Flüchtlingsfeindliche Straftaten in NRW im Jahr 2021

Kleine Anfrage
vom 31.01.2022

Kleine Anfrage 6373des Abgeordneten Markus Wagner vom 31.01.2022

 

Flüchtlingsfeindliche Straftaten in NRW im Jahr 2021

Die Anfrage zum Themenkomplex „Flüchtlingsfeindliche Straftaten“ für das Berichts-jahr 2020 ergab, dass sich die Anzahl entsprechender Straftaten auf 284 Fälle weiter erhöht hat. Dabei konnten in 157 Fällen Tatverdächtige ermittelt werden. Bei 127 Straftaten konnte kein Täter eruiert werden. Ohne eine erfolgte Ermittlung eines Täters wurden 120 von 127 Straftaten dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet.

Ziel der Anfrage für das Jahr 2021 ist es erneut, eine differenziertere Aufschlüsselung der Straftaten zu erhalten.

So gilt es, die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren, der Anklagen, der Verurteilungen und der Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren darzulegen. Die Frage, ob im konkreten Fall Menschen direkt angegriffen wurden und zu Schaden kamen oder ob beispielsweise die Straftat gegen eine im Bau befindliche Unterkunftseinrichtung gerichtet war, konnte die Landesregierung bisher nicht ausreichend beantworten. Eine genaue Lagebeurteilung wird so zumindest erschwert.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Straftaten wurden im Jahre 2021 in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (bitte nach folgenden Fallgruppen aufschlüsseln: (a) gegen Flüchtlingsunterkünfte bzw. von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen, (b) gegen geplante bzw. im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte, (c) gegen Flüchtlinge bzw. Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkunft bzw. Wohnung und (d) gegen Einrichtungen, die sich unmittelbar für die Belange von Flüchtlingen einsetzen; bitte jeweils auch nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln)
  2. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
  3. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten? (bitte unterscheiden zwischen folgenden Fällen: in denen ein Täter ermittelt werden konnte, in denen kein Täter ermittelt werden konnte)
  4. Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte bezogen auf Frage 3 die konkrete Zuordnung? (Bitte einzeln auflisten)
  5. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen bzw. Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2021 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Straftaten?

Markus Wagner

 

Anfrage als PDF


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 6373 mit Schreiben vom 1. März 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheit­lich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“. Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Ent­scheidungen richten.
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerk­male, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsor­gane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen aus­wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
  • gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörig­keit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äuße­ren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres ge­sellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammen­hang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105­108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt (BKA) ist für das Jahr 2021 zwar abge­schlossen, die endgültige Bestätigung des Abschlusses seitens des BKA steht aber noch aus. Die nachfolgend angegebenen Fallzahlen sind trotzdem als vorläufige Zahlen zu betrachten, wenngleich Veränderungen nicht zu erwarten sind.

  1. Wie viele Straftaten wurden im Jahre 2021 in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (bitte nach folgenden Fallgruppen aufschlüsseln: (a) gegen Flüchtlingsunter­künfte bzw. von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen, (b) gegen geplante bzw. im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte, (c) gegen Flüchtlinge bzw. Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkunft bzw. Wohnung und (d) gegen Einrichtungen, die sich unmittelbar für die Belange von Flüchtlingen einsetzen; bitte jeweils auch nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln)

Im Jahr 2021 wurden im KPMD-PMK bislang 130 flüchtlingsfeindliche Straftaten erfasst. Dabei wurden acht Personen verletzt.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage zu entnehmen.

Eine Erhebung zu den weiteren konkret nachgefragten Daten erfordert eine manuelle Auswer­tung jedes einzelnen Verfahrens und ist in dem für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht möglich.

  1. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)

Im KPMD-PMK werden Tatorte und keine Festnahmeorte erfasst. Als Festnahme werden hier statistisch alle bekanntgewordenen polizeilichen Maßnahmen gemäß §§ 127, 127b StPO er­fasst (keine Ingewahrsamnahmen nach dem Polizeigesetz NRW).

Im Jahr 2021 wurden 88 Tatverdächtige in 76 Fällen fremdenfeindlicher Straftaten ermittelt. Es wurde kein Tatverdächtiger festgenommen.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage zu entnehmen.

  1. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten? (bitte unterscheiden zwischen folgenden Fällen: in denen ein Täter ermittelt werden konnte, in denen kein Täter ermittelt werden konnte)

In den 76 Fällen, in denen ein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten in den folgenden Phänomenbereichen erfasst:

· PMK-Rechts: 72 Straftaten
· PMK-Ausländische Ideologie: 2 Straftaten
· PMK-Religiöse Ideologie: 1 Straftat
· PMK-Nicht zuzuordnen: 1 Straftat.

 

In den Fällen in denen kein Tatverdächtigter ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten in den folgenden Phänomenbereichen erfasst:

  • PMK-Rechts: 44 Straftaten
  • PMK-Nicht zuzuordnen: 7 Straftaten
  • PMK-Ausländische Ideologie: 2 Straftaten
  • PMK-Religiöse Ideologie: 1 Straftat.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage zu entnehmen.

  1. Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte bezogen auf Frage 3 die konkrete Zu­ordnung? (Bitte einzeln auflisten)

Die Zuordnung jeder einzelnen Straftat als „flüchtlingsfeindlich“ erfolgt, wenn für die Sachbe-arbeiterin/den Sachbearbeiter nach Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen ihrer/ihres zu­geschriebenen oder tatsächlichen Aufenthaltsstatus (Asylbewerber/Flüchtling) gerichtet ist und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammen­hang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Ist die Tatmotivation nicht hinrei­chend erkennbar, wird die Tat dem Phänomenbereich PMK – Nicht zuzuordnen zugeteilt.

  1. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen bzw. Ein­stellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2021 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Straftaten?

Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Straftaten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die zur Beantwortung erforderlichen Zahlen liegen dem Ministerium der Justiz nicht vor und können mit einem für die Strafrechtspflege vertretbaren Aufwand nicht beschafft werden. Er­mittlungsverfahren wegen flüchtlingsfeindlicher Straftaten werden in den Statistiken und Da­tenbanken der Justiz nicht gesondert erfasst. Eine Erhebung der Daten würde daher eine Ein­zelauswertung der Akten aller in Betracht kommenden Verfahren erfordern.

 

Anfrage samt Anlage als PDF

Beteiligte:
Markus Wagner