Entwicklung der Kleinen Waffenscheine in Nordrhein-Westfalen

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 421
der Abgeordneten Markus Wagner und Sven Tritschler vom 07.09.2022

 

Entwicklung der Kleinen Waffenscheine in Nordrhein-Westfalen

Wie NDR.de berichtet, ist die Zahl der Kleinen Waffenscheine, die zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- oder Signalwaffen berechtigt, in Hamburg Ende Juni 2022 auf 9.351 angestiegen. Der Bericht bezieht sich dabei auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion. Noch im Mai 2021 lag die Zahl der in Hamburg ausgestellten Kleinen Waffenscheine bei 8.942. Im Jahre 2015 lag sie lediglich bei 4.606.1

Bereits Mitte Januar 2021 berichteten die Ruhr Nachrichten, dass sich die Zahl der Waffen­scheine in Nordrhein-Westfalen im Dezember 2020 auf 174.744 belief. Gegenüber Dezember 2019 war dies ein Anstieg von gut 4,6 Prozent, was 7.742 Kleine Waffenscheine ausmacht.2 Im August 2021 besaßen bereits rund 178.700 Menschen einen Kleinen Waffenschein.3

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Kleine Waffenscheine wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2012 ausgestellt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)
  2. Wie vielen Personen in NRW wurde der Kleine Waffenschein seit 2012 verweigert und/oder entzogen? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)
  3. In wie vielen Fällen wurden Waffen, die durch den Kleinen Waffenschein zum Mitführen berechtigen, seit 2012 zur Selbstverteidigung eingesetzt? (Bitte nach Jahr und Vorfall aufschlüsseln.)
  4. In wie vielen Fällen wurden Waffen, die durch den Kleinen Waffenschein zum Mitführen berechtigen, seit 2012 bei Verbrechen jeglicher Art eingesetzt? (Bitte nach Jahr und Vorfall aufschlüsseln sowie in ein prozentuales Verhältnis zu allen Straftaten mit Schusswaffen setzen.)
  5. In wie vielen Fällen wurden Waffen, die durch den Kleinen Waffenschein zum Mitführen berechtigen, bei Polizeikontrollen in Waffenverbotszonen seit deren Einführung festgestellt?

Markus Wagner
Sven Tritschler

 

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1 Vgl. https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Mehr-Kleine-Waffenscheine-in-Hamburg,kurzehh1530.html.

2 Vgl. https://www.ruhrnachrichten.de/regionales/kleiner-waffenschein-immer-mehr-menschen-in-nrw-duerfen-schreckschusswaffen-tragen-w1593096-2000170615/.

3 Vgl. https://www.nrz.de/region/niederrhein/zahl-der-kleinen-waffenscheine-in-nrw-steigt-weiter-deutlich-id233409271.html.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 421 mit Schreiben vom 20. Oktober 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Der Kleine Waffenschein gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 Waffengesetz (WaffG) berechtigt zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen außerhalb des befriedeten Besitz­tums. Voraussetzung für die Erlaubnis ist die Vollendung des 18. Lebensjahres. Genau wie bei der Prüfung anderer waffenrechtlicher Erlaubnisse werden zusätzlich die Zuverlässigkeit sowie die persönliche Eignung des Antragstellers zum Führen einer Waffe geprüft. Dazu wer­den unter anderem Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, dem Zentralen Staatsanwalt-schaftlichen Verfahrensregister sowie aus den polizeilichen Systemen herangezogen. Das Dritte Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes vom 17. Februar 2020, BGBl. I S. 166, hat für die Überprüfung von Antragstellern sowie Erlaubnisinhabern zudem wichtige Verbesserun­gen bewirkt. Insbesondere hat die Waffenbehörde gemäß § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 WaffG im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Antragstellern nunmehr auch regelmäßig bei der zuständigen Verfassungsschutzbehörde anzufragen, ob sicherheitsrelevante Erkennt­nisse zu der betroffenen Person vorliegen. Zu später erlangten Erkenntnissen über Erlaubnis­inhaber besteht darüber hinaus nunmehr eine sog. Nachberichtspflicht der Verfassungs­schutzbehörden, so dass neue Erkenntnisse ebenfalls an die Waffenbehörde weiterzuleiten sind (§ 5 Abs. 5 S. 3 WaffG).

Allerdings sieht das Waffenrecht im Rahmen der Zuverlässigkeits- und Eignungsprüfung nach §§ 5, 6 WaffG weiterhin im Wesentlichen die Erkenntnisschwelle des Gefahrenverdachts vor. Dieser Umstand sorgt dafür, dass das behördliche Tätigwerden mit dem Ziel, Personen bei Anhaltspunkten für deren mangelnde Zuverlässigkeit oder Eignung zu entwaffnen, vor erheb­liche Herausforderungen gestellt wird. Nordrhein-Westfalen hat deswegen bereits im Bundes­ratsverfahren zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über ein Gesetz zur Verbesserung waffenrechtlicher Personenüberprüfungen im Jahre 2021 einen entsprechenden Antrag ein­gebracht, mit dem die Hürden für die Verweigerung einer waffenrechtlichen Erlaubnis oder deren Entzug gesenkt werden. Der Antrag wurde von den Ländern im Bundesrat mehrheitlich unterstützt (vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 303/21). Der Gesetzentwurf ist der Diskontinuität unterfallen. Das Ministerium des Innern hat bereits das Bundesministerium des Innern und für Heimat aufgefordert, das Gesetzesvorhaben weiter zu verfolgen.

  1. Wie viele Kleine Waffenscheine wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2012 ausge­stellt?
  2. Wie vielen Personen in NRW wurde der Kleine Waffenschein seit 2012 verweigert und/oder entzogen?

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die entsprechenden Informationen ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle. Diese basiert auf den im Nationalen Waffenregister (NWR) zentral erfassten Informationen zu erlaubnis­pflichtigen Schusswaffen in privatem Besitz. Die Kennzahlen des NWR sind bundeseinheitlich abgestimmt und werden dem Ministerium des Innern monatlich als Waffenstatistik vom Bun­desverwaltungsamt zur Verfügung gestellt. Die zu den jeweiligen Jahren angegebenen Zahlen sind aufwachsend zu verstehen.

Der aktuelle Bestand der Antragsablehnungen wird erst seit Dezember 2021 zentral im NWR erfasst. Eine händische Auswertung bei den 47 Kreispolizeibehörden ab dem Jahre 2012 ist mit vertretbarem Arbeitsaufwand in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfü­gung stehenden Zeit nicht realisierbar.

Die Widerrufe für die Jahre 2012 und 2013 wurden noch nach einem anderen Verfahren er­fasst, so dass hier ein Vergleich mit dem Zahlenaufwuchs nach der NWR-Systematik ab dem Jahre 2014 nicht hergestellt werden kann. Mangels Aussagekraft für eine Gesamtbetrachtung wurde daher auf die Darstellung verzichtet.

 

Kleiner Waffenschein    
  Kleine Waffenscheine Antrags-ablehnung Widerrufe gemäß WaffG §45    
2012 60.358    
2013 62.001    
2014 65.553 483    
2015 70.757 600    
2016 121.690 805    
2017 144.215 1.109    
2018 155.622 1.377    
2019 167.002 1.777    
2020 174.744 2.227    
2021 181.072 Stichtag

31.12.2021

2021: 608

2.733    
2022

(Stichtag 31. Aug.)

189.478 884 3.031    

 

  1. In wie vielen Fällen wurden Waffen, die durch den Kleinen Waffenschein zum Mit­führen berechtigen, seit 2012 zur Selbstverteidigung eingesetzt?
  2. In wie vielen Fällen wurden Waffen, die durch den Kleinen Waffenschein zum Mit­führen berechtigen, seit 2012 bei Verbrechen jeglicher Art eingesetzt?

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Als Datenbasis für die Beantwortung der Frage dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) NRW. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung.

In der PKS NRW ist die Erfassung des Tatmittels seit dem Jahre 2019 möglich. Gas-, Reizstoff-und Schreckschusswaffen werden nur als Tatmittel erfasst, sofern mit diesen gedroht oder geschossen wurde. Im Jahre 2019 wurde in 637 Fällen, in 2020 in 401 Fällen und in 2021 in 270 Fällen mit einer Gas-, Reizstoff- und Schreckschusswaffe gedroht oder geschossen.

Eine Differenzierung, ob diese Waffen legal oder illegal bei der Tatausführung mitgeführt wur­den, erfolgt in der PKS NRW nicht. Eine qualifizierende Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen wird in der PKS NRW ebenfalls nicht vorgenommen, weshalb eine automatisierte Auswertung nach diesen Kategorien nicht möglich ist. Eine händische Auswertung anhand der konkreten Straftaten ist mit vertretbarem Arbeitsaufwand in der für die Beantwortung der Klei­nen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht realisierbar.

Auch Angaben dazu, ob die Waffen zur Selbstverteidigung eingesetzt wurden, ergeben sich nicht aus der PKS NRW. Nach Auskunft des Ministeriums der Justiz werden Verfahren, in denen die Tat durch Notwehr bzw. Nothilfe gerechtfertigt ist, auch nicht in der Staatsanwalt-schafts- und der Strafverfolgungsstatistik gesondert erfasst und können daher nicht in diesen Datenbanken automatisiert abgerufen werden. Die Datenerhebung würde daher auch hier eine händische Einzelauswertung der Akten aller in Betracht kommenden Verfahren erfordern, was mit einem für die Strafrechtspflege nicht vertretbaren Aufwand verbunden wäre.

  1. In wie vielen Fällen wurden Waffen, die durch den Kleinen Waffenschein zum Mit­führen berechtigen, bei Polizeikontrollen in Waffenverbotszonen seit deren Ein­führung festgestellt?

Im Rahmen der statistischen Erfassung von Kontrollen in den Waffenverbotszonen werden die Fälle, in denen das Führen einer Waffe berechtigt gewesen ist, nicht dokumentiert. Ziel der Kontrollen in den Waffenverbotszonen ist, das Mitführen von verbotenen Waffen festzustellen und entsprechende Maßnahmen zu treffen.

 

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