Frankfurter „Antifa“ veröffentlicht Privatadressen von AfD-Politikern – Wie hoch ist die Gefahr in NRW?

Kleine Anfrage
vom 24.08.2023

Kleine Anfrage 2384

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Frankfurter „Antifa“ veröffentlicht Privatadressen von AfD-Politikern – Wie hoch ist die Gefahr in NRW?

Das Bundesinnenministerium, das hessische Innenministerium wie auch das Justizministerium kritisieren eine kürzlich durchgeführte Aktion der linken Antifa Frankfurt, bei der die Privatadressen von AfD-Politikern, welche bei der hessischen Landtagswahl am 8. Oktober kandidieren, veröffentlicht wurden. Bei der Veröffentlichung wurde ebenfalls geschrieben, dass es „überfällig“1 sei, die Partei als Ganzes aber auch Einzelpersonen zu bekämpfen. Außerdem solle man ihnen auf „militante Weise“ entgegentreten und insgesamt „das Leben zur Hölle machen“.2 Gewalt und Drohungen seien nach Ansehen der Ministerien niemals ein akzeptables Mittel, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums beteuerte. Es sei nun die Aufgabe der hessischen Polizei und weiteren Behörden den Vorfall aufzuklären. Auch Hessens Innen- und Justizminister, die durch die CDU gestellt werden, verurteilen die Aktion. So verstoße sie gegen die Werte einer friedlichen Demokratie. Die Auseinandersetzung mit der Partei müsse in einem politischen und friedlichen Rahmen geschehen. Außerdem kündigten die Minister rechtsstaatliche Konsequenzen für mögliche Rechtsbrüche der Antifa an. Die juristische Einordnung obliege jedoch den Gerichten. Mittlerweile habe auch das LKA Kontakt mit den Betroffenen aufgenommen, um sie zu beraten und zu betreuen. Die AfD kündigte bereits an, rechtliche Schritte einzuleiten. Nach Einschätzungen des hessischen Landeschefs der Alternative für Deutschland sei die Aktion ein „verklausulierter Aufruf zur Einschüchterung und Gewalt gegen AfD-Politiker“3. Weiter beschrieb er das Gefühl dadurch für „vogelfrei“4 erklärt worden zu sein und sorgt sich insbesondere um die Familien der betroffenen Politiker.

Die Antifa an sich ist allerdings keine zentral geführte Organisation, sondern besteht aus vielen örtlichen Gruppen samt einem Umfeld von Sympathisanten. Nach einer „WELT“-Auswertung der Berichte der Bundes- und Landesämter für Verfassungsschutz aus dem Jahre 2020 gebe es mindestens 47 vom Verfassungsschutz beobachtete beziehungsweise als „extremistisch“5 eingestufte Gruppen der Antifa. Diese begründete ihre Aktion damit, dass die AfD durch ihre Aussagen und ihr Programm angeblich rechtsextrem sei und sich durch ihre Einstellungen und Ansichten nicht über Gegenwehr beschweren müsse.6

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Antifa-Gruppierungen gibt es nach derzeitigem Stand in NRW? (Bitte nach Ort, Anzahl der Mitglieder und registrierte Straftaten durch diese aufschlüsseln.)
  2. Wie viele dieser Gruppierungen bzw. ihrer Mitglieder werden vom Verfassungsschutz beobachtet bzw. als „extremistisch“ eingestuft? (Bitte die Organisationen jeweils einzeln namentlich und örtlich auflisten.)
  3. Wie viele Straftaten wurden durch Gruppierungen bzw. Mitglieder der Antifa seit 2013 in NRW begangen? (Bitte nach Jahr, Ort und Delikt aufschlüsseln.)
  4. Sind der Landesregierung ähnliche Fälle (wie in Frankfurt) aus Nordrhein-Westfalen seit 2013 bis heute bekannt?
  5. Inwieweit sieht die Landesregierung eine Gefahr durch einzelne Gruppierungen der autonomen Antifa, sowohl für die freiheitlich demokratische Grundordnung als auch für die öffentliche Sicherheit generell?

Markus Wagner

 

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1 https:// www .welt.de/politik/deutschland/article246821244/AfD-Bundesinnenministerium-verurteilt-Veroeffentlichung-von-Adressen-von-AfD-Kandidaten.html.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.

5 Ebenda.

6 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2384 mit Schreiben vom 6. Oktober 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheit­lich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen – mit Stand 01.01.2023 angepasstem – Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Ent­scheidungen richten.
  • sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesens­merkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfas­sungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen aus­wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
  • gegen eine Person wegen ihrer/ihre zugeschriebene oder tatsächliche politische Hal­tung, Einstellung und/oder Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszu­gehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behin­derung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientie­rung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten können sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Ob-jekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftlichen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.

Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

  1. Wie viele Antifa-Gruppierungen gibt es nach derzeitigem Stand in NRW? (Bitte nach Ort, Anzahl der Mitglieder und registrierte Straftaten durch diese aufschlüsseln.)

Der Begriff „Antifa“ wird sowohl von Einzelpersonen aber auch von Gruppierungen in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen genutzt.

Da der Verfassungsschutz aufgabengemäß nicht alle Antifa-Gruppen, sondern nur den extre­mistischen Ausschnitt aus diesen Gruppen im Blick hat, und auch polizeilich keine diesbezüg­lichen Daten vorliegen, ist eine Beantwortung der Frage nicht möglich.

  1. Wie viele dieser Gruppierungen bzw. ihrer Mitglieder werden vom Verfas­sungsschutz beobachtet bzw. als „extremistisch“ eingestuft? (Bitte die Organisationen jeweils einzeln namentlich und örtlich auflisten.)

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz beschäftigt sich aktuell im Bereich des autono­men Linksextremismus mit landesweit etwa 40 Gruppen und Bündnissen in Nordrhein-West­falen, weil diese in verfassungsschutzrelevanter Weise in Erscheinung treten. Die Gesamtzahl der in Rede stehenden Zusammenschlüsse ist jedoch regelmäßig starken Schwankungen un­terworfen. Sie stellt somit immer nur eine Momentaufnahme des Teilbereichs dar, der aktuell durch den Verfassungsschutz bearbeitet wird und hat folglich nur eine begrenzte Aussage­kraft. Schwerpunkte liegen in den Ballungszentren.

Das vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtete Personenpotenzial autono­mer Linksextremisten wurde bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts über das Jahr 2022 auf etwa 1.100 Personen geschätzt.

  1. Wie viele Straftaten wurden durch Gruppierungen bzw. Mitglieder der Antifa seit 2013 in NRW begangen? (Bitte nach Jahr, Ort und Delikt aufschlüsseln.)

Eine statistische Erfassung von Gruppierungen oder von Zugehörigkeiten der Tatverdächtigen zu Organisationen ist im KPMD-PMK nicht vorgesehen.

Eine Auswertung zum Themenfeldoberbegriff „Antifaschismus“ für die Jahre 2013 bis ein­schließlich 31.08.2023 wurde hilfsweise durchgeführt. Unter den Begriff „Antifaschismus“ fal­len alle Meldungen, bei denen ein Täterwille „gegen Faschismus“ erkennbar ist. Im Rahmen

dieser Auswertung wurde ergänzend die Zuordnung zum Phänomenbereich PMK –
links- berücksichtigt.

Das Ergebnis dieser Auswertung bitte ich nachfolgender Tabelle (Stand 31.08.2023) zu ent­nehmen:

Tatjahr Fallzahlen PMK -links-(Antifaschismus)
2013 470
2014 730
2015 938
2016 1.063
2017 411
2018 231
2019 239
2020 290
2021 149
2022 133
2023 52
Gesamt: 4.706

 

Eine automatisierte Einzelfallauswertung von Sachverhalten, die nachweislich durch Mitglie­der der „Antifa“ begangen wurden, ist im Rahmen der für die Beantwortung der Kleinen An­frage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand für den Zeitraum 2013 – 2023 (Stand 31.08.2023) nicht möglich.

  1. Sind der Landesregierung ähnliche Fälle (wie in Frankfurt) aus Nordrhein-Westfalen seit 2013 bis heute bekannt?

Das sog. „Outing“ bzw. „Doxing“ des politischen Gegners, gemeint ist die Veröffentlichung persönlicher Daten vornehmlich im Internet, gehört seit mehreren Jahren zu den Aktionsfor­men des links- und des rechtsextremistischen Spektrums. Im Fokus stehen hierbei tatsächli­che oder vermeintliche Angehörige des rechts- bzw. des linksextremistischen Spektrums so­wie anlassabhängig auch Angehörige der Sicherheits- bzw. Strafverfolgungsbehörden.

Eine valide Aussage im Sinne der Fragestellung kann aber nicht getroffen werden, da hierzu eine Einzelfallauswertung erforderlich gewesen wäre.

Auch im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz besteht keine automatisierte Abfrage-möglichkeit für einschlägige Ermittlungsverfahren im Sinne der vorbezeichneten Frage; eine händische Auswertung aller etwaig in Betracht kommender Vorgänge ist von den Staatsan­waltschaften im Rahmen der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehen­den Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

  1. Inwieweit sieht die Landesregierung eine Gefahr durch einzelne Gruppierungen der autonomen Antifa, sowohl für die freiheitlich demokratische Grundordnung als auch für die öffentliche Sicherheit generell?

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz beobachtet autonome Linksextremisten in Nordrhein-Westfalen, da diese Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundord­nung verfolgen.

Die linksautonome Szene lehnt staatliche Strukturen, insbesondere Hierarchien und das staat­liche Gewaltmonopol, zugunsten eines „selbstbestimmten“ Lebens ab. Die rechtsstaatliche Ordnung wird nicht anerkannt, sondern stattdessen die Eroberung sogenannter „Freiräume“ propagiert. Zur Durchsetzung ihrer Ziele befürworten Autonome auch Gewalt gegen Mei­nungsgegner und versuchen damit, diese einzuschüchtern und gesellschaftliche Diskurse nach ihren eigenen Vorstellungen zu steuern.

Die Sicherheitsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen stehen untereinander sowie mit den Behörden anderer Länder und des Bundes in ständigem Austausch und treffen geeignete Maßnahmen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren.

 

MMD18-6289

Beteiligte:
Markus Wagner