Fachkräfteoffensive im SPNV: Fragen zur Beschäftigungsoffensive der Landesregierung

Kleine Anfrage
vom 20.09.2023

Kleine Anfrage 2609

des Abgeordneten Klaus Esser AfD

Fachkräfteoffensive im SPNV: Fragen zur Beschäftigungsoffensive der Landesregierung

Am 13.09.2023 verkündete der NRW-Verkehrsminister auf der Landespressekonferenz, dass die Landesregierung zusammen mit den Unternehmen und Verbänden der Branche des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) die bisherige Beschäftigungsoffensive ausweiten und den ÖPNV dadurch leistungsstärker, verlässlicher und vernetzter machen möchte.1 Wenn aber nach den letzten Erhebungen allein in diesem Jahr noch 150 Lokführer fehlen und im Rahmen der nun ausgelobten Beschäftigungsoffensive für diese Berufsgruppe nur Qualifizierungen mit rund 100 Kursplätzen bereitgestellt werden, wird allein hier schon eine Lücke von 33 Prozent erkennbar – von der offensichtlich bereits jetzt im kommenden Jahr ausgegangen wird. Eine vollständige Bedarfsabdeckung wird somit auch im Rahmen der Beschäftigungsoffensive als illusorisch eingestuft. Warum im Rahmen der Werbung von Fachkräften als einer der Bausteine der „Ausbau des Angebots von Sprachkursen für Migrantinnen und Migranten“ explizit erwähnt wird, ist diskussionswürdig, da die Kommunikation in der Landessprache Deutsch Grundvoraussetzung sein sollte, um als Fachkraft (bspw. als Lokomotivführer) in Deutschland zu wirken.

Erklärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang auch, weshalb sich die Krankenstände bei Lokführern sowie Kundenbetreuern im vergangenen Jahr im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie nahezu verdoppelt haben und jetzt bei 15 Prozent liegen. Auch die Verdopplung bei der Fluktuation des Personals auf zum Teil 7 bis 8 Prozent pro Jahr muss Anlass zur Sorge bereiten; vor der Pandemie waren rund vier Prozent branchenüblich. Hier sollten die Gründe sehr genau erfragt und evaluiert werden. Ob dies geschehen ist, bleibt abzuwarten

Daher frage ich die Landesregierung:

  1. Warum werden im Rahmen der sog. „Offensive für Fachkräfte“ nur für zusätzliche 100 Triebfahrzeugführer Qualifizierungen angeboten, obwohl doch der tatsächliche Bedarf im selben Atemzug mit 150 beziffert wird?
  2. Welchen genauen Anteil am Gesamtpaket der „Offensive für Fachkräfte“ hat der „Ausbau des Angebots von Qualifizierungsmaßnahmen für Migrantinnen und Migranten“?
  3. Sollten Triebfahrzeugführer und Kundenbetreuer nicht schon vor einer diesbezüglichen Fachqualifizierung über hinreichende Sprachkompetenzen mitbringen?
  4. Welches sprachliche Niveau haben weiterqualifizierte „Migrantinnen und Migranten“ vor und nach Abschluss der Maßnahme?
  5. Inwiefern verschafft sich die Landesregierung ein genaueres Bild vom nahezu verdoppelten Krankenstand bei Lokführern und Kundenbetreuern, der offenbar bei 15 Prozent Ausfällen liegt bzw. immer weiter zugenommen hat?

Klaus Esser

 

MMD18-6023

 

1 https://www.land.nrw/pressemitteilung/minister-krischer-offensive-fuer-fachkraefte-im-oeffentlichen-verkehr


Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 2609 mit Schrei­ben vom 27. Oktober 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.

  1. Warum werden im Rahmen der sog. ”Offensive für Fachkräfte” nur für zusätzliche 100 Triebfahrzeugführer Qualifizierungen angeboten, obwohl doch der tatsächli­che Bedarf im selben Atemzug mit 150 beziffert wird?

Die Beschäftigungsoffensive versteht sich als ergänzende, unternehmensübergreifende Maßnahme zur Stärkung der unternehmenseigenen Ausbildungsmaßnahmen der NRW Nahverkehrsbahnen, die unabhängig davon auch in 2023/2024 fortgesetzt werden. Die Bes­chäftigungsoffensive zielt also nicht auf die Deckung des gesamten Personalbedarfs, sondern sorgt für die Unterstützung der Ausbildung und für die Qualifizierung von zusätzlichem Per­sonal.

  1. Welchen genauen Anteil am Gesamtpaket der “Offensive für Fachkräfte” hat der “Ausbau des Angebots von Qualifizierungsmaßnahmen für Migrantinnen und Mi-granten”?

Bei den Qualifizierungsmaßnahmen für Migrantinnen und Migranten handelt es sich um ein Programm, das im Rahmen der Integration dieser Zielgruppe in den Arbeitsmarkt von Jobcen­tern und Arbeitsagenturen finanziert und von Fokus Bahn NRW gesteuert und betreut wird. Das im Rahmen dieses Projekts qualifizierte Personal ist nicht Teil der im Rahmen der Bes­chäftigungsoffensive geplanten 100 Ausbildungsplätze für Triebfahrzeugführerinnen und -füh-rer, sondern steht den Bahnunternehmen zusätzlich zur Verfügung.

  1. Sollten Triebfahrzeugführer und Kundenbetreuer nicht schon vor einer diesbezüglichen Fachqualifizierung über hinreichende Sprachkompetenzen mit­bringen?

Alle Triebfahrzeugführerinnen und -führer und die Kundenbetreuerinnen und -betreuer ver­fügen vor Beginn der Ausbildung bei den NRW-Nahverkehrsbahnen über ein Sprachlevel von mindestens B1, ihre sprachlichen Fähigkeiten werden darüberhinaus in entsprechenden Ein-stiegstests geprüft. Für die Qualifizierung zur Triebfahrzeugführerin bzw. zum Triebfahr­zeugführer werden zusätzlich vorbereitende Trainings in der Eisenbahnfachsprache durch­geführt, in denen berufsspezifische Alltagssituationen, wie beispielsweise Kommunikation per Funk mit Fahrdienstleitung und Disposition, eingeübt werden.

  1. Welches sprachliche Niveau haben weiterqualifizierte “Migrantinnen und Migran-ten” vor und nach Abschluss der Maßnahme?

Das Sprachlevel vor der Ausbildung liegt bei mindestens B1. Bei Triebfahrzeugführerinnen und -führern ist dies gesetzlich vorgeschrieben. Während der Ausbildung werden die eisen­bahnspezifischen fachsprachlichen Kenntnisse erworben, die zur Absolvierung der Ausbild­ung und zur Ausübung des Berufs erforderlich sind, aber nicht zwingend Einfluss auf das allge­meine Sprachniveau haben.

  1. Inwiefern verschafft sich die Landesregierung ein genaueres Bild vom nahezu verd­oppelten Krankenstand bei Lokführern und Kundenbetreuern, der offenbar bei 15 Prozent Ausfällen liegt bzw. immer weiter zugenommen hat?

Um sich ein genaues Bild von den Ursachen dieser erhöhten Krankenstände zu verschaffen und mögliche Gegenmaßnahmen zu entwickeln, hat die Landesregierung im Rahmen von Fokus Bahn NRW vor einigen Monaten eine Belastungsstudie durchgeführt. Im Zuge der Befragung von knapp 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller NRW-SPNV-Unternehmen wurde deren Einschätzung zu den zentralen Belastungsfaktoren im Berufsalltag erhoben, die zur Erhöhung von Krankenständen und Fluktuation führen.

 

MMD18-6606

Beteiligte:
Klaus Esser