Gefahrenpotential von „Fiesen Fasern“ – Schädigen Windkraftanlagen Mensch und Natur?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1132
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Andreas Keith vom 23.01.2023

Gefahrenpotential von „Fiesen Fasern“ – Schädigen Windkraftanlagen Mensch und Natur?

Der Koalitionsvertrag der Landesregierung sieht vor, den Windkraftausbau in der 18. Legislaturperiode stark voranzutreiben. So sollen bis 2027 1.000 neue Windkraftanlagen entstehen – auch die Abstandsregel von mindestens 1.000 m soll zugunsten einer höheren Dichte der Windkraftanlagen fallen. Im Rahmen dieses aggressiven Ausbaus erneuerbarer Energien muss zwingend beleuchtet werden, welche Gefahren für die Bevölkerung Nordrhein-Westfalens bestehen.

Immer wieder werden Windkraftanlagen aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf die heimische Fauna kritisiert. Vögel, Fledermäuse und Insekten werden von den Rotorblättern getötet.

Ein weniger beachteter negativer Aspekt ist die Umweltschädlichkeit der Materialien, aus denen die Windkraftanlagen hergestellt werden. Verbundwerkstoffe von Rotorblättern aus Glasfasern (GFK), Balsaholz, Stahlelementen und bei sehr großen Flügeln auch Kohlenstofffasern (CFK) werden mit Epoxidharzen verklebt. Darin enthalten sind giftige Stoffe wie Bisphenol A. Nachdem GFK lange als Hauptbestandteil eingesetzt wurde, verwenden die Hersteller der Anlagen wegen der Gewichtseinsparung zunehmend mit Carbonfasern verstärkte Kunststoffe (CFK).

Die Fasern werden mit den Kunststoffen in eine Form eingebettet und durch Erwärmen ausgehärtet.

Im Brandfall jedoch werden bei Temperaturen über 650 Grad Celsius mit der Asche des CFK-Kunststoffs lungengängige Fasern freigesetzt, deren Wirkung die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als ähnlich krebserregend wie Asbest einschätzt.

Bei einer Beschädigung des Rotorblatts könnten neben scharfkantigen größeren Bruchstücken auch feinste, lungengängige Faserstäube von Carbonfasern freigesetzt worden sein, sogenannte „fiese Fasern“, die über Haut und Lunge in den Organismus von Menschen und Tieren eindringen können.

Da brennende WKA wegen ihrer großen Höhe nicht löschbar sind, kommt es zu nicht beherrschbaren Emissionen von „Fiesen Fasern“, wobei die Wetterlage Richtung und Ausbreitung der hochgefährlichen Stäube bestimmt.1

Ausgediente Rotorblätter aus CFK können nicht im Recycling-Kreislauf verarbeitet werden und landen meist in Deponien. Schätzungen zufolge landen mit jedem Rotorblatt 25 Tonnen Kunststoff schlichtweg im Sondermüll.2

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zur Umwelt- und Gesundheitsschädlichkeit von sogenannten „fiesen Fasern“?
  2. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zu Rückständen von „fiesen Fasern“ in Böden, Grundwasser, Lebensmitteln und wildlebenden Tieren?
  3. Wie oft kam es in den vergangenen fünf Jahren zu Havarien, Unfällen, Bränden und Ähnlichem im Zusammenhang mit Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen, bei denen „fiese Fasern“ freigesetzt wurden?
  4. Inwiefern sind die Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen im Umgang mit diesen lungengängigen Fasern geschult und verfügen über die entsprechende technische Ausstattung?
  5. Welche Maßnahmen trifft die Landesregierung konkret, um die Verbreitung dieser Fasern in der Natur, landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wohngebieten durch Windkraftanlagen zu verhindern?

Zacharias Schalley
Andreas Keith

 

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1 Htt ps:// p a z . d e / a r t i k e l / d i e – u n t erschaetzte-gefahr-der-rotorblaetter-a8023.html

2 Ht t ps:// w w w . f o c u s . d e / f i n a n z e n / b o erse/rotorblaetter-werden-zum-problem-im-massengrab-4-000-windraeder-jaehrlich-landen-auf- d e m – s o n dermuell_id_11639296.html


Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 1132 mit Schrei­ben vom 24. Februar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie, dem Minister des Innern, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung und der Ministerin für Landwirtschaft und Ver­braucherschutz beantwortet.

  1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zur Umwelt- und Gesundheitsschäd­lichkeit von sogenannten „fiesen Fasern“?

Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) und Carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) sind Leichtbaustoffe, die in vielen Produktbereichen überall dort eingesetzt werden, wo es auf ge­ringes Gewicht und zugleich hohe Festigkeit ankommt. Typische Einsatzbereiche sind der Fahrzeug- und Schiffbau, Luftfahrt, Maschinenverkleidungen oder auch Sportgeräte. Da auch Rotorblätter von Windenergieanlagen hohe Festigkeiten bei geringer Masse aufweisen müs­sen, kommen auch hier GFK und CFK zum Einsatz.

Die genannten Fasern bezeichnen Bruchstücke von solchen Carbonfasern mit kritischen Di­mensionen nach Definition der WHO (lungengängige Fasern mit den Abmessungen länger als

5 µm, dünner als 3 µm und Verhältnis von Länge zu Durchmesser größer 3:1). Diese „WHO-Fasern“ sind aufgrund ihrer Geometrie grundsätzlich geeignet, gesundheitliche Beeinträchti­gungen wie insbesondere krebserzeugende Wirkungen hervorzurufen. Laut Umweltbundes­amt geben die Ergebnisse von toxikologischen Untersuchungen Hinweise auf eine geringere Toxizität von Carbonfasern im Vergleich zu bekannten kanzerogenen Fasern wie Asbest. Im Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe der Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 905) an Arbeitsplätzen sind Carbonfasern der Kategorie 2 (Verdacht auf karzinogene Wirkung beim Menschen) zugeordnet.

  1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zu Rückständen von „fiesen Fasern“ in Böden, Grundwasser, Lebensmitteln und wildlebenden Tieren?

Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse zu Rückständen von Bruchstücken von Carbonfasern in Böden, Grundwasser, Lebensmitteln und wildlebenden Tieren vor.

  1. Wie oft kam es in den vergangenen fünf Jahren zu Havarien, Unfällen, Bränden und Ähnlichem im Zusammenhang mit Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen, bei denen „fiese Fasern“ freigesetzt wurden?

Eine statistische Erfassung konkreter Fallzahlen zu Havarien, Unfällen, Bränden und Ähnli­chem im Zusammenhang mit Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen erfolgt nicht.

  1. Inwiefern sind die Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen im Umgang mit diesen lungengängigen Fasern geschult und verfügen über die entsprechende techni­sche Ausstattung?

Bei der Bekämpfung von Bränden oder der technischen Hilfeleistung sind geeignete Feuerwehrschutzkleidung und umluftunabhängiger Atemschutz für Einsatzkräfte der Feuerwehren als ausreichende Schutzmaßnahmen anzusehen. Besondere Risiken für Einsatzkräfte der Feuerwehren werden bei Einhaltung der einschlägigen Einsatzgrundsätze, der Feuerwehr-Dienstvorschriften und der Unfallverhütungsvorschriften nicht gesehen. Veröffentlichungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung dienen hierbei ergänzend als Orientierung. Der vom Deutschen Feuerwehrverband empfohlene Absperrbereich von 500 m kann bei Be­darf lageangepasst erweitert werden, insbesondere wenn es dem Schutz der Bevölkerung dient.

  1. Welche Maßnahmen trifft die Landesregierung konkret, um die Verbreitung dieser Fasern in der Natur, landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wohngebieten durch Windkraftanlagen zu verhindern?

Da es grundsätzlich nicht auszuschließen ist, dass beim Rückbau von Windkraftanlagen Fa­sern freigesetzt werden können, hat die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) den Leitfaden „Anforderungen des Bodenschutzes an den Rückbau von Windenergie-anlagen“3 erstellt, in dem bundesweit einheitliche Anforderungen des Bodenschutzes beim Rückbau von Windenergieanlagen formuliert sind. In diesem Leitfaden sind Maßnahmen be­schrieben, mit denen ein Eintrag von Fremdstoffen wie z. B. anorganischen oder organischen Schadstoffen, durch Splitter, Fasern oder Stäube (auch aus CFK oder GFK) in den Boden verhindert wird. Zu diesen Maßnahmen gehören Einhausungen, Wannen, Matten oder Ge­otextilien zum Schutz des Bodens bei Zersägen oder Sprengung bzw. Demontage von Einzel­komponenten.

 

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3 Anforderungen des Bodenschutzes an den Rückbau von Windenergieanlagen (2021). LABO Leitfaden Anforderungen des Bodenschutzes an den Rückbau von Windenergieanlagen – LABO-Projekt B2.20 (labo-deutschland.de)