Kleine Anfrage 2041
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
Gelsenkirchen: Syrer niedergestochen – Wann greift der Rechtsstaat endlich durch?
Das Ruhrgebiet wird offensichtlich mehr und mehr zum Schauplatz gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Clanfamilien, die ganz offen ihre Fehden auf öffentlichen Straßen und Plätze austragen. Verheerend dabei ist die passive Rolle dieses Rechtsstaats, der weder entschlossen noch willens ist, gegen diese Strukturen effektiv vorzugehen.
Am Mittwochabend des 21. Juni 2023 wurde ein blutender junger Mann mitten in Gelsenkirchen am Heinrich-König-Platz nahe der Sparkasse aufgefunden. Bei dem Mann handelte es sich um einen Syrer, der mehrere Stichwunden im Oberschenkel aufwies und durch Rettungskräfte vor Ort versorgt und anschließend in ein Krankenhaus gebracht wurde.1
Da die Gefahr bestand, dass der Verletzte im Zusammenhang mit der eskalierenden Clan-Kriminalität steht und es daher erneut zu weiteren Tumulten kommen könnte, forderte die Polizei Verstärkung an, darunter auch die Hundertschaft der Landeseinsatzbereitschaft. Nach ersten Informationen soll das Opfer mit einem Libanesen in Streit geraten sein, wobei die Polizei davon ausgeht, dass sechs bis acht Libanesen die Angreifer gewesen sein könnten. Ein Libanese teilte auf Nachfrage der Bild-Zeitung mit, dass es „Streit wegen einer Frau“ gab, „aber in der aktuellen Situation sind solche blutigen Attacken keine Privatsache, dann betreffen sie sofort auch die ganzen Sippen. Denn noch herrscht kein Frieden zwischen uns und den Syrern.“2
Im Rahmen der Ermittlungen kontrollierte die Polizei im Umfeld des Tatortes mehrere Fahrzeuge. Als sie gegen 23:20 Uhr einen Wagen auf der Florastraße anhalten wollten, flüchtete der Fahrer über die A 42 in Richtung Essen. Dort konnte das Fahrzeug kurze Zeit später nach einem Unfall, an dem die Polizei nicht beteiligt war, sichergestellt und der Fahrer festgenommen werden.3
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
- Wie hat sich das Clan-Personenpotenzial von 2015 bis heute in Gelsenkirchen verändert? (Bitte die Clans einzeln auflisten und nach ethnischer Herkunft ordnen.)
- Welches sind die kriminellen Geschäftsfelder der unter Frage 2 genannten Clans?
- Was hat die Migrationspolitik der Landesregierung mit den familiär-ethnisch abgeschotteten Clans zu tun?
- Was hat die Integrationspolitik der Landesregierung mit den familiär-ethnisch abgeschotteten Clans zu tun?
Markus Wagner
2 Ebenda.
3 Ebenda.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2041 mit Schreiben vom 7. August 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration sowie dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
Die Leitende Oberstaatsanwältin in Essen hat dem Ministerium der Justiz unter dem 04.07.2023 im Wesentlichen berichtet, dass die Strafanzeige zu dem Vorfall am 21.06.2023 aufgrund der Kürze des Zeitablaufs noch nicht bei der Staatsanwaltschaft eingegangen und bei der Polizei aufgrund dringender Zeugenvernehmungen nicht entbehrlich sei. Nach Mitteilung des sachbearbeitenden Polizeibeamten des Polizeipräsidiums Gelsenkirchen sei der syrische Geschädigte durch noch unbekannte Täter in den Oberschenkel gestochen worden, weil er einer Frau aus dem arabischen Kulturkreis nach ihrer Auffassung zu lange nachgeschaut habe. Der Geschädigte habe bereits am 23.06.2023 aus dem Krankenhaus entlassen werden können.
- Wie hat sich das Clan-Personenpotenzial von 2015 bis heute in Gelsenkirchen verändert? (Bitte die Clans einzeln auflisten und nach ethnischer Herkunft ordnen.)
Die Anzahl der Tatverdächtigen, die ausweislich der Lagebilder Clankriminalität Nordrhein-Westfalen für die Jahre 2019 bis 2021 durch das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen erfasst wurden und im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Gelsenkirchen ihren Wohnsitz haben, ist der untenstehenden Tabelle zu entnehmen. Eine entsprechende Erhebung erfolgt erst seit 2019.
Jahr | Anzahl der Tatverdächtigen mit Wohnsitz im Zu-ständigkeitsbereich des PP Gelsenkirchen |
Anteil | Gesamtanzahl der Tat-verdächtigen in NRW |
2019 | 329 | 8,7 % | 3779 |
2020 | 321 | 8,4 % | 3826 |
2021 | 309 | 8,5 % | 3629 |
- Welches sind die kriminellen Geschäftsfelder der unter Frage 2 genannten Clans?
Unter Zugrundelegung des Lagebildes Clankriminalität Nordrhein-Westfalen 2021 sind in Gelsenkirchen keine anderweitigen oder darüberhinausgehenden kriminalitätsphänomenologischen Schwerpunkte erkennbar, sodass hier auf das veröffentlichte Lagebild verwiesen wird.
- Was hat die Migrationspolitik der Landesregierung mit den familiär-ethnisch abgeschotteten Clans zu tun?
- Was hat die Integrationspolitik der Landesregierung mit den familiär-ethnisch abgeschotteten Clans zu tun?
Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Migrations- und Integrationspolitik gehören zusammen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die vielen unterschiedlichen Gruppen von Einwanderinnen und Einwanderern, Geflüchteten, Familienangehörigen, Studentinnen und Studenten etc. werden auf der Bundesebene festgelegt. Die Zuständigkeit für Integrationspolitik obliegt sowohl dem Bund als auch den Ländern und ihren Kommunen. Die Teilhabe- und Integrationspolitik des Landes ist auf das friedliche Zusammenleben von Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte ausgerichtet. Gemäß dem Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in Nordrhein-Westfalen (TIntG), das im Landtag beschlossen wurde, erfolgt die Teilhabe- und Integrationspolitik der Landesregierung „in Achtung vor der Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen, unabhängig von Herkunft, Sprache, Geschlecht, Alter, Zugehörigkeit zu einer Religion oder Weltanschauung, sexueller und geschlechtlicher Identität, sozialer Lage oder einer körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigung“. Die Landesregierung unterstützt und fördert den Integrationsprozess der mehr als fünf Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte durch eine bundesweit einmalige integrationspolitische Infrastruktur und eine Vielzahl von Programmen und Maßnahmen, insbesondere zur Stärkung von Teilhabe und Integration in den Kommunen.