Kleine Anfrage 1872
der Abgeordneten Markus Wagner und Andreas Keith AfD
Erneute Gewalt im Amateurfußball – Wenn der Sport zur Nebensache wird
Während eines Fußballkreisligaspiels am 7. Mai 2023 in Dortmund wurde ein 19 Jahre alter Linienrichter kurz vor dem Spielende von einem Zuschauer gewürgt. Daraufhin wurde die Partei abgebrochen.1
Bis zur 89. Minute führten die Gastgeber in der Partie zwischen RW Germania und Osmanlispor Dortmund mit 2:1, als von den Gästen der Ausgleichstreffer erzielt wurde. Unmittelbar nach dem Tor stürmten Zuschauer des Gastvereins auf den jungen Linienrichter zu. Einer der Zuschauer packte ihn am Hals und würgte ihn mehrere Sekunden lang. Dem mutmaßlichen Täter war es im Anschluss möglich, zu fliehen.2
Der Grund für den Angriff blieb zunächst unklar, wobei eine nicht gepfiffene, angebliche Abseitsstellung der Gastgeber in Betracht kommt. Nach Angaben des Pressesprechers von Osmanlispor habe niemand den Angriff gesehen. Zuvor sei aber auch schon der Linienrichter selbst durch Bemerkungen negativ aufgefallen, sodass auch hier Anzeige erstattet wurde.3
Der Fußballverein Osmanlispor ist bereits in der Vergangenheit negativ in Erscheinung getreten. Im Jahr 2020 hat Spieler, wegen seines Platzverweises, einen Schiedsrichter krankenhausreif geschlagen.4
Darüber hinaus ereignete sich ebenfalls am Sonntag, den 7. Mai 2023, ein Gewaltdelikt auf einem Amateurfußballplatz in Gütersloh. Bei einem C-Liga-Spiel legte sich zunächst ein 36 Jahre alter Zuschauer verbal mit dem Schiedsrichter an. In der Halbzeitpause soll der Mann dem Schiedsrichter dann ins Gesicht geschlagen haben. Das Opfer wurde mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht, wo es versorgt wurde.5
Der Tatverdächtige konnte zunächst mit einem Fahrrad fliehen, wurde aber sodann von Zeugen gestellt. Auch dabei soll es zu einem Handgemenge gekommen sein.6
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Vorfällen? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
- In welcher Form ist der Fußballverein bzw. das Umfeld des Fußballvereins Osmanlispor Dortmund seit seiner Gründung polizeilich in Erscheinung getreten? (Bitte nach Jahr und Delikt aufschlüsseln.)
- Seit wann kommt es aus Sicht der Landesregierung zu einer Häufung von Straftaten gegen Schieds- und Linienrichter im Amateurfußball?
- Welche spezifischen Maßnahmen trifft die Landesregierung für die Opfer von Gewalt im Amateurfußball? (Bitte nach Fachberatungsstellen, (Entschädigungs-)Fonds, Präventionsprogrammen etc. aufschlüsseln.)
Markus Wagner
Andreas Keith
2 Ebenda.
3 Ebenda.
4 Ebenda.
5 Ebenda.
6 Ebenda.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1872 mit Schreiben vom 4. Juli 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Vorfällen? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
Im Kontext der Spielbegegnung RW Germania Dortmund gegen SC Osmanlispor am 7. Mai 2023 in Dortmund führt das Polizeipräsidium Dortmund ein Ermittlungsverfahren gegen einen strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getretenen Beschuldigten und zwei noch nicht identifizierte Tatverdächtige wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und Beleidigung zum Nachteil eines Schiedsrichterassistenten. Darüber hinaus führt das Polizeipräsidium Dortmund ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen einen Tatverdächtigen wegen des Verdachts der Beleidigung zum Nachteil eines Mitarbeiters des Fußballkreises Dortmund, der als Kreisaufsicht bei der in Rede stehenden Spielbegegnung zugegen war.
Im Kontext einer Spielbegegnung der Kreisliga C am 7. Mai 2023 in Gütersloh führt die Kreispolizeibehörde Gütersloh ein Ermittlungsverfahren gegen einen wegen eines Körperverlet-zungs-, eines Verkehrs-, eines Eigentums- und eines Vermögensdeliktes strafrechtlich in Erscheinung getretenen Tatverdächtigen wegen des Verdachts der Körperverletzung zum Nachteil des Schiedsrichters.
Die Verfahrensakten liegen den Staatsanwaltschaften Dortmund und Bielefeld noch nicht vor (Stand: 7. Juni 2023).
2. In welcher Form ist der Fußballverein bzw. das Umfeld des Fußballvereins Osman-lispor Dortmund seit seiner Gründung polizeilich in Erscheinung getreten? (Bitte nach Jahr und Delikt aufschlüsseln.)
Als Datenbasis für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung dient die Polizeiliche Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen (PKS). Sie wird nach bundeseinheitlichen Richtlinien erstellt. Eine automatisierte Auswertung der PKS im Sinne der Fragestellung ist nicht möglich. Eine händische Auswertung ist innerhalb der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.
Im Übrigen wird auf die Beantwortungen der Kleinen Anfrage 3208 vom 27. November 2019 mit Datum vom 7. Januar 2020 (LT-Drs. 17/8372) sowie der Kleinen Anfrage 1624 vom 28. März 2023 mit Datum vom 26. April 2023 (LT-Drs. 18/4188) verwiesen.
Dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen liegen keine Erkenntnisse zum Fußballverein Osmanlispor Dortmund vor.
3. Seit wann kommt es aus Sicht der Landesregierung zu einer Häufung von Straftaten gegen Schieds- und Linienrichter im Amateurfußball?
Eine automatisierte Auswertung der PKS im Sinne der Fragestellung ist nicht möglich. Eine händische Auswertung ist innerhalb der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.
Entsprechende Statistiken werden auch im Ministerium der Justiz nicht geführt. Straftaten im Zusammenhang mit Amateurfußballspielen werden auch in den bundesweit abgestimmten Geschäftsstatistiken nicht gesondert erfasst. Zur Beantwortung der Frage wäre daher eine händische Auswertung aller infrage kommenden Verfahrensakten der Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen erforderlich. Dies ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht leistbar.
Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 3208 vom 27. November 2019 mit Datum vom 7. Januar 2020 (LT-Drs. 17/8372) sowie der Kleinen Anfrage 1624 vom 28. März 2023 mit Datum vom 26. April 2023 (LT-Drs. 18/4188) verwiesen.
4. Welche spezifischen Maßnahmen trifft die Landesregierung für die Opfer von Gewalt im Amateurfußball? (Bitte nach Fachberatungsstellen, (Entschädigungs-)Fonds, Präventionsprogrammen etc. aufschlüsseln.)
Kriminalprävention und Opferschutz haben in der Landesregierung einen hohen Stellenwert. Dabei richtet die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen ihre Opferschutzmaßnahmen an den Bedürfnissen der Opfer aus und prüft, ob weitere Unterstützung und Hilfe notwendig ist. Bei Bedarf werden Opfer mit deren Einverständnis bedarfsgerecht an Anbieter von Angeboten der Opferhilfe und -unterstützung vermittelt. Das Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes enthält auf der Internetseite umfangreiche Informationen zur Hilfe und zum Opferschutz.
Die Stiftung Opferschutz Nordrhein-Westfalen kann Menschen finanziell unterstützen, die in Nordrhein-Westfalen wohnen und die Opfer einer Gewalttat wurden bzw. Menschen, die in Nordrhein-Westfalen eine Straf- oder Gewalttat erlitten haben, sowie deren Angehörigen und nahestehenden Personen. Näheres regelt eine entsprechende Richtlinie.
Mit der Einrichtung einer „Meldestelle für Diskriminierung im Fußball NRW“ („MeDiF-NRW“) als eines von 16 sozialpädagogischen Fanprojekten der Fachstelle „Landesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte“ (LAG Fanprojekte) wird auf die Etablierung und Verstetigung von präventiven gesellschaftspolitischen Effekten und Strategien in den Bereichen Gewalt, Extremismus, Radikalisierung, Rassismus, Sexismus, Homophobie und Antisemitismus hingearbeitet.
Die „MeDiF-NRW“ soll eine unterstützende Plattform in Form einer sicheren Meldestelle sein, um diskriminierende Vorfälle öffentlich zu machen. Sie soll dazu beitragen, zivilgesellschaftliche Solidarität und Transparenz zu gewährleisten und der Verharmlosung, Relativierung, Fehldeutung oder Verschweigung diskriminierender Vorfälle entgegenwirken.
Sämtliche Arbeitsschritte erfolgen in enger Abstimmung und Kooperation mit einem breit gefächerten Netzwerkverbund. Hierzu gehören Vereine (Profi- und Amateurbereich), Verbände (inkl. Fußballverbände auf Landesebene, Fußballkreise) und Dachorganisationen im „Sportland NRW“ (Landessportbund, Stadtsportbünde).
Weitere Kooperationspartnerinnen und -partner, deren Vernetzung mit dem Projekt „MeDiF-NRW“ sukzessive ausgebaut wird, sind Schulen, universitäre Institutionen und solche zivilgesellschaftlichen Organisationen, die im Feld Prävention, Rechtsextremismus und politischer Bildung aktiv sind.
Hierbei richtet sich der Fokus insbesondere auf Fans, Fangruppen und Fanorganisationen. Fußballvereine der Fußballbundesliga haben die Unterstützung der „MeDiF-NRW“ erklärt. Der Lehrstuhl für Ethnologie der Fakultät Sozialwissenschaften an der Ruhr Universität Bochum unterstützt die „MeDiF-NRW“ in unterschiedlichen Arbeitsschritten, u. a. in den Bereichen Migrations-, Integrations-, und Rassismusforschung und durch forschungsorientierte Lehrveranstaltungen.