Antragder AfD-Fraktion vom 08.06.2021
Erdogans Einfluss auf den Islamunterricht in Zeiten des aufflackernden Antisemitismus’: NEIN zur Mitwirkung von DITIB im staatlichen Schulwesen!
I. Ausgangslage
Gegen Ende des Jahres 2011 hat der Landtag das 7. Schulrechtsänderungsgesetz zur Einführung des Islamischen Religionsunterrichts in NRW beschlossen. In den seither vergangenen Jahren hat der Islamunterricht an den Schulen des Landes stark zugenommen. Waren es zum Start im Jahre 2012 nur rund 1.800 Schüler und Schülerinnen, die ihn in Anspruch nahmen, so sind es im Schuljahr 2019/20 rund 21.634.1
Das Angebot eines rechtlich abgesicherten Islamunterrichts an den Schulen in NRW gestaltete sich hinsichtlich der Lerninhalte und der Lehrerlaubnisse von Beginn an schwierig. Anders als etwa bei der evangelischen oder der katholischen Kirche fehlt hier eine zentral anerkannte Vertretung der Religionsgemeinschaft. Seit dem Jahre 2012 ist Ansprechpartner in Hinsicht auf den schulischen Islamunterricht ein Beirat, dessen Mitglieder vom Koordinationsrat der Muslime und vom Schulministerium benannt wurden.
Dieser Beirat wird nun von einer ständigen Kommission ersetzt. In diese Kommission entsenden sechs muslimische Organisationen ihre Mitglieder, die mit dem Land NRW einen Vertrag über die Organisation des Islamunterrichts geschlossen haben. Eine dieser Organisationen ist die der türkischen Regierung nahestehende „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (DITIB). Insbesondere bei dieser Organisation dürfte die gebotene Verpflichtung der Islamverbände zur Eigenständigkeit, Staatsunabhängigkeit und Verfassungstreue höchst fragwürdig sein.
Auf dieses Problem angesprochen, begründete Schulministerin Gebauer ihre Fürsprache für DITIB mit einer Satzungsänderung der Organisation, woraus sie ersehen will, dass DITIB ihre Unabhängigkeit vom türkischen Staat festgesetzt hat.
- DITIB – Erfahrungen aus NRW
Ob mit einer einfachen Satzungsänderung jedoch diese Unabhängigkeit hergestellt werden kann, ist mehr als fraglich. Denn der Verband ist direkt der islamischen Religionsbehörde in der Türkei unterstellt und kann gar keine Unabhängigkeit feststellen. Gegen Kritiker des Präsidenten Erdogan schreckt der türkische Geheimdienst auch nicht vor Repressalien zurück und bedrängt in Deutschland lebende Dissidenten.2 Das war einer der Gründe, weshalb im Jahre 2016 der damalige Innenminister Jäger (SPD) die Kooperation mit dem Islam-Dachverband DITIB beendete, obwohl der Islamverband Träger des Kölner Standorts des Präventionsprogramms „Wegweiser“ war, mit dem Jugendliche vor dem Abdriften in den gewaltbereiten Salafismus geschützt werden sollten. Dieses Ziel wurde aber bereits dadurch konterkariert, dass zu dieser Zeit der Islam-Verband in einem Comic den Märtyrertod verherrlichte und damit ein Vorbild schuf, das nicht zu einem Aussteigerprogramm für radikalisierte Jugendliche passt.
Im Jahre 2018 fand sich ein weiterer Beleg für die Nähe des DITIB-Verbands zu radikalislamischen Einstellungen. Ein kurzer Film zeigte Szenen aus einer Herforder ‚DITIB‘-Moschee, in der kleine Kinder in Militäranzügen mit Waffenattrappen in der Hand, ein Wahlkampflied der Erdogan-Partei ‚AKP‘ singend, im Kreis tanzten. Während dieses Auftritts riefen die Kinder militärische Befehle und spielten den Märtyrertod nach.3 Damals erklärte der NRW-Integrationsminister Stamp entschlossen:
„Die Bilder aus der ‚DITIB‘-Moschee sind verstörend und völlig inakzeptabel. Der Vorfall bestärkt uns in unseren Befürchtungen, dass die ‚DITIB‘ in Nordrhein-Westfalen im politischen Interesse der türkischen Regierung agiert.“
- Sachstand in anderen Bundesländern
Im April 2020 beendete die hessische Landesregierung die Zusammenarbeit mit DITIB im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht. Das Kultusministerium begründete diese Entscheidung mit Zweifeln an der Unabhängigkeit der Organisation von der türkischen Regierung.
In Rheinland-Pfalz führt die Landesregierung die Gespräche mit DITIB bisher fort. Doch im März 2021 gab es auf Grund einer bedenklichen DITIB-Entscheidung einen Rückschlag. Der Verband lud einen antisemitischen und homophoben Historiker zum Vortrag ein. Im Herbst steht eine diesbezügliche Evaluation bevor.
In Baden-Württemberg wird der Islamunterricht seit dem Schuljahr 2019/2020 auf der Grundlage eines Stiftungsmodells fortgeführt. Insbesondere DITIB hatte der Landesregierung vorgeworfen, eine staatliche Einrichtung schaffen zu wollen, um Religionsunterricht erteilen zu können und somit die Religionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsmannschaften aushebeln zu wollen.
In Bayern wird ohnehin schon seit Jahren ein staatlich organisierter Islamkundeunterricht ohne Beteiligung muslimischer Verbände angeboten.
- Gefahren der Verfestigung eines nachhaltig feindlichen Klimas für Menschen jüdischen Glaubens
Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als sich vor wenigen Wochen im NRW zeigte, dass jüdische Gemeinden islamischen Judenhass fürchten müssen, verkündete die Nordrhein-Westfälische Landesregierung die Beteiligung der DITIB an der Einrichtung und Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts.
Die jüngsten Ereignisse und die Verlagerung des Nah-Ost-Konflikts nach Deutschland sind klare Indizien für das Gefahrenpotenzial, welchem sich unsere jüdischen Mitbürger ausgesetzt sehen. Es bedarf dringend konsequenter Maßnahmen sowie einer langfristigen Strategie im Umgang mit allen Facetten des Antisemitismus. Dessen islamistische Facette muss hier ebenso in den Blick genommen werden wie die linksextreme und die rechtsextreme. Die Bekämpfung des sich zunehmend manifestierenden Antisemitismus in Deutschland muss auf der politischen Prioritätenliste nach ganz oben gesetzt werden.
Nicht zuletzt muss eine über Umwege geleistete Finanzierung des Hasses gegenüber Juden umfassend aufgedeckt sowie konsequent bekämpft und beendet werden. Nennenswert dabei ist das seit dem Jahre 1949 existierende Hilfswerk der Vereinten Nationen (UN) für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, abgekürzt UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East). Es ist in Jerusalem, im Westjordanland und im Gazastreifen sowie in Jordanien, Syrien und im Libanon aktiv. Insbesondere die Schulbücher, welche die UNRWA verwendet, sind ein Streitpunkt. Erst im April 2021 erklärte das EU-Parlament in seinem Haushaltsbericht, man sei „besorgt über die Hassreden und Gewaltaufrufe, die in palästinensischen Lehrbüchern in UNRWA-Schulen in Gaza und der Westbank verwendet werden.“4 „Deutschland zahlt für eine UN-Organisation, die in Palästinensergebieten ein Bildungssystem fördert, das Kinder darauf vorbereitet, in den Krieg gegen Juden zu ziehen.“5
Besonders empörend ist es, wenn ausgerechnet in dem Moment, in dem jüdische Gemeinden immer mehr Bedrohungen aus Richtung islamischen Judenhasses erfahren, die NRW-Landesregierung die DITIB als Kooperationspartner benennt. Dabei war es der türkische Präsident Erdogan, der Israel anlässlich des aufflammenden Nah-Ost-Konflikts als „Terrorstaat“ bezeichnete. Im Jahre 2011 nannte er das Land eine „Bedrohung für den Nahen Osten“ und im Jahre 2018 beschimpfte er Israel als „faschistischsten und rassistischsten Staat der Welt“. Seine gewaltverherrlichenden Äußerungen führten unter anderem zu landesweiten Demonstrationen in der Türkei, bei denen die Vernichtung des Staates Israel offen propagiert wurde.
Eine Organisation, die als Erdogans Befehlsempfänger konstruiert wurde, darf weder Einfluss noch Macht bei der Gestaltung von Bildungsinhalten unserer Schüler erhalten.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
– DITIB ist auf Grund der institutionellen Einordnung in die türkische Religionsbehörde und der offen propagierten fundamentalistischen Propaganda ein ungeeignetes Mitglied für eine Kommission zur Bestimmung von Lehr- und Bildungsinhalten.
– Zahlreiche Bundesländer haben die Zusammenarbeit mit DITIB aus naheliegenden Gründen eingestellt.
– Die Behauptung der NRW-Schulministerin, DITIB habe sich aus der türkischen Abhängigkeit gelöst und sich von radikalislamischen Vorstellungen distanziert, gründet sich in einer Vertrauensseligkeit, die sich eine Ministerin als Wächterin der demokratisch-freiheitlichen Erziehung junger Menschen nicht leisten kann.
– Die Mitarbeit der DITIB in der Kommission für die Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts vernachlässigt die Bedürfnisse der jungen Menschen, die den islamischen Religions-unterricht aus heuristischen und spirituellen Gründen besuchen, aber weder durch nationale noch durch ideologische Dogmen auf eine bestimmte Linie gebracht werden wollen.
– Die NRW-Landesregierung übergeht vollkommen die Gefahr, dass sich durch diese Entscheidung für Menschen jüdischen Glaubens das bereits bestehende nachhaltig feindliche Klima verfestigt oder sogar verschlimmert.
– Das von Ministerpräsident Laschet ausgegebene Diktum, Antisemitismus habe „keinen Platz in NRW“, ist spätestens seit dieser verkündeten Entscheidung der Landesregierung zu einer Floskel verkommen.
III. Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
– den Vertrag mit der „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (DITIB) mit sofortiger Wirkung zu kündigen und ihr damit die Mitgliedschaft der neu eingerichteten Kommission zu entziehen.
Helmut Seifen
Gabriele Walger-Demolsky
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion
1 https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/sachstand-islamunterricht-nrw-gebauer-100.html Datum des Originals: 08.06.2021/Ausgegeben: 09.06.2021