Erneut Razzien gegen Clankriminelle nötig – Wurde auch bei Coronahilfen betrogen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 927
des Abgeordneten Markus Wagner vom 22.12.2022

Erneut Razzien gegen Clankriminelle nötig Wurde auch bei Coronahilfen betrogen?

  • Unterschlagung zahlreicher Autos
  • Gewerbsmäßige Bandenhehlerei
  • Betrug mit Corona-Hilfen

So lauten die Anschuldigungen der Ermittler gegen Angehörige der Organisierten Kriminalität. Die deswegen durchgeführten Razzien fanden in fünf Bundesländern statt, wobei Nordrhein-Westfalen mit 20 Städten den Schwerpunkt bildete.1

Am Mittwochmorgen, den 14. Dezember 2022, gingen mehr als 300 Polizisten und zehn Steuerfahnder gegen 57 Mitglieder zweier Banden vor. Dabei wurden acht Personen ausschließlich in Nordrhein-Westfalen festgenommen. Zwei Hauptbeschuldigte, die dem türkisch-arabischen Al-Zein-Clan angehören, seien zudem bereits polizeibekannt. Darüber hinaus sollen drei weitere Verdächtige ebenfalls einem Clan angehören.2

Bei dem ersten Ermittlungskomplex ging es um Unterschlagung zahlreicher Autos sowie gewerbsmäßige Bandenhehlerei. Dazu haben in Nordrhein-Westfalen unter anderem in Dortmund, Essen, Hagen, Gelsenkirchen und Bochum Durchsuchungen stattgefunden. Die Mitglieder der Gruppe, die hochpreisige Fahrzeuge betrügerisch erlangt, unterschlagen oder entwendet haben sollen, haben diese dann mit neuen Kennzeichen versehen und anschließend verkauft. Einem weiteren Beschuldigten werde zudem Erpressung im Zusammenhang mit dem Betrieb eines illegalen Glücksspiels vorgeworfen. Insgesamt seien 17 Tatverdächtige im Alter von 30 bis 38 Jahren bei der Umsetzung dieser Betrugsgeschäfte involviert gewesen sein. In Solingen, wo die Ermittler sechs Wohnungen sowie Geschäftsräume durchsuchten und eine Schusswaffe fanden, wurden mehrere Personen festgenommen.3

Der zweite Ermittlungskomplex untersucht den Betrug mit Corona-Soforthilfen. Nach Angaben von Medien sollen die Beschuldigten dazu ein vielschichtiges Geflecht an Firmen aufgebaut und Strohleute genutzt haben. Im Zuge dieser Ermittlungen wurden insgesamt 35 Häuser, Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht. Hier richtet sich das Verfahren gegen 40 Personen, von denen fünf deutsche und türkische Beschuldigte im Alter von 29 bis 55 Jahren im Fokus der Ermittler stehen.4

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Durchsuchungen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  2. Hat man bei den Durchsuchungen Substanzen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, Bargeld aus ungeklärter Herkunft sowie Waffen sicherstellen können? (Bitte nach Substanzarten sowie Waffenart aufschlüsseln.)
  3. Wie hoch ist nach derzeitigem Ermittlungsstand der finanzielle Schaden durch den Betrug bei Corona-Soforthilfen?
  4. Welche Clans waren von den Razzien betroffen?

Markus Wagner

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. htt p s : / /www. W a z .de/politik/landespolitik/g r o s s razzia-gegen-al-zein-c l a n-in-nrw-ueber-50-beschuldigte-id 23 71 47 84 9.h t m l.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 927 mit Schreiben vom 19. Januar 2023 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister des Innern beantwortet.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Durchsuchungen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtig­ten, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkennt­nisse über die Tatverdächtigen nennen.)

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 05.01.2023 zum Sachstand der Ermittlungen im Wesentlichen berichtet, dass die mit der Frage angesprochenen Durchsuchungsmaßnahmen in zwei unabhängig voneinander geführten Ver­fahren durchgeführt worden seien, in denen die Ermittlungen, insbesondere die Auswertung der gesicherten Beweismittel, andauerten.

In einem Verfahren werde gegen derzeit 18 Beschuldigte mit deutscher, türkischer, griechi­scher, algerischer und syrischer Staatsangehörigkeit wegen des Verdachts banden- und ge­werbsmäßiger Hehlerei ermittelt. Einem Beschuldigten werde versuchte Erpressung vorge­worfen. Fünf der Beschuldigten seien nicht vorbestraft. Die weiteren Beschuldigten wiesen zwischen zwei und zehn Eintragungen im Strafregister auf, wobei diese nur bei zwei Beschul­digten gleichartige Tatvorwürfe beträfen.

Das weitere Verfahren richte sich derzeit gegen 40 Beschuldigte mit deutscher, türkischer, italienischer, tschechischer, nordmazedonischer, ungarischer, bulgarischer, slowakischer, pol­nischer, niederländischer und slowenischer Staatsangehörigkeit; bei zwei Personen sei die Staatsangehörigkeit bislang ungeklärt. Hier bestehe der Verdacht des gewerbs- und banden­mäßigen Subventionsbetrugs und der gewerbsmäßigen Urkundenfälschung. 30 Beschuldigte dieses Verfahrens seien nicht vorbestraft. Die weiteren Beschuldigten wiesen ein bis acht Ein­träge im Strafregister auf, wobei diese bei keinem Beschuldigten gleichartige Tatvorwürfe be­träfen.

Von näheren Angaben zu den Vornamen der deutschen Beschuldigten oder den Vorstrafen der Beschuldigten wird aus Datenschutzgründen (Grundrecht der informationellen Selbstbe­stimmung nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz, Artikel 4 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen) und vor dem Hintergrund der im Strafverfahren zu beachtenden Unschuldsvermutung (Artikel 6 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) bei Abwägung mit dem parlamentarischen Informationsanspruch abgesehen. Dabei ist auch zu beachten, dass die Beschuldigten wegen der teilweise zeitlichen und örtlichen Eingrenzung der Tat sowie weite­rer, presseöffentlicher Angaben identifizierbar sein könnten.

  1. Hat man bei den Durchsuchungen Substanzen, die unter das Betäubungsmittel­gesetz fallen, Bargeld aus ungeklärter Herkunft sowie Waffen sicherstellen kön­nen? (Bitte nach Substanzarten sowie Waffenart aufschlüsseln.)

Dem in der Antwort auf die Frage 1 genannten Bericht zufolge ist in dem erstgenannten Ver­fahren ein Luftgewehr sichergestellt worden, dessen Besitz nach vorläufiger Begutachtung durch das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) gegen das Waffengesetz ver­stoßen könnte. In dem weiteren Verfahren seien zwei Schusswaffen nebst Munition sowie drei Tüten mit einer geringen Menge einer weißen, bislang nicht identifizierten Substanz sicherge­stellt worden. Die Untersuchung der sichergestellten Gegenstände dauere an.

  1. Wie hoch ist nach derzeitigem Ermittlungsstand der finanzielle Schaden durch den Betrug bei Corona-Soforthilfen?

Nach dem unter dem 05.01.2023 berichteten Ermittlungsstand besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten Corona-Soforthilfen in Höhe von 66.000 Euro zu Unrecht erlangt haben.

  1. Welche Clans waren von den Razzien betroffen?

Die Beantwortung der Frage erforderte bei etwaiger Erfassung der Beteiligten im Lagebild „Clankriminalität Nordrhein-Westfalen“ die Nennung eines Familiennamens, welche aus Grün­den des Persönlichkeitsschutzes und der Unschuldsvermutung generell nicht erfolgen kann.

 

Antwort als PDF

Beteiligte:
Markus Wagner