Freie Fahrt für Künstliche Intelligenz? – Der sogenannte AI Act der Europäischen Union darf nicht der Bremsklotz für die heimische Wirtschaft sein!

Antrag

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der Fraktion der AfD

Freie Fahrt für Künstliche Intelligenz? Der sogenannte AI Act der Europäischen Union darf nicht der Bremsklotz für die heimische Wirtschaft sein!

I. Ausgangslage

Am 12. März 1989 veröffentlichte der britische Physiker Timothy John Berners-Lee vom CERN in Genf seine Version der „Hyper Text Markup Language (HTML)“ und des Internetprotokolls „HTTP“ – gedacht als eine Methode für das „Verflechten“ von wissenschaftlichen Artikeln. Mit der Veröffentlichung des sogenannten World Wide Web und dessen Freigabe für die Öffent­lichkeit am 30. April 1993 sorgten Berners-Lee und sein Team für eine erste internetbasierte Revolution, indem sie tatsächlich eine Anwendung für die breite Öffentlichkeit schufen. Nicht mehr nur Eliten wie das Militär oder universitäre Einrichtungen verfügten über weltumspan­nende Kommunikationswege, sondern auch die breite Bevölkerung und damit bald jede Un­ternehmung in der Welt. 10 Jahre später gab es kaum ein Unternehmen auf der Welt, das nicht wenigstens seine öffentliche Präsenz im World Wide Web hatte. Die Gesellschaft machte damit einen vergleichbaren Evolutionssprung wie mit der Erfindung des Buchdrucks mit be­weglichen Lettern durch Johannes Gutenberg gut 550 Jahre zuvor.

Am 23. November 2022 stellte das Unternehmen OpenAI die KI-Software ChatGPT 3.5 der Öffentlichkeit vor. Jedermann kann auf ihrer Webseite unmittelbar und kostenlos erfahren, welches Potential die künstliche Intelligenz in Form dieses Sprachmodells besitzt. Erneut sa­hen Fachleute und Technikjournalisten in ChatGPT eine Revolution, die Gutenbergs Buch­druck gleicht.1 Zeitgleich mit ChatGPT rückten bildgenerierende künstliche Intelligenzen wie Dall-E oder Midjourney mit ihren beeindruckenden Werken in den Fokus der Öffentlichkeit.

Als Mitte März 2023 OpenAI die neue und kostenpflichtige Version ChatGPT 4.0 vorstellte, nahmen durch den innerhalb von nur vier Monaten gemachten Sprung in der Leistungsfähig­keit Anwender, Politiker und Fachleute wahr, mit welcher Dynamik künstliche Intelligenz alle Bereiche des menschlichen Lebens verändern kann.

Beispielsweise rief das von Elon Musk unterstützte Future of Life Institute am 22. März, kurz nach Veröffentlichung von ChatGPT 4.0, die Entwickler von KI-Systemen auf, eine Pause bei der Entwicklung noch fortschrittlicherer Künstlicher Intelligenz zu machen und dabei in Zusam­menarbeit mit politischen Entscheidungsträgern sogenannte robuste KI-Governance-Systeme zu entwickeln.2

Bereits im April 2021 legte die Europäische Kommission mit dem Entwurf des Artificial Intelli-gence Act (AIA) einen Entwurf zur Regulierung und Förderung der Entwicklung Künstlicher Intelligenz vor, der im Dezember 2022 mit gewissen Abänderungen die Zustimmung der EU-Länder erhielt. Die EU-Kommission sieht darin vor, dass sogenannte Höchstrisiko-Anwendun­gen verboten werden sollen, während für Anwendungen mit hohen oder geringen Risiken un­terschiedliche Pflichten gelten. So soll es beispielsweise ein Verbot von Social Scoring geben. Jedoch werden nationale Verteidigungssysteme sowie KI-Systeme in der Wissenschaft bei der Regulierung ausgeklammert.

Verschiedenen NGOs ging der Entwurf der EU in seinen Verboten jedoch noch nicht weit ge­nug. So sollten unter anderem auch biometrische Fernidentifizierungen oder Systeme zur Vor­hersage zukünftiger krimineller Handlungen (Predictive Policing), wie sie z. B. in Bayern oder Nordrhein-Westfalen angewandt werden, verboten werden.3

In den letzten Monaten haben die entsprechenden Ausschüsse des Europäischen Parlamen­tes unter Berücksichtigung des Phänomens um ChatGPT zusätzliche Kapitel für den AI Act der EU-Kommission geschrieben. Danach muss ein Anbieter von Künstlicher Intelligenz für das „gute Benehmen“ seines KI-Systems die Garantie übernehmen. Außerdem sollen Daten offengelegt werden, mit dem die jeweilige KI trainiert wurde.

Sam Altman, CEO des ChatGPT-Unternehmens OpenAI, sah sich durch die Aktivitäten euro­päischer Regulierungspolitiker gezwungen anzudeuten, dass er und sein Unternehmen die Aktivitäten in der EU beenden würden, wenn sie außerstande seien, die Regulierungsvorga­ben einzuhalten; so äußerte er sich am Rande einer Podiumsdiskussion am 24. Mai 2023 am Londoner University College.4

Die Neue Zürcher Zeitung schreibt: „Die EU scheint künstliche Intelligenz zu fürchten, als wäre sie der Leibhaftige in Person. Und diesen muss man schnellstmöglich mit Regeln bändigen, bevor er zu viel Schaden anrichtet. Das ist zumindest der Eindruck, den gewisse Politiker in Brüssel derzeit entstehen lassen.“5

Während einigen Europa-Politikern das Gesetz nicht weit genug geht, gab es erste Kritik an der Übertreibung bei der Regulierung. So fand eine durch das Bayerische Digitalministerium veröffentlichte Studie der Münchener KI-Organisation „appliedAI“ heraus, dass durch den Ge­setzentwurf der EU „mehr als die Hälfte der KI-Anwendungen in den sogenannten Hochrisiko-Bereich fallen, was eine weitere Nutzung nicht ohne einen erheblichen finanziellen und perso­nellen Mehraufwand möglich machen würde“. Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) sagte dazu: „Der Entwurf der KI-Verordnung der EU ist zu risikofixiert und an zu vielen Stellen noch unklar. Ein solches Regelwerk funktioniert in der Praxis nicht und bringt unnötige Hürden für die Wirtschaft“.6

Vor allem für Nordrhein-Westfalen, das 2022 noch 20,5 Prozent des deutschen Bruttoinland-produkts erwirtschaftete – mit 794 Mrd. Euro mehr als die Schweiz oder Polen – und das sich gegenwärtig in einer Transformation hin zur digitalen bzw. digitalisierten Wirtschaft befindet, wären solche regulatorischen Einschnitte, wie sie im Entwurf der KI-Verordnung der EU vor­geschlagen werden, im weltweiten Wettbewerb äußerst schädlich.

II. Der Landtag stellt fest:

  • Die disruptive Kraft der Künstlichen Intelligenz wird die der Einführung des World Wide Web übertreffen.
  • Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird sämtliche Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens verändern bzw. beeinflussen.
  • Dem weltweit stattfindenden Wettbewerb um digitale Innovationen muss sich NRW als wirtschaftsstärkstes Bundesland stellen.
  • Bestimmte infrastrukturelle Rahmenbedingungen auf Landes-, Bundes- und europäi­scher Ebene, insbesondere die zu enge und praxisferne Auslegung des Datenschut­zes, können wirtschaftliche und digitale Innovationen ausbremsen.
  • Unternehmen, die im Zuge der digitalen Transformation mit Hilfe der Künstlichen Intelli­genz ihren Wettbewerbsvorteil gegenüber globalen Mitbewerbern ausbauen, können durch regulatorische Einschnitte ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit ihren Standort in Europa und NRW verlieren.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • Die Landesregierung wird beauftragt, sich im Zusammenhang mit der geplanten Regu­lierung der Künstlichen Intelligenz durch die Europäische Union mit anderen Bundeslän­dern zu beraten und gemeinsam auf Bundes- und europäischer Ebene dafür einzuset­zen, dass eine fördernde und nicht hemmende „KI-Governance“ den Wirtschaftsstandort Europa, Deutschland und NRW im globalen Wettbewerb unterstützt.
  • Die Bedenken und Anliegen der heimischen Unternehmen und Forschungseinrichtun­gen hinsichtlich der geplanten Regulierung der Künstlichen Intelligenz auf EU-Ebene zu sammeln und in den politischen Diskurs auf Bundes- und EU-Ebene einzubringen.

Sven W. Tritschler
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 Vgl. https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2023/04/vom-ersten-neurocomputer-bis-chat-gpt-meilensteine-der-kuenstlichen-intelligenz, https://www.ew.uni-hamburg.de/ueber-die-fakultaet/ak-tuell-2023/23-03-01-chatgpt.html

2 Pause Giant AI Experiments: An Open Letter – Future of Life Institute

3 https://www.westfalen-blatt.de/owl/risiko-fur-einbruche-im-kreis-paderborn-ist-berechenbar-2515828?pid=true

4 https://time.com/6282325/sam-altman-openai-eu/

5 https://www.nzz.ch/wirtschaft/machen-die-grossen-us-anbieter-von-kuenstlicher-intelligenz-wegen-zu-vieler-regeln-einen-bogen-um-europa-ld.1740127

6 https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-studie-eu-regeln-bremsen-kuenstliche-intelligenz-aus-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230327-99-108946