich der Ermittlungen sowie der Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses eingeräumt?
- Was ist die Einschätzung der Landesregierung bezüglich des Vorgehens der Polizei?
- Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus diesem Vorfall?
Markus Wagner
2 Ebenda.
3 Ebenda.
4 Ebenda.
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 4228 mit Schreiben vom 22. August 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern wie folgt beantwortet.
- Was ist über den später festgenommenen Tatverdächtigen bekannt? (Bitte nach Tätermerkmalen wie Alter, Herkunft, Staatsbürgerschaft, Vorstrafen und sonstigen polizeilichen Erkenntnissen aufschlüsseln.)
Dem Bericht der Leitenden Oberstaatsanwältin in Düsseldorf vom 06.08.2024 zufolge handelt es sich bei dem später ermittelten, nicht festgenommenen Tatverdächtigen um einen mehrfach vorbestraften 34-jährigen Mann türkischer Staatsangehörigkeit.
- Welche Rockerbanden waren an dem Vorfall vom 16. Juni beteiligt?
Nach dem in der Antwort auf Frage 1 bezeichneten Bericht liegen nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen Hinweise für eine unmittelbare Tatbeteiligung von Mitgliedern einer Rocker-gruppierung nicht vor.
- Wurden durch die für den Vorfall verantwortlichen Behörden bereits Fehler bezüglich der Ermittlungen sowie der Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses eingeräumt?
Nein.
Nach dem in der Antwort auf Frage 1 bezeichneten Bericht hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf aufgrund der Strafanzeigen des Rechtsbeistands des Betroffenen der Wohnungsdurchsuchung Anzeigesachen gegen die beteiligten Polizeibeamten und Justizbediensteten sowie einen Dienstaufsichtsvorgang angelegt. Die Prüfungen in den Vorgängen dauerten an. Dem Randbericht des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 09.08.2024 zufolge wird bei der Bearbeitung der Strafanzeige gegen den für das originäre Verfahren zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft auch geprüft, ob eine Übertragung der Amtsverrichtung auf eine andere Staatsanwaltschaft angezeigt erscheinen könnte.
Das Polizeipräsidium Düsseldorf führt eine Nachbereitung des Einsatzes durch. Es bot den Betroffenen der richterlich angeordneten Wohnungsdurchsuchung über deren Rechtsanwalt ein persönliches Gespräch an, in dem es beabsichtigt, sein Bedauern über die Maßnahmen auszudrücken. Eine Reaktion auf das Angebot ist bisher nicht erfolgt.
- Was ist die Einschätzung der Landesregierung bezüglich des Vorgehens der Polizei?
Nach derzeitiger Erkenntnislage waren die zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt getroffenen Maßnahmen des Polizeipräsidiums Düsseldorf sowohl einsatz- als auch kriminalfachlich nachvollziehbar und sachgerecht.
- Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus diesem Vorfall?
Die Landesregierung greift dem Ergebnis der in der Antwort auf die Frage 3 benannten Vorgänge nicht vor.