Kleine Anfrage 3711
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Andreas Keith AfD
Förderung der heimischen Mehlbeere
Die Echte oder auch Gewöhnliche Mehlbeere (Sorbus aria) ist ein heimischer Laubbaum mit hoher waldökologischer Bedeutung, der 2024 zum Baum des Jahres gewählt wurde.1 Die Mehlbeere ist eine Pflanzenart innerhalb der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Die Art ist nach der letzten Eiszeit über das südöstliche Europa eingewandert und ist heute im westlichen Mittelmeerraum sowie in Teilen von West- und Mitteleuropa anzutreffen. In Deutschland wächst die Mehlbeere in hügeligen sowie bergigen Landschaften bis in die Alpenhöhen, wo sie auf bis etwa 1.600 Metern vorkommt, im Osten Deutschlands hingegen ist sie abwesend.
Um zu wachsen, benötigt die Art sonnige Standorte sowie wenig Konkurrenz durch andere Arten, weshalb sie in Wäldern nur in lichten Bereichen vorkommt. Die Mehlbeere wächst meist an Waldrändern, in Heidegebieten, auf Mager- und Trockenrasen sowie an Felsblockhalden und Steilhängen, wo sie sich meist mehrstämmig oder nur strauchförmig entwickelt. Feuchte, aber gut durchlässige, neutrale bis basische, fruchtbare und kalkreiche Böden werden von dem Laubbaum bevorzugt, wohingegen sandige oder schwere Lehmböden vermieden werden.2
Zusammen mit ihrer Lichtbedürftigkeit eignet sich die Mehlbeere als Pionierbaum. Jedoch kann sie aufgrund des langsamen Wachstums von nachwachsenden Baumarten verdrängt werden. Sie ist ein beliebter Stadtbaum, der aufgrund des tiefen Wurzelwerkes mit den zunehmenden Trockenperioden gut zurechtkommt. Mit Wurzeltiefen von bis zu zwei Metern kommt sie an Wasser in tieferen Bodenschichten heran, was ihr einen klaren Vorteil verschafft. Wegen der Trockenheitstoleranz gilt sie als Zukunftsbaum im schwierigen Stadtklima. Sie ist aber nicht nur hitzeverträglich, sondern auch gegenüber Schädlingen sehr unempfindlich. Berichte aus den sehr trockenen unterfränkischen Wäldern zeigen, dass die Mehlbeeren noch vital und grün aussehen, wenn Baumarten wie Buchen, Eichen oder Kiefern unter Trockenstress leiden.
Auch für Gärten ist die Art als kleiner, heimischer Baum mit ihren weißen Blüten und den attraktiven roten Früchten sehr zu empfehlen, die bis in den Winter den Vögeln als Nahrungsquelle dienen. Eine herausragende Bedeutung hat die Mehlbeere für den Vogelschutz im Wald. Bei Untersuchungen konnten 18 Vogelarten, wie zum Beispiel verschiedene Drossel- und Meisenarten, Finken, Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke und Eichelhäher, beim Verzehr der rötlichen Mehlbeeren beobachtet werden. Auf die Mehlbeere sind 31 pflanzenfressende Insekten- und Milbenarten spezialisiert. Wegen ihrer ökologischen Bedeutung und zur Förderung der Artenvielfalt wird sie gerne in Wildobstpflanzungen angepflanzt.3
Vor diesem Hintergrund fragen wir:
- Wie viele Mehlbeeren wurden insgesamt in den letzten Jahren als Renaturierungs-, Ersatz- oder Neuanpflanzungen ausgebracht?
- Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um das Vorkommen der Mehlbeere zu fördern?
- Wie wird die Bedeutung der Mehlbeere von Landesregierung naturschutzfachlich bewertet?
- Wie hat sich der Bestand der Mehlbeere in NRW seit 2008 entwickelt?
- Welche Faktoren gefährden den Bestand der Mehlbeere in NRW?
Zacharias Schalley
Andreas Keith
1 https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/baeume-und-waldpflanzen/laubbaeume/die-mehlbeere-baum-des-jahres-2024
2 https://www.sdw.de/fileadmin/Bundesverband/01_Dateien/Infobl%C3%A4tter/Faltblatt_Mehlbeere.pdf Datum des Originals: 17.04.2024/Ausgegeben: 17.04.2024
3 https://www.sdw.de/fileadmin/Bundesverband/01_Dateien/Infobl%C3%A4tter/Faltblatt_Mehlbeere.pdf
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 3711 mit Schreiben vom 23. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz beantwortet.
- Wie viele Mehlbeeren wurden insgesamt in den letzten Jahren als Renaturierungs-, Ersatz- oder Neuanpflanzungen ausgebracht?
Seit 2018 wurden im nordrhein-westfälischen Staatswald im Rahmen der Neuanpflanzungen 815 Mehlbeeren verteilt auf eine Gesamtfläche von 5,80 Hektar gepflanzt. Im Frühjahr 2023 wurde vom Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen, Zentrum für Wald und Holzwirtschaft, dem die Erhaltungsarbeit für diese Baumart obliegt, eine Aussaat von Mehlbeeren-Saatgut zu Generhaltungszwecken am Standort Arnsberg durchgeführt. Aus dieser Aussaat stehen aktuell 675 Pflanzen zur Verfügung. Diese werden voraussichtlich im Herbst 2024 oder im Frühjahr 2025 im Sinne der Generhaltung für die Pflanzung im Wald abgegeben.
- Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um das Vorkommen der
Mehlbeere zu fördern?
Die Mehlbeere ist eine diagnostisch relevante Art für die Lebensraumtypen (LRT) Orchideen-Buchenwald (LRT 9150) und Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (LRT 9170) nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie). Der Schutz ihrer natürlichen Vorkommen erfolgt dadurch, dass diese fast vollständig innerhalb von FFH-Gebieten liegen. FFH-Gebiete sind in der Regel als Naturschutzgebiete gesichert. Darüber hinaus sind diese FFH-Lebensraumtypen geschützte Biotope nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz. Maßnahmenplanungen zu diesen Schutzgebieten berücksichtigen gebietsspezifisch sinnvolle Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen für die Mehlbeere, wie auch für die weiteren diagnostisch relevanten Baumarten dieser Lebensraumtypen.
Über diesen Flächenschutz hinaus setzt der Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen die Förderung seltener oder bedrohter heimischer gehölzgenetischer Ressourcen in Nordrhein-Westfalen um. Neben den Maßnahmen der Pflanzenanzucht aus herkunftsgesichertem Saatgut der Mehlbeere und Abgabe der angezogenen Pflanzen im Sinne der forstlichen Generhaltung, unterhält der Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen eine Mehlbeeren-Samenplantage.
- Wie wird die Bedeutung der Mehlbeere von der Landesregierung naturschutzfachlich bewertet?
Die naturschutzfachliche Bedeutung der Mehlbeere ist hoch. Sie begründet sich darin, dass die Art in Nordrhein-Westfalen den Nordrand ihrer Verbreitung erreicht, da es sich um eine vergleichsweise wärmeliebende Art mit der Verbreitung in Süddeutschland handelt. Insofern kann ihr sogar bei der natürlichen Anpassung unserer Wälder an den ablaufenden Klimawandel eine wichtige Rolle zufallen. Als diagnostisch relevante Baumart der oben genannten Wald-Lebensraumtypen trägt das Vorkommen der Mehlbeere, insbesondere als Alt- bzw. Totholz-bildner, zu einem guten Erhaltungszustand der jeweiligen Lebensraumtypen (Waldgesellschaften) bei. Die Art ist in der Roten Liste Nordrhein-Westfalen insgesamt als ungefährdet eingestuft, lediglich für das Süderbergland gilt sie als gefährdet.
- Wie hat sich der Bestand der Mehlbeere in NRW seit 2008 entwickelt?
Die Expertenkommission zur Roten Liste 2020 hat keine negative Veränderung des Bestandes festgestellt, die eine Verschärfung des Gefährdungsgrades erfordern würde.
- Welche Faktoren gefährden den Bestand der Mehlbeere in NRW?
Entsprechend der Einstufung in der Roten Liste besteht in Nordrhein-Westfalen – mit Ausnahmen des Süderberglands – keine Gefährdung.