Kleine Anfrage 851
des Abgeordneten Markus Wagner vom 01.12.2022
Entwickelt sich Nordrhein-Westfalen zu einer Hochburg von Taschendiebstählen?
Ruhrgebietsstädte wie Dortmund und Gelsenkirchen sind in den vergangenen Wochen und Monaten Schauplatz diverser Taschendiebstähle und Raubüberfälle geworden. Vor allem Kinder- und Jugendbanden lauern ahnungslosen Passanten auf, erzwingen unter Gewaltandrohung die Herausgabe von Geld und Wertgegenstände oder „tanzen“ ihre Opfer an, um sie zu bestehlen. Auch die Landeshauptstadt gerät in den Fokus der sogenannten „Antänzer“, die gerade alkoholisierte Altstadtbesucher beklauen.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag, den 13. November 2022 wurden fünf mutmaßliche Taschendiebe festgenommen, die zuvor in der Düsseldorfer Altstadt auf Beutezug waren. Zwei der Männer kamen in Untersuchungshaft. Unter anderem konnte ein Tatverdächtiger in der Mertensgasse durch Polizeibeamte gestellt werden, der die Beute noch bei sich trug. Darüber hinaus war es Zivilfahndern in derselben Nacht und ebenfalls in der Mertensgasse möglich, zwei junge Männer nach einem erfolgreichen Diebstahl zu stellen. Zuvor hatten die Beamten beobachtet, wie die Männer kumpelhaft einen erheblich alkoholisierten Altstadtgast antanzten und ihm dabei die Taschen leerten. Außerdem wurden auf der Bolkerstraße zwei gerade einmal 14 Jahre alte mutmaßliche Taschendiebe von der Polizei festgenommen.1
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben geschilderten Festnahmen und Diebstählen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
- Sind die Tatverdächtigen bereits anderweitig polizeilich in Erscheinung getreten (auch vor ihrer Strafmündigkeit)?
- Wurden oder werden die Tatverdächtigen als Intensivtäter geführt?
- Werden gegen die Eltern der Tatverdächtigen zivilrechtliche Ansprüche und eine etwaige strafrechtliche Verantwortung geprüft und durchgesetzt?
- Tauschen sich die Düsseldorfer Ermittler mit den Kollegen aus anderen Städten in der Rhein-Ruhr-Region über (Er-)Kenntnisse aus, um gegebenenfalls unterschiedliche Ermittlungsmethoden gegen Diebstähle und Raubüberfällen effektiver zu führen?
Markus Wagner
1 Vgl. h t t p s: / / r p -o n l i ne . d e/nrw/staedte/duesseldorf/polizei-fasst-taschendiebe-in-der-duesseldorfer-altstadt_aid-7992 10 3 7 .
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 851 mit Schreiben vom 30. Dezember 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben geschilderten Festnahmen und Diebstählen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
Zur Beantwortung der Frage 1 hat mir das Ministerium der Justiz mit Datum vom 13. Dezember 2022 folgenden Beitrag übersandt:
„Der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz am 8. Dezember 2022 wie folgt berichtet:
‚Bezüglich der in der Kleinen Anfrage geschilderten Sachverhalte sind hier insgesamt drei Ermittlungsverfahren anhängig.
a)
Das Verfahren (…) hat den Tatvorwurf eines gemeinschaftlich begangenen Diebstahls mit Waffen zum Gegenstand. Ermittelt wird gegen zwei Beschuldigte, denen vorgeworfen wird, am 13. November 2022 in Düsseldorf auf der Mertensgasse gemeinschaftlich ein Smartphone entwendet zu haben. Polizeibeamte beobachteten gegen 4 Uhr morgens, wie einer der Beschuldigten den Geschädigten in ein Gespräch verwickelte, den Arm um ihn legte, ihn ‚antanzte‘ und ihm das Smartphone aus der Hosentasche zog und es an den anderen Beschuldigten weitergab. Die Beschuldigten wurden vorläufig festgenommen. Bei einem der Beschuldigten wurde ein Taschenmesser griffbereit in der Hosentasche gefunden; der andere Beschuldigte hatte ein bei der Tatbegehung griffbereit mitgeführtes Klappmesser zusammen mit dem Smartphone des Geschädigten unmittelbar vor seiner Festnahme in einen Blumenkübel gelegt.
Gegen beide Beschuldigten wurde am 13. November 2022 ein Haftbefehl beantragt und erlassen. Die zuständige Dezernentin hat mit Verfügung vom 17. November 2022 gegen beide Beschuldigten, die sich weiterhin wegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr in Haft befinden, Anklage beim Amtsgericht Düsseldorf erhoben und beantragt, Haftfortdauer zu beschließen.
Der Beschuldigte Z. ist algerischer Staatsangehöriger und Heranwachsender. Der erwachsene Beschuldigte S. ist marokkanischer Staatsangehöriger. Die die Beschuldigten betreffenden Bundeszentralregisterauszüge weisen keine Eintragungen auf.
b)
Das Verfahren (…) hat den Vorwurf des gemeinschaftlich begangenen Diebstahls zum Gegenstand. Die Ermittlungen werden geführt gegen zwei Jugendliche, die zum Tatzeitpunkt 14 Jahre alt waren. Ihnen wird vorgeworfen, den Geschädigten am 13. November 2022 gegen 6:35 Uhr auf der Bolkerstraße in Düsseldorf angesprochen, ihn ‚angetanzt‘ und ihm dabei u. a. sein Mobiltelefon entwendet zu haben. Ein Beschuldigter konnte von den herbeigerufenen Polizeibeamten noch auf der Bolkerstraße angetroffen werden. Der Geschädigte und ein weiterer Zeuge, die von Polizeibeamten begleitet wurden, erkannten den zweiten Beschuldigten wenig später auf der Liefergasse. Auch das Mobiltelefon des Geschädigten, das zuvor dort abgelegt worden war, wurde auf der Liefergasse gefunden.
Beide Beschuldigten wurden vorläufig festgenommen und in den Polizeigewahrsam verbracht. Die Beantragung von Haftbefehlen erfolgte nicht, da Haftgründe nicht vorlagen und im Übrigen die Anordnung von Untersuchungshaft nicht zuletzt angesichts des jugendlichen Alters der Beschuldigten unverhältnismäßig gewesen wäre. Die Ermittlungen dauern an.
Beide Beschuldigten sind algerische Staatsangehörige. Die sie betreffenden Bundeszentral-registerauszüge weisen keine Eintragungen auf.
c)
Das Verfahren (…) richtet sich gegen einen erwachsenen Beschuldigten wegen des Vorwurfs des Diebstahls. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, am 13. November 2022 gegen 1:00 Uhr in Begleitung einer weiteren unbekannten männlichen Person eine ihm entgegenkommende Frau angerempelt und ihr dabei ihr Mobiltelefon entwendet zu haben. Als er wahrnahm, dass ihn Polizeibeamte verfolgten, legte er das zuvor von ihm in seiner Umhängetasche verstaute Mobiltelefon auf den Boden. Der vorläufig festgenommene Beschuldigte wurde nach Rücksprache mit der bei der hiesigen Behörde zuständigen Vorführstaatsanwältin mangels Vorlie-gens eines Haftgrundes am Vormittag des 14. November 2022 aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Die Ermittlungen dauern an.
Der Beschuldigte A. ist algerischer Staatsangehöriger. Der ihn betreffende Bundeszentralre-gisterauszug weist keine Eintragung auf.‘ “
- Sind die Tatverdächtigen bereits anderweitig polizeilich in Erscheinung getreten (auch vor ihrer Strafmündigkeit)?
Ja.
- Wurden oder werden die Tatverdächtigen als Intensivtäter geführt?
Keiner der Tatverdächtigen wurde oder wird als Intensivtäter geführt (Stand: 08.12.2022).
4. Werden gegen die Eltern der Tatverdächtigen zivilrechtliche Ansprüche und eine etwaige strafrechtliche Verantwortung geprüft und durchgesetzt?
Zur Beantwortung der Frage 4 hat mir das Ministerium der Justiz folgenden Beitrag übersandt:
„Nach dem in der Antwort auf die Frage 1 genannten Bericht werden bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen die Eltern der Tatverdächtigen weder zivilrechtliche Ansprüche geprüft noch bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verantwortung gegen sie.“
- Tauschen sich die Düsseldorfer Ermittler mit den Kollegen aus anderen Städten in der Rhein-Ruhr-Region über (Er-)Kenntnisse aus, um gegebenenfalls unterschiedliche Ermittlungsmethoden gegen Diebstähle und Raubüberfällen effektiver zu führen?
Die nordrhein-westfälischen Ermittlerinnen und Ermittler tauschen sich über bestehende Erkenntnisse zu konkreten Ermittlungsverfahren – sofern sachdienlich und rechtlich zulässig – eigeninitiativ und anlassbezogen aus.
Darüber hinaus koordiniert das LKA NRW unter Beteiligung der Kreispolizeibehörden jährlich landesweite Besprechungen, unter anderem zu Themenbereichen der (überregionalen) Einbruchskriminalität und Straftaten zum Nachteil älterer Menschen.
Zudem tauschen sich Kreispolizeibehörden, die sich strukturell ähneln, im Rahmen der sogenannten Vergleichsgruppenarbeit in regelmäßigen Abständen aus, um Impulse für den Prozess einer fachübergreifenden, kontinuierlichen Verbesserung der Kriminalitätsbekämpfung zu setzen und einen zielgerichteten Erfahrungsaustausch zu gewährleisten.
Vor dem Hintergrund sich wandelnder Kriminalitätsstrukturen und -phänomene wird die Notwendigkeit der Durchführung von Absprachen zu verschiedenen Deliktsbereichen regelmäßig geprüft und anlassbezogen gegebenenfalls angepasst.
Zur Beantwortung der Frage 5 hat mir das Ministerium der Justiz folgenden Beitrag übersandt:
„Der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf hat in seinem Bericht vom 8. Dezember 2022 mitgeteilt, dass sich die Dezernentinnen und Dezernenten seiner Behörde mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Staatsanwaltschaften über bestehende Erkenntnisse austauschten, soweit dies in den einschlägigen Verfahren sachdienlich erscheint.“