Essen: Missbrauchsvorfall zwischen Kindern in Klassenchat verbreitet – Was sind die Hintergründe?

Kleine Anfrage
vom 16.04.2024

Kleine Anfrage 3691

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Essen: Missbrauchsvorfall zwischen Kindern in Klassenchat verbreitet Was sind die Hintergründe?

In Essen kam es zu einem mutmaßlichen Missbrauchsvorfall, bei dem ein Junge seine jüngere Schwester sexuell missbraucht haben soll. Die Tat wurde dabei mit einem Smartphone gefilmt und im Anschluss in einem Klassenchat einer Oberhausener Realschule verbreitet. Die sich in dieser Chat-Gruppe befindenden Schüler haben sich nach Erhalt des Videos umgehend an ihre Eltern gewandt, welche die Polizei alarmierten. Aufgrund dessen wurde in diesem Fall die „Besondere Aufbauorganisation“1 (BAO) mit dem Namen Herkules tätig. Diese BAO wurde speziell dafür eingerichtet, um Kinderpornografie und andere Formen sexueller Gewalt gegen Kinder gezielter verfolgen zu können. Dabei sollen die Ermittler des Teams dafür Sorge tragen, dass größere Mengen an Daten bezüglich kinderpornographischer Inhalte schneller ausgewertet werden können.2

Noch sei laut dem Medienbericht nicht endgültig geklärt, ob der Schüler das Video selbst in dem Klassenchat verbreitet hat. Nach Angaben der Polizei soll es sich in jenem Video nach aktuellem Ermittlungsstand um die missbrauchte Schwester des Schülers handeln. Beide Beteiligten seien außerdem in einem Alter von unter 14 Jahren. Zudem wurden die Behörden informiert, um Maßnahmen zu ergreifen, da die beiden Kinder zurzeit noch im selben Haushalt leben sollen.

Nun warnt die Polizei aufgrund des aktuellen Vorfalls davor, dass man sich nicht nur durch den Erwerb und das Verbreiten von Missbrauchsdarstellungen strafbar macht, sondern auch durch das Besitzen dieser Inhalte. Aus diesem Grund machen sich Jugendliche ab einem Alter von 14 Jahren schon dadurch strafbar, wenn sie kinderpornographische Inhalte auch unaufgefordert in Chats zugesendet bekommen. Deshalb rät die Polizei, dass Fotos und Videos mit Missbrauchsdarstellungen umgehend gemeldet und keinesfalls kommentiert oder weitergeleitet werden sollten. Außerdem sollte in solchen Fällen unverzüglich aus solchen Gruppen ausgetreten werden.3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Liegen in der Familie der Beteiligten bereits Missbrauchsfälle in der Vergangenheit vor? (Wenn ja, bitte nach Jahr und Art des Missbrauchs aufschlüsseln.)
  3. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr zu Missbrauchsfällen gegen Kinder und Jugendliche in Essen? (Bitte nach Delikt sowie und Nationalität der Tatverdächtigen aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  4. Welches Alter haben die für die in Frage 3 abgefragten Missbrauchsfälle verantwortlichen Tatverdächtigen?
  5. Welches Geschlecht haben die für die in Frage 3 abgefragten Missbrauchsfälle verantwortlichen Tatverdächtigen?

Markus Wagner

 

MMD18-8902

 

1 https://www.bild.de/regional/essen/regional/essen-junge-filmt-missbrauch-seiner-schwester-video-im-klassenchat-87597496.bild.html.

2 Ebenda.

3 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3691 mit Schreiben vom 23. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Als Datenbasis für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung dient die Poli­zeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfas­sung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskrimi­nalamt Nordrhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssicherungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten derzeit bis zum Berichtsjahr 2023 qualitätsgesichert vor.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er­mittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vor­namen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Duisburg hat dem Ministerium der Justiz unter dem 25.04.2024 nebst Randbericht des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 29.04.2024 im Wesentlichen berichtet, Gegenstand des aufgrund Strafunmündigkeit eingestellten Verfahrens seien die Tatbestände der Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern sowie des Herstellens und Besitzes kinderpornographischer Inhalte gewesen. Bei der verdächtigen Person habe es sich um ein Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit gehan­delt. Nach der berichteten Verdachtslage hat es im Februar 2024 an seiner kindlichen Schwes­ter gegen deren Willen sexuelle Handlungen durchgeführt und von dieser durchführen lassen, wobei er das Geschehen in einem Fall gefilmt und das Video an mindestens einen Mitschüler übermittelt hat.

Von der Mitteilung weiterer personenbezogener Angaben wird unter Abwägung des parlamen­tarischen Informationsinteresses mit den allgemeinen Persönlichkeitsrechten des kindlichen Beschuldigten sowie der Unschuldsvermutung abgesehen. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass wegen der zeitlichen und örtlichen Eingrenzung der Tat und weiterer, auch presseöffentlicher Angaben zu dem Vorfall eine Identifizierbarkeit der Betroffenen wahr­scheinlich oder jedenfalls möglich erscheint.

  1. Liegen in der Familie der Beteiligten bereits Missbrauchsfälle in der Vergangen­heit vor? (Wenn ja, bitte nach Jahr und Art des Missbrauchs aufschlüsseln.)

Nach dem vorgenannten Bericht der Leitenden Oberstaatsanwältin in Essen sind in der Fami­lie der Beteiligten in der Vergangenheit keine Missbrauchsfälle aktenkundig geworden.

  1. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr zu Missbrauchsfällen gegen Kinder und Jugendliche in Essen? (Bitte nach Delikt sowie und Nationalität der Tatver­dächtigen aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)

Die Fallzahlen der Stadt Essen für die einzelnen Jahre bitte ich der folgenden Tabelle zu ent­nehmen:

Jahr Fälle
2015 59
2016 70
2017 63
2018 60
2019 68
2020 84
2021 132
2022 153
2023 163

 

  1. Welches Alter haben die für die in Frage 3 abgefragten Missbrauchsfälle verant-
    wortlichen Tatverdächtigen?

Die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen, differenziert nach Altersgruppen, bitte ich der fol-enden Tabelle zu entnehmen:

Tatverdächtige nach Altersgruppen
Jahr Insgesamt Kinder Jugendliche Heranwachsende Erwachsene
2015 52 5 11 6 30
2016 57 7 14 6 30
2017 50 3 7 4 36
2018 48 0 4 5 39
2019 61 7 11 4 39
2020 69 2 10 11 46
2021 108 8 18 6 76
2022 122 10 21 9 82
2023 118 10 25 6 77

 

  1. Welches Geschlecht haben die für die in Frage 3 abgefragten Missbrauchsfälle verantwortlichen Tatverdächtigen?

Die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen, differenziert nach Geschlecht für die einzelnen Jahre, bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen:

Tatverdächtige nach Geschlecht
Jahr Insgesamt Männlich Weilblich
2015 52 51 1
2016 57 53 4
2017 50 49 1
2018 48 47 1
2019 61 58 3
2020 69 64 5
2021 108 104 4
2022 122 115 7
2023 118 106 12

 

MMD18-9321

Beteiligte:
Markus Wagner