Fehlbelegung von Sozialwohnungen

Kleine Anfrage
vom 16.04.2024

Kleine Anfrage 3700

des Abgeordneten Carlo Clemens

Fehlbelegung von Sozialwohnungen

Laut NRW.Bank waren 2022 rund 8,6 Prozent aller Geschosswohnungen in Nordrhein-Westfalen preisgebunden. Das entsprach rund 434.000 öffentlich geförderten Mietwohnungen. In den kommenden Jahren wird die Belegungsbindung unzähliger Sozialwohnungen ablaufen. Zugleich suchen viele Menschen vergeblich nach preisgebundenen Mietwohnungen. Die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich, gerade in Ballungsräumen. Umso wichtiger ist es, Fehlbelegungen durch Mieter, deren Einkommenssituation sich seit ihrem Einzug merklich gebessert hat, zu vermeiden bzw. von diesen finanziell ausgleichen zu lassen. Für eine wirtschaftliche Haushaltsführung ist die Kenntnis der Zahl und der Struktur der Fehlbelegungen angesichts der in den letzten Jahren deutlich angestiegenen Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau und der gestiegenen Förderbarwerte pro Wohnung von elementarer Bedeutung.

Die Datengrundlage der NRW.Bank zum Aufspüren solcher Fehlbelegungen ist allerdings lückenhaft. Ihre Berichte enthalten lediglich Aussagen über die Zu- und Abgänge aus dem preisgebundenen Bestand sowie zu den erteilten Wohnberechtigungsscheinen und sozialen Merkmalen der betreffenden Haushalte.

Laut dem „Bericht preisgebundener Wohnungsbestand 2022“1 der NRW.Bank und des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung wurde in diesem Jahr knapp jede fünfte Mietwohnung kontrolliert. Bei ca. 10 Prozent der kontrollierten Wohnungen wurden Verstöße festgestellt. Daraus sind aber keine Rückschlüsse auf das Ausmaß der Fehlbelegung möglich, da nur die Berechtigung zum Bezugsdatum geprüft wird.

Weiterhin gibt es eine Aussage in einer Präsentation der NRW.Bank2, dass rund 50 Prozent aller Haushalte sowie 80 Prozent der Seniorenhaushalte die Einkommensgrenzen einhalten. Daraus könnte man folgern, dass rund die Hälfte der geförderten Haushalte die Einkommensgrenzen nicht einhalten.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie hoch ist die Zahl der preisgebundenen Wohnungen in NRW, die derzeit aufgrund einer Überschreitung der Einkommensgrenzen der Bewohner fehlbelegt sind?
  2. Wie viele preisgebundene Wohnungen in NRW wurden in den letzten fünf Jahren hinsichtlich einer Fehlbelegung aufgrund von Einkommensveränderungen kontrolliert?
  3. Welche Institutionen führen Kontrollen bzw. Datenerhebungen zu einer möglichen Fehlbelegung aufgrund von Einkommensveränderungen durch?
  4. Wie kann gewährleistet werden, dass Daten zu einer möglichen Fehlbelegung aufgrund von Einkommensveränderungen oder Haushaltsverkleinerungen differenziert nach Altersgruppen, Kinderzahl, sozialem Status, Einkommen, Dauer der Fehlbelegung etc. regelmäßig und flächendeckend für ganz NRW erhoben werden?
  5. Welche Kosten würden solche differenzierten periodischen Erhebungen nach Einschätzung der Landesregierung verursachen?

Carlo Clemens

 

MMD18-8911

 

1 Vgl. https://www.nrwbank.de/export/.galleries/downloads/Research/NRW.BANK_Preisgebundener_Wohnungsbestand_2022. pdf.

2 Vgl. NRW.Bank: Wohnraumförderung NRW: Aktuelles zur Förderung, 23.3.2023.


Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung hat die Kleine Anfrage 3700 mit Schreiben vom 28. Mai 2024 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie hoch ist die Zahl der preisgebundenen Wohnungen in NRW, die derzeit auf­grund einer Überschreitung der Einkommensgrenzen der Bewohner fehlbelegt sind?
  2. Wie viele preisgebundene Wohnungen in NRW wurden in den letzten fünf Jahren hinsichtlich einer Fehlbelegung aufgrund von Einkommensveränderungen kon­trolliert?
  3. Welche Institutionen führen Kontrollen bzw. Datenerhebungen zu einer möglichen Fehlbelegung aufgrund von Einkommensveränderungen durch?
  4. Wie kann gewährleistet werden, dass Daten zu einer möglichen Fehlbelegung auf­grund von Einkommensveränderungen oder Haushaltsverkleinerungen differen­ziert nach Altersgruppen, Kinderzahl, sozialem Status, Einkommen, Dauer der Fehlbelegung etc. regelmäßig und flächendeckend für ganz NRW erhoben wer­den?

Die Fragen 1 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Im Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) ist eine Einkommensprüfung zur Erteilung eines Wohnberechtigungsscheines (WBS) vorgesehen, unter dessen Vorlage eine mit Hilfe von Fördermitteln errichtete Wohnung bezogen werden kann. Soweit eine Wohnung unter Vorlage eines gültigen WBS bezogen wurde, ist das Belassen des Wohnraums nicht von weiteren Einkommensprüfungen abhängig. Die Wohnung gilt für die Dauer des Mietverhältnisses als berechtigt bezogen und genutzt.

Die zuständigen Stellen haben die Einhaltung der sozialen Bindungen im geförderten Wohn­raum sicherzustellen. Dazu gehören unter anderem die Erhebung von Daten zu den woh­nungssuchenden Haushalten und zum preisgebundenen Bestand sowie die Kontrolle der Wohnungen hinsichtlich der berechtigten Mieterinnen und Mieter und des Unterhaltungszu­stands der Gebäude. Für diese Tätigkeit erhalten die zuständigen Stellen einen Verwaltungs-kostenbeitrag. Eine Kontrolle muss nach den Wohnraumnutzungsbestimmungen regelmäßig erfolgen. Die Kontrolltätigkeit ist ausreichend, wenn innerhalb von drei Jahren oder bei Nut­zung von elektronischen Meldesystemen innerhalb von zehn Jahren der gesamte Wohnungs­bestand einmal kontrolliert wurde.

Im Jahr 2022 wurden durch die zuständigen Stellen rund 61.800 örtliche und rund 19.300 sonstige Kontrollen (zum Beispiel Prüfung von Mieter-verzeichnissen) durchgeführt. Durch die Aufhebung der im Erlass zur Durchführung von Kontrollen unter Berücksichtigung der Kon­taktbeschränkungen im Zuge der SARS-CoV-2-Pandemie getroffenen Regelungen haben im Jahr 2022 wieder mehr örtliche Kontrollen stattgefunden. Insgesamt sind 18,7 Prozent der kontrollpflichtigen Wohnungen kontrolliert worden. Im gesamten preisgebundenen Mietwoh­nungsbestand wurden circa 8.000 Verstöße festgestellt oder durch die zuständigen Stellen gemeldet.

Bei rund 6.500 Wohnungen wurden Bereinigungsmaßnahmen eingeleitet und hiervon bei etwa 5.000 Wohnungen bis zum Meldestichtag abgeschlossen. Bei 50,5 Prozent der Wohnungen, bei denen ein Verstoß vorlag, fehlte der Wohnberechtigungsschein. 22,7 Prozent der Verstöße waren mietpreisrechtlich.

Rund 1.400 aller preisgebundenen Wohnungen standen im Jahr 2022 leer. Das entspricht einem Anteil von knapp 0,3 Prozent. Damit ist die Leerstandsquote weiter leicht gesunken (2021: 0,4%). In rund 1.100 Fällen wurde eine Bereinigung eingeleitet und in knapp 1.000 Fällen bereits abgeschlossen (Quelle: Preisgebundener Wohnungsbestand 2022 – NRW.BANK).

  1. Welche Kosten würden solche differenzierten periodischen Erhebungen nach Ein­schätzung der Landesregierung verursachen?

Die Ermittlung des Haushaltseinkommens ist der Prüfungsbestandteil bei der Beantragung eines Wohnberechtigungsscheines, der den zeitlichen und fachlich größten Aufwand bei den zuständigen Stellen auslöst.

Der Wohnberechtigungsschein gilt in der Regel für ein Jahr ab dem Tag, an dem er ausgestellt wurde. Von den 6.500 Wohnungen, bei denen im Jahr 2022 durch die zuständigen Stellen Bereinigungsmaßnahmen eingeleitet wurden, fehlte in etwas über der Hälfte der Wohnberech­tigungsschein (siehe Ausführungen oben). Insofern wird – annahmegemäß – davon ausgegan­gen, dass die Mieterinnen und Mieter die für die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins erforderlichen Einkommenshöhen im Positiven haben verlassen können.

Aufgrund der jahresbezogenen Gültigkeit des Wohnberechtigungsscheins stellt diese Vorge­hensweise eine bürokratiearme und zugleich effiziente Methode dar, um Fehlbelegungen in­folge eines fehlenden Wohnberechtigungsscheins identifizieren zu können.

Die Einführung einer differenzierten periodischen Erhebung unter den in Frage 4 in Verbindung mit Frage 5 benannten Kriterien würde hingegen – abhängig von dem gewählten Prüfungsin­tervall und der Menge der im jeweiligen Zuständigkeitsbereich vermieteten geförderten Woh­nungen – ein Vielfaches an bürokratisch aufwändigen Einkommensprüfungen sowie Prüfun­gen und Ermittlungen der Haushaltsangehörigkeit für die zuständigen Stellen bedeuten.

 

MMD18-9374

Beteiligte:
Carlo Clemens