Kleine Anfrage 3755
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
Essen: Sexuell missbrauchte 14-Jährige am Hauptbahnhof aufgegriffen?
In der Nacht auf Samstag, den 6. April 2024, konnte bei einer Polizeikontrolle am Essener Hauptbahnhof ein Mann gestellt werden, der mutmaßlich kinderpornographische Inhalte mit sich führte. Um etwa 02:20 Uhr kontrollierten die Beamten der Bundespolizei den 24-jährigen Verdächtigen, der von einem minderjährigen Mädchen begleitet wurde. Nachdem die beiden Personen widersprüchliche Aussagen dazu machten, in welcher Beziehung sie zueinander stehen, fanden die Beamten durch Ermittlungen heraus, dass das 14-jährige Mädchen zur Ingewahrsamnahme ausgeschrieben war. Aufgrund dessen wurden beide zur Klärung des Sachverhalts auf die Bundespolizeiwache am Hauptbahnhof begleitet.1
Die Ermittler fanden heraus, dass der wohnungslose 24-Jährige bereits im Vorfeld wegen Kindesmissbrauch polizeilich in Erscheinung getreten war. Im weiteren Verlauf beteuerte der mutmaßlich deutsche Tatverdächtige, dass es sich lediglich um eine freundschaftliche Beziehung mit der Minderjährigen handele. Als er den Ermittlern dann Chatverläufe vorlegte, die dies belegen sollten, fanden die Beamten auf dem Smartphone Bilder von Kindern, die in Unterwäsche oder gar unbekleidet posierten. Zudem ging aus dem Chatverlauf hervor, dass der Mann das Mädchen zu Küssen aufforderte und ihr „Bildmaterial mit pornographischen Inhalten“2 gesendet haben soll. Überdies zeigten Überwachungskameras, wie der Verdächtige das Mädchen auf den Mund küsste. In Folge dieser Anschuldigungen machte der 24-Jährige keine weiteren Aussagen und wurde in Absprache mit der Kriminalwache in Essen festgenommen. Auch das Telefon wurde zu Auswertungszwecken beschlagnahmt. Die Bundespolizei leitete ein Verfahren wegen der Verbreitung kinderpornographischer Inhalte und sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen ein. Des Weiteren wurde das zuständige Jugendamt über die Geschehnisse in Kenntnis gesetzt und das ebenfalls wohnungslose Mädchen in eine Jugendschutzstelle gebracht.3
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tatverdächtigen, Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
- Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr in NRW zu Sexualdelikten an Bahnhöfen, Bahnsteigen oder Bushaltestellen? (Bitte nach Ort, Anzahl der Täter sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
- Bei wie vielen dieser Vorfälle handelte es sich bei den Opfern um Jugendliche oder Kinder? (Bitte nach Ort, Anzahl der Täter sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
- Wie viele Jugendliche in NRW sind derzeit Schätzungen zufolge obdachlos?
Markus Wagner
2 Ebenda.
3 Ebenda.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3755 mit Schreiben vom 27. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und dem Minister der Justiz.
Vorbemerkung der Landesregierung
Als Datenbasis zur Beantwortung der Fragen zur Kriminalitätsentwicklung dient die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssiche-rungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten – auch im Zusammenhang mit Sexualdelikten – derzeit bis zum Berichtsjahr 2023 qualitätsgesichert vor.
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tatverdächtigen, Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
Die Leitende Oberstaatsanwältin in Essen hat dem Ministerium der Justiz unter dem 30.04.2024 im Wesentlichen berichtet, Gegenstand des in der Kleinen Anfrage in Bezug genommen und aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten vorläufig eingestellten Verfahrens seien die Tatbestände der Verbreitung und des Besitzes jugendpornographischer Inhalte. Ein darüber hinausgehender Anfangsverdacht wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen habe sich nicht ergeben. Der zur Fahndung ausgeschriebene Beschuldigte sei deutscher Staatsangehöriger und wegen Erschleichens von Leistungen vorbestraft.
Nach dem vorgenannten Bericht stehe der Beschuldigte in Verdacht, in der Nacht des 06.04.2024 am Essener Hauptbahnhof mehrere jugend-pornographische Bilder besessen und solche an eine 14-jährige Jugendliche übersandt zu haben.
Von Angaben zu dem Vornamen des Beschuldigten wird unter Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten sowie der Unschuldsvermutung abgesehen. Wegen der zeitlichen und örtlichen Eingrenzung der Tat und weiterer, auch presseöffentlicher Angaben zu dem Verfahren wäre der Beschuldigte bei Nennung seines Vornamens identifizierbar bzw. würde die Gefahr der Identifizierbar-keit erheblich erhöht. Dem parlamentarischen Informationsinteresse, das nicht der konkreten Strafverfolgung einzelner Personen gilt, sondern der Regierungskontrolle und Gesetzgebung dient, wird durch die weiteren Angaben zum Sachstand entsprochen.
- Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr in NRW zu Sexualdelikten an Bahnhöfen, Bahnsteigen oder Bushaltestellen? (Bitte nach Ort, Anzahl der Täter sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
Zur Darstellung der Sexualdelikte wurden die Fallzahlen der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung insgesamt ausgewertet. Die angefragten Tatörtlichkeiten werden mit Ausnahme der Tatörtlichkeit „Bushaltestelle“, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik in der Kategorie „Haltestelle öffentliches Verkehrsmittel“ erfasst wird, seit dem Berichtsjahr 2018 differenziert erhoben.
Die durch die Bundespolizei gemeldeten Straftaten werden erst seit dem Berichtsjahr 2020 in Bezug zu den Tatörtlichkeiten des Öffentlichen Personenverkehrs in der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen erfasst. Insofern sind die Berichtsjahre 2018 und 2019 statistisch nur eingeschränkt mit den Berichtsjahren ab 2020 vergleichbar.
Die Fallzahlen der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung insgesamt bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen.
Tatörtlichkeit | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 |
Bahnhof | 151 | 150 | 149 | 138 | 283 | 331 |
Bahnsteig | 10 | 5 | 12 | 40 | 99 | 72 |
Haltestelle öffentliches Verkehrsmittel | 181 | 129 | 138 | 120 | 150 | 235 |
Fälle insgesamt | 342 | 284 | 299 | 298 | 532 | 638 |
- Bei wie vielen dieser Vorfälle handelte es sich bei den Opfern um Jugendliche oder
Kinder? (Bitte nach Ort, Anzahl der Täter sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
Die Anzahl der zu Frage 2 insgesamt dargestellten Fälle, bei denen mindestens ein Kind oder Jugendlicher Opfer war, bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen.
Jahr | Fälle |
2018 | 149 |
2019 | 119 |
2020 | 119 |
2021 | 119 |
2022 | 198 |
2023 | 224 |
- Wie viele Jugendliche in NRW sind derzeit Schätzungen zufolge obdachlos?
In der integrierten Wohnungsnotfall-Berichterstattung des Landes Nordrhein-Westfalen werden jährlich zum Stichtag 30. Juni ausschließlich die von den Kommunen ordnungsrechtlich untergebrachten wohnungslosen Personen und solche, die über die freien Träger der Woh-nungslosenhilfe untergebracht oder den Fachberatungsstellen als wohnungslos bekannt sind, erfasst. Um Daten über verdeckt wohnungslose bzw. obdachlose Menschen zu gewinnen, wurde im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Jahre 2021 in ausgewählten Kommunen in Nordrhein-Westfalen eine Befragung dieser Personengruppen durchgeführt. Im Befragungszeitraum 01.07.2021 bis 07.07.2021 wurden insgesamt 1.732 Personen befragt, von denen lediglich 13 Befragte (0,8 Prozent) minderjährig waren. 11 Befragte waren dabei Wohnungslose ohne Unterkunft und zwei Befragte verdeckt wohnungslos.
Die Ergebnisse der Befragung wurden vorsichtig auf Nordrhein-Westfalen hochgerechnet. Danach lebten zu diesem Zeitpunkt geschätzt rd. 5.300 Menschen obdachlos auf der Straße, darunter schätzungsweise ca. 60 Personen unter 18 Jahre.