Frau und zwei Töchter in Herten getötet: Erst seit etwa vier Monaten in Deutschland – War es ein „Ehrenmord“?

Kleine Anfrage
vom 18.07.2023

Kleine Anfrage 1932

der Abgeordneten Markus Wagner und Dr. Hartmut Beucker AfD

Frau und zwei Töchter in Herten getötet: Erst seit etwa vier Monaten in Deutschland – War es ein „Ehrenmord“?

Am 16. Mai fanden Rettungskräfte der Polizei und Feuerwehr gegen 22 Uhr die Leichen einer 37-jährigen Frau und ihrer beiden sieben und fünf Jahre alten Töchter in einer Wohnung im migrantisch geprägten Hertener Stadtteil Paschenberg. Eine Bekannte der Familie alarmierte die Polizei, nachdem sie die Familie mehrfach nicht erreichen konnte und sich zunehmend sorgte. Als auch auf das Klingeln und Klopfen der Polizei an der Wohnung der Familie keine Reaktion folgte, wurde die Feuerwehr hinzugezogen, welche die Wohnung öffnete. Im Innern fanden die Einsatzkräfte die Leichen der Mutter und ihrer Töchter, welche laut Aussagen von Nachbarn erst im Mai dort eingezogen sein sollen.

Der flüchtige Hauptverdächtige und Vater der beiden Kinder S. konnte nach „intensiven Suchmaßnahmen“1 in seiner ehemaligen zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) im nahegelegenen Marl mit Hilfe einer Handy-Ortung gefunden und festgenommen werden. Er wurde in Untersuchungshaft gebracht und auf Verlangen der Staatsanwaltschaft Bochum an eine Haftrichterin des Amtsgerichts Recklinghausen weitergeleitet, welche einen Haftbefehl wegen dreifachen Totschlags, aber nicht Mordes ausstellte. Laut der örtlichen Polizeisprecherin zeigte sich der Angeklagte geständig und „räumte ein, die Frau und Töchter erstickt zu haben“2. Sein Motiv sei dabei ein vorangegangener Beziehungsstreit mit der Frau gewesen. Die endgültigen Untersuchungsergebnisse der Leichen, um die eindeutige Todesursache feststellen zu können, wie auch die Untersuchungen der sichergestellten Beweismittel, sollen weiterhin noch andauern. Des Weiteren berichteten Nachbarn, dass der Vater ihnen, als sie vorbeischauen wollten, erklärte, dass die Frau mit den Kindern zum Einkaufen gefahren sei, und ihnen den Zutritt zur Wohnung verwehrte. Es wird vermutet, dass die Familie zu diesem Zeitpunkt bereits tot war und der Vater kurz darauf in die bereits erwähnte Einrichtung in Marl floh.3

Laut BILD-Informationen sei der 35-Jährige bereits im Februar wegen des Erdbebens in Syrien und der Türkei aus Südanatolien, nahe der syrischen Grenze, nach Deutschland gereist. Die Frau und die beiden Töchter sollen vor Kurzem nachgekommen sein. Dabei lebten sie die erste Zeit in einer Zentralen Unterbringungseinrichtung, bis sie die obengenannte Wohnung fanden und letztendlich Anfang Mai bezogen.4

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtigen, Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Mit welcher Begründung wird die Anklage von S. auf „Totschlag“ erhoben bzw. warum wird die Tat von der zuständigen Behörde nicht als Morddelikt eingestuft?
  3. Welchen Aufenthaltsstatus hatten S. und seine Familie zum Zeitpunkt der Tat?
  4. Wie viele Mord-, Totschlags-, Sexual- und Körperverletzungsdelikte mit dem Motiv „Beziehungsstreit“ bzw. „Ehestreit“ wurden seit 2013 in Nordrhein-Westfalen gemeldet? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln sowie Geschlecht des Täters, Herkunft des Täters, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige ggf. im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  5. Wie unterteilen sich die strafrechtlichen Folgen für die unter Frage 4 genannten Täter? (Bitte nach Einstellung des Verfahrens, Strafbefehl, Geld- und Freiheitsstrafen aufschlüsseln.)

Markus Wagner

Dr. Hartmut Beucker

Anfrage als PDF

1 https:// www .derwesten.de/region/herten-tot-mutter-kinder-vater-polizei-leichen-haft-gestaendnis-obduktion-id300525068.html.

2 Ebenda.

3 https:// www .bild.de/bild-plus/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/mord-in-herten-tatverdaechtiger-vater-soll-sich-herausgeredet-haben-83961094.bild.html.

4 https:// www .bild.de/bild-plus/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/familie-floh-vor-tuerkei-beben-dreifach-mord-in-herten-vater-gesteht-83971162.bild.html?ticket=ST-A-1317746-m29tWuDl7PRjuRc3hXPx-sso-signin-server.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 1932 mit Schreiben vom 7. Juli 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Kin­der, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben ge-nannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vor-strafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staats-bürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staats­bürgerschaft sind, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Bochum hat dem Ministerium der Justiz unter dem 23.06.2023 zum Tathergang Folgendes berichtet:

„Nach derzeitigem Ermittlungsstand befand sich der Beschuldigte in den Vormittagsstunden des 15.05.2023 mit seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Kindern in einer von ihm angemieteten (Ferien-) Wohnung im Erdgeschoss eines Hauses im Hertener Stadtteil Pa-schenberg. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hat er eingeräumt, dass er, als seine Lebens­gefährtin ihm eröffnet habe, dass sie entgegen ihrer ursprünglichen Absicht doch nicht bei ihm in Deutschland bleiben, sondern mit den Töchtern zurück in die Türkei gehen wolle, sich ent­schieden habe, sie und die Kinder zu töten. Danach habe er zunächst die 37-Jährige und anschließend die beiden Töchter im Alter von 5 und 7 Jahren nacheinander erstickt.“

Die Ermittlungen – so die Leitende Oberstaatsanwältin weiter – dauerten an. Der Beschuldigte, bei dem es sich um einen 35-jährigen türkischen Staatsangehörigen handele, zu dem das Bundeszentralregister keine Eintragungen aufweise, befinde sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Recklinghausen vom 18.05.2023 wegen Totschlags in drei Fällen in Unter­suchungshaft wegen bestehender Fluchtgefahr sowie des Haftgrundes der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO).

  1. Mit welcher Begründung wird die Anklage von S. auf „Totschlag“ erhoben bzw. warum wird die Tat von der zuständigen Behörde nicht als Morddelikt eingestuft?

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Bochum hat in ihrem vorbezeichneten Bericht mitgeteilt, Anklage sei gegen den Beschuldigten bislang nicht erhoben worden. Die abschließende recht­liche Einordnung des Tatgeschehens bleibe dem Ende der Ermittlungen vorbehalten.

  1. Welchen Aufenthaltsstatus hatten S. und seine Familie zum Zeitpunkt der Tat?

Der Beschuldigte war nach Mitteilung der Leitenden Oberstaatsanwältin in Bochum im Besitz einer bis zum 21.05.2023 befristeten Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfah­rens. Die Lebensgefährtin und die Kinder seien im Besitz eines Schengen-Visums gewesen.

  1. Wie viele Mord-, Totschlags-, Sexual- und Körperverletzungsdelikte mit dem Motiv „Beziehungsstreit“ bzw. „Ehestreit“ wurden seit 2013 in Nordrhein-Westfalen ge­meldet? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln sowie Geschlecht des Täters, Herkunft des Täters, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige ggf. im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfach­staatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeili­che Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wie unterteilen sich die strafrechtlichen Folgen für die unter Frage 5 genannten Täter? (Bitte nach Einstellung des Verfahrens, Strafbefehl, Geld- und Freiheits­strafen aufschlüsseln.)

Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet.

Datenquelle für die Beantwortung von Fragen der Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Polizei­liche Kriminalstatistik bildet keine Tatmotive ab. Insofern kann diese Frage nicht beantwortet werden.

 

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