Kleine Anfrage 5261der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 01.04.2021
Feststellung der Identität von Personen, die in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Bochum registriert werden
Im Rahmen der Kleinen Anfrage 5079 fragten wir nach dem Anteil der Personen, die bei der Registrierung in der LEA ihre Identität, hier insbesondere ihre Nationalität, nicht durch ein geeignetes Ausweisdokument verifizieren können.
Die ausbleibende Antwort begründete die Landesregierung damit, dass die Verifizierung der Echtheit der Dokumente im Rahmen einer physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung allein dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) obliegt.
Deswegen würde in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Bochum keine Statistik darüber erhoben, wie viele Personen mit Dokumenten vorstellig werden. Zudem erhielte die Landesregierung nach eigener Aussage auch im Nachgang keine Daten über die Ergebnisse einer beim BAMF im Rahmen des Asylverfahrens durchgeführten Verifizierung der Echtheit dieser Dokumente.
Diese Aussagen stehen im Widerspruch zu früheren Darstellungen der Landesregierung.
So heißt es etwa in der Antwort auf die Kleine Anfrage 6711:
„Im Rahmen des Aufnahmeprozesses erfolgen u.a. eine Überprüfung durch Fast-ID im Hinblick auf strafrechtliche Erkenntnisse sowie eine Identitätsklärung und Sicherheitsüberprüfung nach Maßgabe von § 73 Abs. 1 a AufenthG.“
In der Antwort auf die Kleine Anfrage 2126 wird erklärt2:
„In der LEA findet eine Sicherheitsüberprüfung der ankommenden Personen bei ihrem Erstantreffen in Nordrhein-Westfalen statt. Außerdem können in der LEA unbegleitete Minderjährige und besonders vulnerable Personen noch vor einer Verteilung identifiziert werden. Diese Prozessabläufe in der LEA führen zu Einsparungen von Kosten, ermöglichen eine frühzeitige fachgerechte Betreuung von Personen mit Sonderbedarfen und dienen der öffentlichen Sicherheit.“
Die Bezirksregierung Arnsberg schreibt dazu3:
„In der LEA werden die persönlichen Daten der Asylsuchenden in ein Computersystem eingegeben. Mit einer Sofort-Abfrage (Fast-ID) wird festgestellt, ob zu einer Person bereits Daten vorhanden sind. Anschließend werden die Asylsuchenden nach einem bundesweit festgelegten Verteilschlüssel den Bundesländern zugeteilt (EASY-Verfahren).“
Der Flüchtlingsrat NRW fasst die Aufgaben der LEA wie folgt zusammen4:
„Die LEA ist für die Prüfung der Identität der Schutzsuchenden zuständig (§ 16 Abs. 1a AsylG). Hierfür werden Fingerabdrücke abgenommen, Lichtbilder und Irisbilder gemacht. Wenn kein Identitätspapier vorhanden ist, können zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit auch Datenträger wie bspw. Handys ausgelesen werden.“
Es ist vor dem Hintergrund dieser Aussagen zumindest verwunderlich, dass, bezüglich dieser Identitätsklärungen, Sicherheitsüberprüfungen und der Erfassung der persönlichen Daten der Asylsuchenden in einer Landeseinrichtung, der Landesregierung – nach eigener Aussage – keine Daten vorliegen sollen.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche persönlichen Daten der Asylsuchenden werden im Rahmen der Identitätsklärung und der Sicherheitsüberprüfung in der LEA erfasst und ggf. anschließend für die Sofort-Abfrage genutzt?
- In welcher Form wird im Rahmen der Erfassung der persönlichen Daten festgehalten, ob sich die Personen ausweisen können, welches Ergebnis eine internationale Abfrage (z.B. auf Basis der Fingerabdrücke) erbringt, ob eine physikalisch-technische Urkundenuntersuchung durch das BAMF noch anhängig ist bzw. ob in der LEA ein neuer Datensatz auf Basis einer Eigenauskunft angelegt werden musste?
- Warum lassen sich nach Ansicht der Landesregierung die offensichtlich in der LEA erfassten Daten – abgesehen vom ggf. noch ausstehenden Ergebnis der physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung durch das BAMF – nicht dahingehend auswerten, ob sich die Identität und insbesondere die Nationalität des jeweiligen Asylbewerbers nachweisen ließ oder eben nicht?
- Bei wie vielen Erst- bzw. Folgeantragstellern, die in der LEA Bochum registriert wurden, konnte im Jahre 2020 die Identität nicht durch geeignete Ausweisdokumente oder eine internationale Abfrage (z.B. auf Basis der Finger-abdrücke) ermittelt werden? (Bitte Gesamtzahl der Erst- bzw. Folgeantragsteller sowie die Anzahl der Personen ohne geeignete Ausweisdokumente, ohne Ergebnis bei einer internationalen Abfrage sowie die Anzahl der Fälle, bei denen zum Zeitpunkt der Registrierung in der LEA noch eine physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung durch das BAMF anhängig war, angeben)
- Welches waren im Jahre 2020 die zehn häufigsten Herkunftsländer von Personen, bei denen in der LEA Bochum durch geeignete Ausweisdokumente oder durch eine internationale Abfrage die Identität und die Nationalität ermittelt werden konnte bzw. bei denen ein neuer Datensatz auf Basis einer Eigenauskunft angelegt werden musste? (Bitte die jeweilige Anzahl der Personen benennen – möglichst in Abhängigkeit vom späteren Ergebnis der physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung durch das BAMF)
Gabriele Walger-Demolsky
1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/1846
2 Vgl. Lt.-Drucksache 17/5657
3 Vgl. https://www.bra.nrw.de/integration-migration/fluechtlinge-nrw/informationen-fuer-buergerinnen/landeserstaufnahmeeinrichtung-nrw-lea
4 Vgl. https://www.frnrw.de/themen-a-z/landeserstaufnahmeeinrichtung-lea.html
Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 5261 mit Schreiben vom 4. Mai 2021 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Bochum durchgeführte Erfassung der dort vorstelligen Personen wird auf Angaben gestützt, welche durch die Asylbewerberinnen und Asylbewerber getätigt werden. Es wird im Rahmen des Prozesses durch die LEA nur erfasst, ob Dokumente vorliegen und welcher Art diese Dokumente sind. Die Verifizierung der Echtheit der Dokumente ist jedoch ausschließlich im Rahmen einer physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung möglich. Diese wird im Rahmen des Asylverfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchgeführt. Daten zu den Ergebnissen der Verifizierung der Echtheit der Dokumente im Rahmen des Asylverfahrens beim BAMF liegen dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration nicht vor.
Sofern zu den in der Kleinen Anfrage 5261 getätigten Ausführungen auf die Homepage des Flüchtlingsrats NRW Bezug genommen wird, wird darauf hingewiesen, dass eine Auswertung von mobilen Datenträgern im Rahmen des Asylverfahrens nicht durch das Land Nordrhein-Westfalen erfolgt. Für eine Auswertung von Datenträgern ist nach § 15 a Absatz 2 des Asylgesetzes (AsylG) ausschließlich das BAMF zuständig.
- Welche persönlichen Daten der Asylsuchenden werden im Rahmen der Identitätsklärung und der Sicherheitsüberprüfung in der LEA erfasst und ggf. anschließend für die Sofort-Abfrage genutzt?
Folgende persönlichen Daten der Asylsuchenden werden in der LEA erhoben:
Geschlecht, Familienstand, Name, Vorname, Geburtsdatum/-ort/-land, Staatsangehörigkeit, Volkszugehörigkeit, Religion, Sprachkenntnisse, Einreisedatum in die Bundesrepublik Deutschland und ob die Einreise alleine oder mit z. B. Familienangehörigen oder Lebensgefährtin/-en stattgefunden hat. Bei einer Registrierung als Familie erfolgt eine Aufstellung der Personen inklusive Erfassung des Verhältnisses zum Antragsteller oder zur Antragstellerin. Ebenfalls werden Angaben zu Familienangehörigen in Deutschland aufgenommen.
Bezüglich der vorhandenen Unterlagen der Asylsuchenden wird erfasst, welches Dokument vorgelegt werden konnte (Nationalpass, Reisepass, Grenzübertrittsbescheinigung, Passer-satzpapiere, Laissez Passez, Visa, Aufenthaltstitel aus anderen Ländern, sonstige Pässe) und ob sonstige Unterlagen, wie zum Beispiel ein Auszug aus dem Familienregister, Familienbücher, eine Meldebestätigung, Schreiben von Anwälten oder Kommunen oder eine Vater-schaftsanerkennung vorliegen.
Mittels der PIK (Personalisierungsinfrastruktur-Komponente) werden definierte Daten, sogenannte Kerndaten, im Rahmen der Erstregistrierung erfasst. Diese sind in § 16 Abs. 1 AsylG vorgegeben und umfassen Lichtbilder und Fingerabdrücke. Schon vor einer vollständigen Erstregistrierung kann über die Fast-ID-Abfrage durch die Abnahme lediglich zweier Fingerabdrücke ein Abgleich mit dem AFIS-System (Automatisiertes Fingerabdruck-Identifizierungs-system) des BKA durchgeführt werden. Hierbei kann ermittelt werden, ob die Person in Deutschland bereits bekannt ist. Unabhängig vom Vorliegen eines Fast-ID-Ergebnisses erfolgt eine manuelle Recherche im Ausländerzentralregister (AZR) unter Zuhilfenahme folgender – angegebener oder nachgewiesener – Daten: Familienname, Vorname, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Geschlecht und ggf. Geburtsort.
Die Sicherheitsabfrage nach § 73 Abs. 1a und 3a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bei den Sicherheitsbehörden wird über die PIK-Station automatisch angestoßen. Sollten „sonstige Sicherheitsbedenken“ gemeldet werden, werden die zuständigen Behörden informiert.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass mittels des Datenaustauschverbesserungsge-setzes von 2016 sowie des 2. Datenaustauschverbesserungsgesetzes von 2019 die Grundlagen dafür geschaffen wurden, um asyl- und ausländerrechtliche Daten frühestmöglich zu erfassen und den relevanten Stellen medienbruchfrei zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde der Informationsaustausch der Behörden über das Ausländerzentralregister ausgeweitet. Dadurch erfolgt eine weitere Verbesserung der Registrierung und des Datenaustauschs zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken.
- In welcher Form wird im Rahmen der Erfassung der persönlichen Daten festgehalten, ob sich die Personen ausweisen können, welches Ergebnis eine internationale Abfrage (z.B. auf Basis der Fingerabdrücke) erbringt, ob eine physikalisch-technische Urkundenuntersuchung durch das BAMF noch anhängig ist bzw. ob in der LEA ein neuer Datensatz auf Basis einer Eigenauskunft angelegt werden musste?
Sofern die o. g. Nachweise durch Asylsuchende vorgelegt werden, erfolgt die Kennzeichnung in der Selbstauskunft, welche Teil der angelegten Akte der Asylsuchenden ist.
Die Dokumente und Unterlagen werden einbehalten und an das BAMF weitergeleitet. Daneben werden die einbehaltenen Dokumente im internen Fachverfahren DiAs hinterlegt.
Sofern mit „internationale Abfrage“ die EURODAC (European Dactyloscopy)-Abfrage gemeint ist, steht das Ergebnis der Abfrage der LEA Bochum nicht zur Verfügung. Dieses Ergebnis wird im Rahmen des Asylverfahrens dem BAMF zur Verfügung gestellt.
Das EURODAC-Ergebnis steht in keinem Zusammenhang mit der physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung durch das BAMF, da diese erst nach Asylantragstellung erfolgt. Die Asylantragsstellung erfolgt im Rahmen der Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes bei der zuständigen Außenstelle des BAMF, sodass bei Ankunft von Erstantragstellern in der LEA noch kein Ergebnis der Untersuchung durch das BAMF vorliegen kann. Ob in jedem Einzelfall eines in der LEA vorsprechenden Folgeantragstellenden eine physikalisch-technische Urkundenuntersuchung beim BAMF anhängig war, ist in der LEA Bochum nicht bekannt.
Eine Meldung an das AZR erfolgt unabhängig der Vor- oder Nichtvorlage von Identitätsnachweisen. Im AZR wird bei Bestehen eines Datensatzes kein neuer Datensatz erstellt, sondern der bestehende Datensatz fortgeschrieben.
- Warum lassen sich nach Ansicht der Landesregierung die offensichtlich in der LEA erfassten Daten – abgesehen vom ggf. noch ausstehenden Ergebnis der physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung durch das BAMF – nicht dahingehend auswerten, ob sich die Identität und insbesondere die Nationalität des jeweiligen Asylbewerbers nachweisen ließ oder eben nicht?
- Bei wie vielen Erst- bzw. Folgeantragstellern, die in der LEA Bochum registriert wurden, konnte im Jahre 2020 die Identität nicht durch geeignete Ausweisdokumente oder eine internationale Abfrage (z.B. auf Basis der Finger-abdrücke) ermittelt werden? (Bitte Gesamtzahl der Erst- bzw. Folgeantragsteller sowie die Anzahl der Personen ohne geeignete Ausweisdokumente, ohne Ergebnis bei einer internationalen Abfrage sowie die Anzahl der Fälle, bei denen zum Zeitpunkt der Registrierung in der LEA noch eine physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung durch das BAMF anhängig war, angeben)
- Welches waren im Jahre 2020 die zehn häufigsten Herkunftsländer von Personen, bei denen in der LEA Bochum durch geeignete Ausweisdokumente oder durch eine internationale Abfrage die Identität und die Nationalität ermittelt werden konnte bzw. bei denen ein neuer Datensatz auf Basis einer Eigenauskunft angelegt werden musste? (Bitte die jeweilige Anzahl der Personen benennen – möglichst in Abhängigkeit vom späteren Ergebnis der physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung durch das BAMF)
Die Fragen 3-5 werden aufgrund Ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. 4
Im Jahre 2020 wurden in der LEA insgesamt 19.034 Erstantragsstellende für das Land NRW und 7.172 für ein anderes Bundesland optioniert.
Die Gesamtzahl der Folgeantragstellenden wird erst seit dem 16.3.2020 ermittelt. In diesem Zeitraum wurden 1.342 Folgeantragstellende in der LEA Bochum für das Land NRW und 655 für ein anderes Bundesland registriert.
Die vorgelegten Ausweisdokumente werden zwar in das interne Fachverfahren des Landes (DiAs) eingegeben, jedoch besteht keine automatisierte Verarbeitungsmöglichkeit, um eine statistische Auswertung darüber zu erzeugen, welche Anzahl an Asylbewerbern mit Antragsdokumenten vorstellig geworden ist. Weiterhin ist die Geeignetheit und die Echtheit der Dokumente erst durch die physikalisch-technische Urkundenuntersuchung des BAMF feststellbar. Daten über die Anzahl von festgestellten Fast-ID-Treffern werden durch die LEA nicht erhoben.