Erstattung von nicht beglichenen Abschiebekosten an die Stadt Gelsenkirchen durch das Land NRW

Kleine Anfrage
vom 25.05.2021

Kleine Anfrage 5512der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 25.05.2021

 

Erstattung von nicht beglichenen Abschiebekosten an die Stadt Gelsenkirchen durch das Land NRW

Bei einer Anfrage der Ratsfraktion der AfD in Bochum ging es um die Kostenhaftung sowie um die Sicherheitsleistungen im Rahmen von Abschiebungen im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde Bochum.1

Gemäß § 66 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) hat der Ausländer die Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, die Zurückschiebung oder die Abschiebung entstehen, grundsätzlich selbst zu tragen. Gemäß § 66 Absatz 2 bis 4 AufenthG können auch andere Personen bzw. Organisationen unter den dort festgelegten Voraussetzungen haftbar gemacht werden.

Diejenigen Leistungen, die im Zusammenhang mit einer Abschiebung, einer Zurück­schiebung, einer Zurückweisung sowie der Durchsetzung einer räumlichen Be-schränkung berechnet werden können, werden gemäß § 67 AufenthG definiert. Derartige Ansprüche verjähren sechs Jahre nach Eintritt der Fälligkeit.

Die Kosten der Abschiebung nach § 66 AufenthG werden von den zuständigen Aus­länderbehörden durch Verwaltungsakt in Form eines sog. Leistungsbescheids festgesetzt. In einem Runderlass des Innenministeriums (Vgl. RdErl. 15-39.22.01-5 vom 05.12.2008; gültig bis zum 31.12.2018) wurde die Umsetzung der Erstattungs-pflicht gemäß § 66 und § 67 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit § 45 Ordnungsbehördengesetz umfassend geregelt. Danach trägt das Land die Kosten, die nicht eingezogen werden können.

Die Stadt Bochum konnte bezüglich der Umsetzung der seit dem Jahre 2015 bestehenden Rechtslage und insbesondere zur Höhe der von ausreisepflichtigen Perso-nen eingetriebenen Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, durch die Zurückweisung, die Zurückschiebung oder die Abschiebung entstanden sind, nur unzureichende Antworten liefern.

Wie aus der Antwort der Stadt Bochum hervorgeht, können die angefallenen Kosten nur in den seltensten Fällen eingetrieben werden. Das führt – wie oben beschrieben – dazu, dass die entstandenen Kosten gegenüber dem Land geltend gemacht werden.

Wie die Stadt Bochum in ihrer Antwort ausführt, setzt der belastende Verwaltungsakt regelmäßig eine Anhörung des Betroffenen voraus.

„Sowohl die Anhörung als auch der Leistungsbescheid selbst können in der Praxis in den meisten Fällen mangels konkret bekannter Aufenthaltsanschrift der abgeschobenen Person in deren Heimatland zugestellt geschweige denn nach Rechtskraft vollstreckt werden.“

Wie man von Seiten der Stadt Bochum dann bereitwillig zugibt, wird basierend auf dieser Problemlage das Recht nicht vollzogen. So heißt es: „Insoweit wird seitens des Ausländerbüros zu diesem Zeitpunkt aus tatsächlichen Gründen von dem Erlass von Leistungsbescheiden abgesehen.“

Zudem verfügten die abzuschiebenden Personen „nur in den seltensten Fällen“ über Eigenmittel, womit die Möglichkeit zum Einzug von Sicherheitsleistungen in der Re-gel auch entfallen würde.

Auch im Falle einer Wiedereinreise nach vollzogener Abschiebung bzw. Rückführung muss, trotz sofortigem Erlass eines Leistungsbescheids, gefolgt von einem Anhörungsverfahren, die Forderung am Ende oftmals niedergeschlagen werden.

Lediglich in den Fällen, in denen neben dem abzuschiebenden Ausländer weitere Kostenschuldner vorhanden sind, besteht demnach eine reelle Chance, die entstandenen Kosten in größerem Umfang einzuziehen, ohne dass das Land einspringen muss.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. In welchem Umfang hat die Stadt Gelsenkirchen (bzw. das Ausländerbüro) in den Jahren von 2015 bis 2020 gegenüber dem Land NRW die im Zusammen-hang mit der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, mit einer Zurück-weisung, einer Zurückschiebung oder einer Abschiebung entstandenen Kosten geltend gemacht? (Bitte differenziert nach Jahr und Summe auflisten)
  2. Welche Kostenbestandteile gemäß § 67 AufenthG, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, einer Zurückweisung, einer Zurückschiebung oder einer Abschiebung in den Jahren von 2015 bis 2020 angefallen sind, mussten in den Fällen, bei denen die Stadt Gelsenkirchen die Kosten nicht eintreiben konnte, diese von der Stadt Gelsenkirchen bzw. dem Land NRW übernommen werden? (Bitte differenziert nach Kostenbestandteil, Jahr und Summe auflisten)
  3. Wie viele Abschiebungen bzw. Dublin-Rücküberstellungen gab es in den Jahren von 2015 bis 2020 im Zuständigkeitsbereich der kommunalen Ausländer-behörde Gelsenkirchen? (Bitte nach Jahr und Anzahl differenziert auflisten)
  4. In welchem Umfang konnten in den Jahren von 2015 bis 2020 im Zusammen-hang mit Kostenforderungen gemäß § 66 AufenthG im Zuständigkeitsbereich des Ausländerbüros Gelsenkirchen Forderungen erfolgreich eingetrieben wer-den? (Bitte differenziert nach Jahr und Summe auflisten)
  5. Wie hoch waren in den Jahren von 2015 bis 2020 die Gesamtkosten im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, einer Zurückweisung, einer Zurückschiebung oder einer Abschiebung im Zuständigkeitsbereich des Ausländerbüros Gelsenkirchen? (Bitte differenziert nach Jahr und Summe auflisten)

Gabriele Walger-Demolsky

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. https://session.bochum.de/bi/getfile.asp?id=472311&type=do


Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 5512 mit Schreiben vom 25. Juni 2021 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. In welchem Umfang hat die Stadt Gelsenkirchen (bzw. das Ausländerbüro) in den Jahren von 2015 bis 2020 gegenüber dem Land NRW die im Zusammen-hang mit der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, mit einer Zurück-weisung, ei­ner Zurückschiebung oder einer Abschiebung entstandenen Kosten geltend ge­macht? (Bitte differenziert nach Jahr und Summe auflisten)
  2. Welche Kostenbestandteile gemäß § 67 AufenthG, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, einer Zurückweisung, einer Zu­rückschiebung oder einer Abschiebung in den Jahren von 2015 bis 2020 angefal­len sind, mussten in den Fällen, bei denen die Stadt Gelsenkirchen die Kosten nicht eintreiben konnte, diese von der Stadt Gelsenkirchen bzw. dem Land NRW übernommen werden? (Bitte differenziert nach Kostenbestandteil, Jahr und Summe auflisten)

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Statistische Daten im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor. Sie kön­nen auch nicht mit vertretbarem zeitlichen und personellen Aufwand ermittelt werden.

Für den Zeitraum von August 2016 bis 2020 würde dies eine händische Auswertung von über 1000 Einzelvorgängen erfordern, in denen die Ausländerbehörde Gelsenkirchen als Kosten­träger hinterlegt ist. Für das Jahr 2015 und die ersten sieben Monate des Jahres 2016 müssten darüber hinaus zunächst sämtliche Erstattungsvorgänge nach Vorgängen der Ausländerbe­hörde Gelsenkirchen manuell durchgesehen werden.

  1. Wie viele Abschiebungen bzw. Dublin-Rücküberstellungen gab es in den Jahren von 2015 bis 2020 im Zuständigkeitsbereich der kommunalen Ausländerbehörde Gelsenkirchen? (Bitte nach Jahr und Anzahl differenziert auflisten)

Für den Zeitraum 2015 bis Juni 2019 liegen der Landesregierung keine Daten im Sinne der Fragestellung vor. Für den Zeitraum Juli 2019 bis 2020 hat die kommunale Ausländerbehörde Gelsenkirchen folgende Anzahl von Abschiebungen und Dublin-Rücküberstellungen gemel­det:

Zeitraum Rückführungen davon Dublin-Überstellungen
Juli Dezember 2019

67

29

2020

102

21

 

  1. In welchem Umfang konnten in den Jahren von 2015 bis 2020 im Zusammenhang mit Kostenforderungen gemäß § 66 AufenthG im Zuständigkeitsbereich des Aus­länderbüros Gelsenkirchen Forderungen erfolgreich eingetrieben werden? (Bitte differenziert nach Jahr und Summe auflisten)

Für das Jahr 2015 können keine Angaben gemacht werden, da das bis 2015 genutzte System eine entsprechende Auswertung technisch nicht vornehmen konnte und eine manuelle Aus­wertung sämtlicher Vorgänge mit vertretbarem zeitlichen und personellen Aufwand nicht mög­lich ist.

Im Zeitraum von 2016 bis 2020 wurden entsprechende Zahlungseingänge der Ausländerbe­hörde Gelsenkirchen bei der Bezirksregierung Düsseldorf in folgender Höhe erfasst:

Jahr Summe
2016 331,59 Euro
2017 253,95 Euro
2018 2092,48 Euro
2019 116,29 Euro
2020 12,44 Euro

 

Es wird darauf hingewiesen, dass diese Einnahmen aus älteren Fällen resultieren können und daher nicht zwangsläufig Kosten aus dem jeweiligen Jahr gegenüberstehen.

  1. Wie hoch waren in den Jahren von 2015 bis 2020 die Gesamtkosten im Zusam­menhang mit der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, einer Zurückwei­sung, einer Zurückschiebung oder einer Abschiebung im Zuständigkeitsbereich des Ausländerbüros Gelsenkirchen? (Bitte differenziert nach Jahr und Summe auflisten)

Auf die Antwort zu Fragen 1 und 2 wird verwiesen.

Darüber hinaus sind Personalaufwendungen der Ausländerbehörden keine erstattungspflich­tigen Kosten der Abschiebung im Sinne von § 45 Abs. 2 Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen. Die Kosten der Kommunen für Organisation und Personal werden durch das Ge-meindefinanzierungsgesetz pauschal abgedeckt. Auch vor diesem Hintergrund können zu den Gesamtkosten keine Angaben gemacht werden.

 

Antwort als PDF