Geldautomatensprengungen nicht im Griff – Kapituliert der Rechtstaat vor der „marokkanischen Mafia“?

Kleine Anfrage

Antwort

der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 833 vom 28. November 2022
des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Drucksache 18/1843

Geldautomatensprengungen nicht im Griff – Kapituliert der Rechtstaat vor der „marok­kanischen Mafia“?

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Obwohl seit 2015 vor allem in Nordrhein-Westfalen immer wieder Automatensprengungen durch marokkanisch-niederländische Banden verübt worden sind und sogar eine eigens dafür eingesetzte Sonderkommission gegründet wurde, ist das Ergebnis mehr als ernüchternd. Statt Erfolge kann das Land vermehrt nur Tiefschläge vorweisen. Die Arbeit der Sonderkommission werde fortgesetzt, obwohl sie Ende Oktober eingestellt werden sollte. Die Zahl der Sprengun­gen verdreifachte sich sogar allein im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeit-raum. Bis August 2022 wurden bereits rund 130 Automaten in NRW gesprengt, was einen Schaden von 10,7 Millionen Euro verursachte.1

Dass Nordrhein-Westfalen seit 2015 in den Fokus der Geldsprengungen geraten ist, liegt an der Tatsache, dass die niederländischen Banken ihre Automaten hochrüsteten und nicht hoch­gerüstete Automaten abschafften. Die Geldautomatensprenger wurden so weitestgehend aus den Niederlanden verdrängt. Die Täter gehören einem bis zu 700 Mann starken Netzwerk überwiegend marokkanisch-niederländischer Krimineller an, die selbst für Morde verantwort­lich gemacht werden. Dabei greifen die Kriminellen auf stetig neu rekrutiertes Personal zurück und setzen bei ihren Sprengungen mittlerweile meist Explosivstoffe ein.2

„Je mehr wir aufrüsten, desto stärker sind die Schäden.“3

So beklagt der Rheinische Sparkassen- und Giroverband die Entwicklung der Sprengungen. Und die Polizei wirke nach Angaben von Welt.de bei diesem Zweikampf fast wie ein Zu­schauer, der sich überwiegend darauf beschränke, die Opfer zum Selbstschutz zu ermuntern. Zusätzlich wurde der staatliche Ansatz verworfen, mehr Personal für den mobilen Grenzschutz bereitzustellen.4

Die Erfahrung anderer Länder im Umgang mit Geldautomatensprengungen hat bereits 2015 gezeigt, dass Farbkassetten mit Färbesystem dazu führen, dass Täter aus Holland nach NRW drängen. In Schweden, Belgien und Frankreich wurden die Banken sogar gesetzlich zum Ein­satz der Tintentechnologie verpflichtet.5 Mitte 2022 existiert eine derartige Technik immer noch nicht in Deutschland und das Bundesinnenministerium ist stattdessen bemüht zu prüfen, ob auch in Deutschland Banken gesetzlich in die Pflicht zur Ergreifung von Sicherheitsmaßnah­men genommen werden können.6

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 833 mit Schreiben vom 3. Januar 2023 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Kli­maschutz und Energie, dem Minister der Finanzen sowie dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie bewertet die nordrhein-westfälische Landesregierung die weiter ansteigende Zahl von Geldautomatensprengungen in Nordrhein-Westfalen?

Das Kriminalitätsphänomen der „Geldautomatensprengungen“ stellt aufgrund der Vorgehens­weise und Skrupellosigkeit der Täter alle Betroffenen und auch die Polizei vor besondere Her­ausforderungen. Die Bekämpfung dieses Phänomens erfordert die direktionsübergreifende Einbindung zahlreicher Organisationseinheiten der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen und bildet einen strategischen Schwerpunkt. Im April 2022 wurde die Sonderkommission „Be­kämpfung Geldautomatensprengungen“ (Soko BEGAS) gegründet und organisatorisch unmit­telbar beim Landeskriminaldirektor angebunden. Das Ziel der Soko BEGAS ist es, die bisheri­gen Ermittlungs-, Fahndungs- und Präventionsansätze zu analysieren und neue Standards zu setzen.

Insbesondere die Verwendung fester Explosivstoffe, die seit dem Jahr 2021 zu konstatieren ist, stellt eine Gefahrerhöhung für Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger, Sachgüter sowie für die Einsatzkräfte in Nordrhein-Westfalen dar. Die Geldinstitute und Geldautomaten-hersteller investieren zwar in die Sicherungstechnik der Geldautomaten. Derzeit deuten die hohen Fallzahlen jedoch darauf hin, dass die bisherigen Präventionsmaßnahmen nicht aus­reichend sind. Vor dem Hintergrund der überwiegend grenzüberschreitenden Tatbegehung kommt der Kooperation mit internationalen Partnern sowie den betroffenen Bundesländern eine wesentliche Bedeutung zu. Das Kriminalitätsphänomen kann allein durch Nordrhein-Westfalen nicht eingedämmt werden und bedarf einer engen Kooperation der Polizei Nord­rhein-Westfalen mit der Banken- und Kreditwirtschaft, den Geldautomatenherstellern, den An­rainerstaaten, dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei und den Polizeien der Bundeslän­der. Dies geschieht strukturiert und abgestimmt.

Die aktuelle Lage in Nordrhein-Westfalen stellt sich wie folgt dar:

Seit 1. Januar 2022 ist es in Nordrhein-Westfalen bis zum 15. Dezember 2022 zu 173 (2021 (gesamt): 152; 2020 (gesamt): 176) Angriffen auf Geldautomaten gekommen. Nach 63 Taten im ersten Quartal 2022 gingen die Zahlen im zweiten Quartal (41) und dritten Quartal 2022 (21) zunächst deutlich zurück. Im Oktober und November kam es erneut zu jeweils 18 Angrif­fen, von denen im November jedoch jeder zweite im Versuchsstadium und damit erfolglos blieb.

Die weiterhin hohe Anzahl an Tatbegehungen in Nordrhein-Westfalen zeigt, dass die Polizei und alle Partner dem Kriminalitätsphänomen weiterhin konsequent und entschlossen begeg­nen müssen.

Im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz ist insbesondere durch die Einrichtung der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS NRW) und weiterer Schwerpunkstaatsanwaltschaften für Organisierte Kriminalität si­chergestellt worden, dass – sofern bezirksübergreifende, länderübergreifende oder internatio­nale Tatzusammenhänge erkennbar sind – eine zentrale Aufgabenwahrnehmung bei der Straf­verfolgung erfolgt, um auf diese Weise Erkenntnisse zu bündeln und neue Ermittlungsansätze zu gewinnen. Dies hat in jüngerer Zeit bereits zu Ermittlungserfolgen unter Leitung der ZeOS NRW geführt (zu vgl. Pressemitteilungen vom 12.05.2022, abrufbar unter w w w . b ka .d e / D E / P r e s se / L i s tenseit e_ P ressemittei l u ng en/2022/P re s s e 20 2 2 /220512_PM_Fest-nahmenGeldautomatensprenger.html24.08.2022, und vom 24.08.2022, abrufbar unter htt p s : / / po l i z ei .nrw/presse/ p ol i z ei – n rw-fasst- g e l d au tomatensprenger).

  1. Welche Gründe liegen vor, dass die Landesregierung nicht endlich mehr Personal bereit stellt, um den deutsch-niederländischen Grenzschutz zu stärken?

Gem. § 2 Bundespolizeigesetz (BPolG) obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesge­bietes grundsätzlich der Bundespolizei.

Die nordrhein-westfälische Polizei bekämpft grenzüberschreitende Kriminalität in den Grenz­behörden unter anderem auf der rechtlichen Grundlage des Vertrages zwischen der Bundes­republik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die grenzüberschreitende po­lizeiliche Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten in Form von gemischt besetzten Dienststellen und Polizeiteams. Dazu zählen sowohl grenzüber­schreitende Polizeiteams (GPT) als auch das Euregionale Polizei-Informations- und Koopera­tionszentrum (EPICC). Von deutscher Seite sind dort (GPT und EPICC) die Bundespolizei sowie die Polizei Nordrhein-Westfalen gemeinsam vertreten.

  1. Warum ist es in Deutschland nach wie vor nicht möglich, eventuell nach nieder­ländischem Vorbild (siehe oben), die Automatensprenger aus Deutschland zu ver­drängen?
  2. Warum ist es in Deutschland nach wie vor nicht möglich eventuell nach schwe­dischem oder französischem Vorbild (siehe oben) die Automatensprenger aus Deutschland zu verdrängen?

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Nordrhein-Westfalen verfügt über ca. 11.000 verbaute Geldautomaten und damit bundesweit über die höchste Anzahl. Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen berichtet von ca. 2.000 Geldautomaten, die in den Niederlanden vorhanden sind. Während in den Niederlanden der geringe Bargeldbedarf auf die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, Zahlungen schwer­punktmäßig mit einer Debit- oder Kreditkarte zu tätigen, zurückzuführen ist, besteht in Deutschland nach wie vor ein hoher Bargeldbedarf. Ein Abbau von Geldautomaten zum Schutz vor einer möglichen Attacke geht oftmals mit Beschwerden der Bürgerinnen und Bür­ger, insbesondere in ländlichen Regionen, einher. Eine Adaption der Maßnahmen anderer eu­ropäischer Staaten bedarf daher einer ganzheitlichen Betrachtung und sorgfältigen Prüfung.

In Frankreich und Schweden bestehen gesetzliche Regelungen, die die Geldinstitute – mit dem Ziel der Prävention von Geldautomatensprengungen – z.B. zum Verbau von Einfärbetechnik verpflichten. Die Schaffung einer solchen gesetzlichen Regelung für Deutschland obliegt der Bundesgesetzgebung und wird dort derzeit geprüft.

 

Antwort als PDF

 

1 Vgl. htt p s : / /www. W e l t .de/regionales/nrw/ a r t i c l e 24 16 51 03 5/ Materialschlacht-mit-der-marokkanischen-M a f i a.h t m l.

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Ebd.

5 Vgl. htt p s : / / www. W e l t .de/vermischtes/ a r t i c l e 14 88 86 29 0 /Warum-Banden-so-gern-deutsche-G e l d a u t o m a t e n-sprengen.h t m l .

6 Vgl. https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/hmp-geld-automaten-sprengung-farbe-100.html.

Beteiligte:
Markus Wagner