Antrag
der Fraktion der AfD
Für ein familienfreundliches NRW: erweiterte Kinderkrankentage zusichern!
I. Ausgangslage
Ein krankes Kind gehört weder in die Schule noch in den Kindergarten – es gehört nach Hause und braucht Zeit für seine Genesung. Je nach Alter des Kindes setzt dies eine zusätzliche Betreuung durch zumindest ein Elternteil voraus.
Das elterliche Recht auf die Betreuung eines erkrankten Kindes wird durch § 45 SGB V gewährleistet. Gemäß dieser Norm haben gesetzlich Krankenversicherte das Anrecht, für jedes gesetzlich krankenversicherte Kind, sofern ein ärztliches Attest dies erfordert und keine andere im selben Haushalt lebende Person das Kind betreuen oder pflegen kann, einen Antrag auf Kinderkrankengeld für einen Zeitraum von 10 Arbeitstagen zu stellen; bei alleinerziehenden Personen beträgt der Anspruch 20 Arbeitstage.
Aufgrund der einschränkenden Maßnahmen infolge der COVID-19-Pandemie wurde der Anspruch für die letzten Jahre auf 30 Arbeitstage bzw. für Alleinerziehende auf 60 Arbeitstage angehoben. Bei mehreren Kindern besteht der Anspruch je Elternteil für nicht mehr als 65 Arbeitstage, für Alleinerziehende für nicht mehr als 130 Arbeitstage.1 Die Auszahlung von Kinderkrankengeld wurde durch die Änderung auch ausdrücklich dann geleistet, wenn Schulen und Kindergärten geschlossen wurden oder der Zugang nur eingeschränkt möglich war. Diese Erweiterung läuft nun zum Jahresende 2023 aus und die gesetzlich zugesicherten Kinderkran-kentage würden somit auf die ursprüngliche Anzahl von 10 bzw. 20 Tage reduziert.
Doch auch nach Beendigung der Corona-Einschränkungen stehen Eltern weiterhin vor den Problemen der Spätfolgen bei Kindern aufgrund der COVID-19-Maßnahmen. So erkrankten bzw. erkranken deutlich mehr Kinder als sonst an Atemwegsinfekten. Weil das Immunsystem von Kindern und Jugendlichen nicht in Kontakt mit Krankheitserregern kam, fielen die Infektionswellen im vergangenen Winter umso heftiger aus.2 Einige Kinderkliniken waren sogar zeitweise überlastet. Auch eine europaweite Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) kommt 2023 zu dem Ergebnis, dass zum Beispiel die Steigerung von Depressionssymptomen bei Kindern und Jugendlichen mit den coronabedingten Restriktionen und Schulschließungen unmittelbar im Zusammenhang steht. Kinder und Jugendliche wiesen während der Schulschließung zu 75 Prozent häufiger Depressionssymptome auf als vor der Pandemie. Analoge Effekte konnten für die allgemeinen Restriktionsmaßnahmen (u.a. Erfordernis zu Hause zu bleiben, Arbeitsplatzschließungen, Mobilitätsbeschränkungen) berichtet werden.3
Und auch weiterhin sind Eltern durch Gruppen- oder Teilschließungen von Kindergärten betroffen. Diesmal sind es allerdings keine pandemiebedingte Schließungen, sondern Schließungen aufgrund des eklatanten Personalmangels – sei es, weil einzelne Kindertageseinrichtungen durch eine dauerhafte Unterbesetzung geplagt sind oder aufgrund der alljährlichen Krankheitswelle, durch die auch die benötigten pädagogischen Fachkräfte ausfallen.
Nordrhein-Westfalen ist von dem massiven Fachkräftemangel und den dadurch entstehenden Schließungen noch einmal besonders stark betroffen. Nicht nur fehlen hier im Land weit mehr als 25.000 Erzieher4, NRW erzielte in diesem Jahr auch einen zusätzlichen Negativ-Rekord bei Kita-Schließungen wegen Personalmangels. Im März war es so schlimm, dass 2.600 Kitas Personalmangel meldeten, wobei 2.200 teilweise schließen oder ihre Zeiten einschränken mussten.5 Eltern blieb oftmals keine andere Wahl, als sich von der Arbeit abzumelden und ihre Kinder zu Hause zu betreuen. In den letzten Jahren konnte dies durch die zusätzlichen Kin-derkrankentage und ausgedehnten Home-Office-Regelungen in vielen Fällen einigermaßen abgefangen werden.
Entfallen die zusätzlichen Tage allerdings ab nächstem Jahr wieder, werden vor allem berufstätige Eltern mit Kindern im Kita-Alter vor unüberwindbare Hürden gestellt. Denn sollte sich die Personalsituation in NRW nicht schlagartig ändern, wird spätestens in den kommenden Wintermonaten die Krankheitswelle erneut zuschlagen und zahlreiche Kindergärten werden ihren Betrieb einschränken oder komplett einstellen müssen – jedoch mit dem Unterschied, dass Eltern nicht mehr auf die erweiterten Kinderkrankentage zurückgreifen können. Als Notlösung müssen spontane Urlaubstage beansprucht oder Home-Office-Regelungen weiter ausgereizt werden. Als Folge klaffen die Vorstellung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die bittere Realität für zahlreiche Familien mit Kleinkindern in Nordrhein-Westfalen immer weiter auseinander.
Doch auch ohne Schließungen ist die Anzahl von 10 Kinderkrankentagen pro Elternteil in der heutigen Zeit, wo oftmals beide Elternteile berufstätig sein müssen, schlichtweg nicht ausreichend. Als Folge sind kranke Kinder dazu gezwungen, in einer bestimmten zeitlichen Frist zu genesen, nämlich solange, wie es sich die Eltern leisten können, nicht wieder arbeiten gehen zu müssen. Alleinerziehende sind bei dieser Regelung besonders stark benachteiligt.
Gerade Kleinkinder sind erfahrungsgemäß oft 20 Tage im Jahresverlauf krank, da ihr Immunsystem noch nicht vollständig entwickelt ist und sie damit besonders anfällig für Infekte jeglicher Art sind. Bis zu zehn Erkältungskrankheiten treten bei ihnen jedes Jahr auf. Außerdem gibt es Kinderkrankheiten, die zu längeren Krankenzeiten führen und häufig von den erkrankten Kindern an ihre Geschwisterkinder und Spielkameraden übertragen werden. Hinzu kommt, dass aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr die Kinderbetreuungseinrichtungen oftmals – und im Besonderen nach der Corona-Zeit – empfehlen, kranke Kinder lieber zu Hause zu lassen, bis die Erkrankung ausgeheilt ist.
Eltern muss es aber auch nach Ablauf der Sonderregelung möglich sein, auf erweiterte Kin-derkrankentage zurückzugreifen, sowohl im Falle eines kranken Kindes als auch einer Schließung der Kinderbetreuungseinrichtung. Deswegen gilt es die Kinderkrankentage pro Kind und Elternteil langfristig auf 15 bzw. für Alleinerziehende auf 30 Arbeitstage zu erhöhen.
Ein System, welches auf Fremdbetreuung ausgerichtet ist und in dem beide Elternteile arbeiten müssen, um den Lebensunterhalt finanzieren zu können, muss dafür Sorge tragen, dass die zur Verfügung stehenden Betreuungseinrichtungen funktionieren und zugänglich sind. Tut es das nicht, muss dafür Sorge getragen werden, die Eltern in der Hinsicht so zu unterstützen, dass ihnen dadurch kein finanzieller Schaden entsteht.
Für ein familienfreundlicheres NRW ist von daher eine Anpassung des Kinderkrankengelds durch § 45 SGB V dahingehend vorzunehmen, dass Eltern erweiterte Kinderkrankentage von 15 bzw. 30 Arbeitsagen in Anspruch nehmen können. Die Krankentage müssen zusätzlich, und trotz Beendigung der Corona-Einschränkungen, auch dann in Anspruch genommen werden können, wenn das Kind aufgrund einer Schul- bzw. Kitaschließung zu Hause betreut werden muss.
II. Der Landtag stellt fest:
- Die ursprünglichen Regelungen zu Kinderkrankentagen von 10 bzw. 20 Arbeitstagen sind durch die heutigen gesellschaftlichen Lebensumständen nicht mehr ausreichend.
- Die aktuelle gesetzliche Regelung der erweiterten Kinderkrankentage läuft zum Ende des Jahres 2023 aus und muss dementsprechend angepasst werden, da sie einen wesentlichen Beitrag zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen.
- Der weiterhin steigende Personalmangel in den Kindertageseinrichtungen wird die Problemlage vor Ort noch weiter verstärken, wodurch in den kommenden Wintermonaten erneut mit einer erhöhten Zahl an betroffenen Kinderbetreuungseinrichtungen zu rechnen ist, die komplette Gruppen schließen oder ihre Betreuungszeiten stark reduzieren müssen.
- Die Kinderkrankentage müssen Eltern in Zukunft auch dann zur Verfügung stehen, wenn das Kind aufgrund einer Schließung der Betreuungseinrichtung wegen Personalmangels zu Hause betreut werden muss.
III. Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:
- Sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass § 45 SGB V so abgeändert wird, dass der Anspruch auf Krankengeld auf längstens 15 bzw. 30 Arbeitstage erweitert wird.
- Sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass § 45 SGB V so abgeändert wird, dass berufstätige Eltern die Kinderkrankentage auch dann in Anspruch nehmen können, wenn das eigene Kind aufgrund einer Schließung der Betreuungseinrichtung wegen Personalmangels zu Hause betreut werden muss.
- Zusätzlich sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Regelung der erweiterten Kinderkrankentage zu nicht noch mehr Bürokratie durch die Beantragung bei den Krankenkassen führt.
Zacharias Schalley
Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz
und Fraktion
1 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/kindergesundheit/faq-kinderkran-kengeld.html (abgerufen am 30.05.2023)
4 https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/kita-plaetze-fehlen-nrw-100.html (abgerufen am 30.05.2023)
5 https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/kita-schliessungen-nrw100.html (abgerufen am 23.05.2023)