Antragder AfD-Fraktion vom 02.10.2018
Duldung des Kirchenasyls in Deutschland beenden – Vereinbarung zwischen dem BAMF und der evangelischen bzw. katholischen Kirche aufkündigen
I. Ausgangslage
Das OLG München1 hat mit Urteil vom 03.05.18 (Az.: 4 OLG 13 Ss 54/18) die fehlende Rechtsgrundlage für die Gewährung von Kirchenasyl und die grundsätzliche Strafbarkeit eines Ausländers im Kirchenasyl wegen unerlaubten Aufenthalts bestätigt.
Damit wurden erneut die Ausführungen des Präsidenten des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts Andreas H. bestätigt.234 Laut Informationen des Internetportals katholisch.de5, forderte dieser im Rahmen der Jahrespressekonferenz des Gerichts am 09.03.2018 „gegen das zunehmende Kirchenasyl einzuschreiten [, da es] nicht weiter hinnehmbar [sei], dass die Kirchen eine höhere Moral für sich beanspruchten und staatliche Organe rechtswidrig behinderten.“ Andreas H. beklagte, „dass durch die Gewährung von Kirchenasyl ganz gezielt Gerichtsfristen unterlaufen würden, um Asylbewerber vor einer Abschiebung zu schützen“.
Im Gegensatz zu den Ausführungen des Präsidenten des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts und zum Urteil des OLG München hat der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach das Kirchenasyl verteidigt. Laut einem Artikel des Generalanzeigers vom 14.03.18 habe der Minister der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) gesagt: „Das Kirchenasyl gehört zu Deutschland“. Es sei „Ausdruck der christlichen Tradition in Deutschland“. Damit negierte er die säkulare Natur des freiheitlichen Verfassungsstaats. Dieser legitimiert sich und sein Recht nicht mehr religiös. Die Trennung von Staat und Religion ergibt sich in Deutschland aus dem Verbot der Staatskirche gemäß Art. 137 (1) Weimarer Reichsverfassung (inkorporiert durch Art. 140 Grundgesetz). Die Zuständigkeit staatlicher Organe im Rahmen des Aufenthaltsrechts ist eindeutig geregelt. Dabei ist eine Zuständigkeit der evangelischen- und katholischen Kirche nicht vorgesehen.
In den Leitsätzen des Urteils des OLG München heißt es:
„1. Weder der bloße Eintritt in ein Kirchenasyl noch die bloße Untätigkeit der Ausländerbehörde führen zum Wegfall einer Strafbarkeit wegen unerlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2c AufenthG. (Rn. 19)
2. Kirchenasyl ist kein in der geltenden Rechtsordnung anerkanntes Rechtsinstitut. Der Eintritt in ein Kirchenasyl begründet deshalb keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. (Rn. 23 – 24 und 36 – 38)
3. Unterlässt die Ausländerbehörde die Vollziehung der Abschiebung, weil sie Kirchenasyl grundsätzlich als christlich-humanitäre Tradition toleriert, so liegt darin weder eine Ermessensduldung noch eine stillschweigende bzw. faktische Duldung und führt dies auch nicht zu einem Wegfall der Strafbarkeit. (Rn. 25 – 26)
4. Tritt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufgrund einer mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche am 24. Februar 2015 getroffenen Vereinbarung […aber…] in eine erneute Einzelfallprüfung ein, so liegt darin ein rechtliches Abschiebungshindernis, das einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG begründet, solange die Einzelfallprüfung anhält. (Rn. 27 – 51)“
Zum Zusammenhang zwischen Kirchenasyl und Duldung heißt es im Urteil, dass „in der Tolerierung des Kirchenasyls […gemäß der Vereinbarung mit dem BAMF…] keine Ermessensduldung oder stillschweigende bzw. faktische Duldung gesehen werden [kann]“ und die Ermessensduldung (gemäß § 60a Abs. 2a – d AufenthG) das Kirchenasyl nicht nennt. Außerdem könne das „Nichteinschreiten der Ausländerbehörde nicht als faktische oder stillschweigende Duldung angesehen werden.“
Auch zur Rechtmäßigkeit des Kirchenasyls generell hat das OLG München eindeutig Stellung bezogen. Im Urteil heißt es:
„Kirchenasyl ist kein in der geltenden Rechtsordnung anerkanntes Recht. Die Grundrechte werden durch den Staat garantiert. Zu diesen gehört die Gewährung staatlichen Asyls in seiner gesetzlich geregelten praktischen Anwendung. Niemand, auch nicht die Kirche oder sonstige gesellschaftliche Interessengruppen, kann hier oder in anderen Bereichen außerhalb dieser Ordnung Sonderrechte für sich beanspruchen und etwa Asyl gewähren, oder sonst Allgemeinverbindlichkeit für das beanspruchen, was er jeweils gerade für richtig oder falsch hält, noch kann er bestimmen, was erlaubt ist und was nicht. Würde man anderes zulassen, wäre eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung die Folge und ein Klima fehlender Rechtstreue geschaffen, Grundrechtsschranken würden ignoriert. Das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit und damit die öffentliche Ordnung als Grundlage des geordneten Zusammenlebens der Bürger in Freiheit würde beschädigt, die durch das Grundrecht aus Art. 2 GG garantiert ist. Demzufolge besteht Kirchenasyl im historischem Sinne als gegenüber staatlichen Institutionen geltendes und zu beachtendes Recht nicht. […] Wird durch die Gewährung oder Inanspruchnahme von Kirchenasyl gegen geltende Gesetze verstoßen, so handelt es sich tatbestandsmäßig also um eine bewusste und gewollte, mindestens billigend in Kauf genommene Gesetzesverletzung, also um Unrecht. Der Staat ist folglich durch das Kirchenasyl an sich weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, die Überstellung durchzuführen, Kirchenasyl verbietet dem Staat kein Handeln und zwingt ihn auch nicht zum Dulden. Er verzichtet lediglich bewusst darauf, das Recht durchzusetzen, solange ein Ausreiseverpflichteter sich in kirchlichen Räumlichkeiten im Kirchenasyl aufhält. Es existiert somit kein Sonderrecht der Kirchen, aufgrund dessen die Behörden bei Aufnahme einer Person in das Kirchenasyl gehindert wären, eine Überstellung durchzuführen und hierzu gegebenenfalls unmittelbaren Zwang anzuwenden. Der Umstand, dass die für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen Behörden davor zurückschrecken oder aus Respekt vor christlich-humanitären Traditionen und wegen der gegenüber profanen Räumlichkeiten gesteigerten Friedensfunktion von Kirchenräumen davon absehen, die ihnen zur Verfügung stehenden Rechte und Möglichkeiten bei Personen im Kirchenasyl auszuschöpfen, also insbesondere auch unmittelbaren Zwang in kirchlichen Räumen anzuwenden, macht die Überstellung nicht unmöglich“
Im Rahmen einer kleinen Anfrage (Drucksache 17/2628) hatte die AfD-Fraktion gefragt, wie viele Rücküberstellungen gemäß der Dublin III-Verordnung bzw. Abschiebungen durch das Kirchenasyl verzögert oder durch die abgelaufene Frist schlussendlich verhindert wurden. Die Landesregierung konnte diesbezüglich keine Angaben machen. Laut Informationen von Welt online6 handelte es sich 2017 zu 90% um Dublin III-Fälle. Die Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion der AfD im Bundestag (Drucksache 19/3526) hat dem gegenüber für alle Bundesländer Zahlen geliefert. Danach wurden dem BAMF bundesweit im Zeitraum von Mai bis Dezember 2016 631 Kirchenasylfälle mit Bezug zum Dublinverfahren gemeldet. Im Jahr 2017 waren es 1.561 Fälle und von Januar 2018 bis zum 30.06.2018 waren es 972 Fälle. In Nordrhein-Westfalen wurden vom 01.08.-31.12.2016 37 Fälle und vom 01.07.201730.06.2018 401 Fälle gemeldet. Ein Fall kann in diesem Zusammenhang auch mehrere Personen betreffen. Die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der AfD-Fraktion (Drucksache 19/2349) hat ergeben, dass von Mai 2016 bis März 2018 insgesamt 2503 anstehende Überstellungen durch das Kirchenasyl verhindert wurden.
Bei der Frage nach der Rechtsgrundlage beruft sich die Bundesregierung auf das Selbsteintrittsrecht gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Dublin III-Verordnung. In diesem Zusammenhang gibt es seit 2015 lediglich eine mündliche Anordnung des ehemaligen Innenministers Thomas de Maizière. Eine Debatte im Bundestag oder wenigstens eine schriftliche Anordnung hat es nie gegeben – von einer Verbindung mit dem Kirchenasyl ganz zu schweigen.
Als Grundlage für das entsprechende Handeln wird die Vereinbarung zwischen dem BAMF und den Kirchen vom 24.02.2015 herangezogen. Diese Vereinbarung sieht die Vorlage eines Dossiers in jedem Einzelfall vor, um dem BAMF eine nochmalige Prüfung unter Einbeziehung aller Umstände zu ermöglichen. Nur diese erneute Einzelfallprüfung begründet ein Abschiebehindernis. Laut Focus Online7 missachten rund die Hälfte der Gemeinden die Regeln der Vereinbarung mit dem BAMF. Danach sind 2017 nur in etwa jedem 2. Fall die erforderlichen Dossiers eingereicht worden.
Im Rahmen der 208. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und – senatoren der Länder wurden diesbezüglich Verschärfungen beschlossen, insbesondere eine verlängerte 18-monatige Überstellungsfrist,
- wenn bei der Meldung des Kirchenasyls nicht deutlich wird, dass ein kirchlicher Ansprechpartner einbezogen ist,
- wenn innerhalb eines Monats nach der Kirchenasylmeldung kein Dossier zur Begründung eingeht oder
- der Antragsteller das Kirchenasyl trotz abschlägiger Entscheidung des BAMF über sein Dossier nicht verlässt.
Bedingt durch die bestehende Rechtsgrundlage und die von den Kirchen genutzte, und von der Landesregierung und dem BAMF quasi geduldete Möglichkeit, das geltende Recht der Rücküberstellung bzw. Abschiebung durch das Aussitzen von Fristen zu verzögern bzw. zu verhindern, führt kein Weg an der Abschaffung des Kirchenasyls vorbei. Das Kirchenasyl ist quasi eine weitere Einspruchsmöglichkeit außerhalb bestehenden Rechts und erfordert eine erneute personalintensive rechtlich unverbindliche8 Prüfung des BAMF, die sonst nicht vorgesehen wäre. Es ist in diesem Zusammenhang auch fraglich, warum ausgerechnet der evangelischen – und katholischen Kirche diese historisch gewachsene Möglichkeit auch heute noch eingeräumt wird. Das Kirchenasyl hatte einmal seine Berechtigung. In einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland wirkt das Kirchenasyl allerdings eher wie ein antiquiertes Relikt vergangener Tage und gehört abgeschafft.
II. Der Landtag stellt fest, dass
1. Kirchenasyl kein in der Rechtsordnung anerkanntes Rechtsinstitut ist. Eine Rechtsgrundlage besteht nach zutreffenden Ausführungen des OLG München nicht.
2. ausschließlich der Staat über die Gewährung von Schutz oder Rückführungen bzw. Abschiebungen zu entscheiden hat.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1. im Bundesrat eine Initiative mit dem Ziel die Sonderregelungen bezüglich des Kirchenasyls aufzukündigen, zu starten. Das betrifft insbesondere die Vereinbarung zwischen dem BAMF und den Kirchen vom 24.02.2015.
2. alle derzeit bestehenden Fälle von Kirchenasyl umgehend zu beenden und die betreffenden Personen gemäß bestehender Rechtsgrundlage zu behandeln.
Gabriele Walger-Demolsky
Helmut Seifen
Andreas Keith
und Fraktion
1 http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-7252?hl=true
2 http://www.rp-online.de/politik/verwaltungsgericht-kritisiert-bundesamt-fuer-asyl-aid-1.7446979
8 vergl. Bundestag, Drucksache 19/2349, Frage1