Gericht untersagt Herr Minister Reul, die Pressefreiheit für Konservative weiter einzuschränken – Der Innenminister muss die Verfassung schützen, nicht brechen!

Antrag
vom 22.06.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 22.06.2021

 

Gericht untersagt Herr Minister Reul, die Pressefreiheit für Konservative weiter einzuschränken – Der Innenminister muss die Verfassung schützen, nicht brechen!

I. Rechte und konservative Standpunkte, Publikationen und Parteien sind ein legitimer Bestandteil eines demokratischen Pluralismus’

Im Zusammenhang mit der Aufdeckung von mutmaßlichen und tatsächlichen rechtsextremen Telekommunikationsinhalten und einzelnen entsprechenden virtuellen Kontakten von Polizeibeamten und Mitarbeitern des nordrhein-westfälischen Innenministeriums erklärte Innenminister Herbert Reul im Herbst 2020 in einer öffentlichen Stellungnahme unter anderem, dass man „keine rechten Umtriebe“ dulde.1

Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen AfD-Landtagsfraktion, Markus Wagner, nahm diese pauschalisierende Aussage des Innenministers zum Anlass, um sich mit einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung zu wenden und unter anderem zu erfragen, wie Minister Herbert Reul zwischen „rechten“ und „rechtsextremen“ Standpunkten unterscheide, oder ob es seiner Ansicht nach neben einer Linken und einer sogenannten politischen Mitte keine demokratische Rechte geben dürfe.

Minister Reul stellte in der schriftlichen Antwort, Drs. 17/11925, klar, dass innerhalb „des grundgesetzlichen Verfassungsbogens […] politisch linke wie rechte Verhaltensweisen als Ausdruck einer auf Meinungspluralismus und Meinungsoffenheit angelegten, streitbaren Demokratie grundsätzlich zulässig“ seien.

Der Minister ergänzte allerdings:

„Der Staat hat jedoch die Aufgabe, zur Erhaltung dieser Demokratie linke wie rechte politische Umtriebe in den Blick zu nehmen und zu intervenieren, wenn diese in Extremismus umschlagen. Nichts anderes habe ich gemeint, als ich im Kontext von rechtsextremistischen Inhalten in Chatgruppen die zitierte Äußerung getätigt habe.“

Auf eine weitere Frage danach, wie die Meinungsfreiheit von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst, die konservative, demokratisch rechte oder nationalliberale Meinungen vertreten, in NRW gewährleistet werde, bekräftigte Minister Reul noch einmal, dass die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Meinungsfreiheit auch Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes zustehe. Freilich werde die Meinungsfreiheit dieser Personengruppe, insbesondere der Beamten, durch das Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot und das verpflichtende Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung begrenzt.

Vertreter etablierter Parteien führen die Worte der „Vielfalt“, „Toleranz“, der Grundrechte und des „Pluralismus“ stets im Munde, wenn sie sich öffentlich zu demokratiepolitischen Grundsatzfragen äußern. Ihr „Pluralismus“ scheint dabei jedoch ein einseitiger und eingeschränkter zu sein, der eine Meinungs- oder gar Narrenfreiheit lediglich auf einem Kontinuum von der radikalen Linken über linksliberale und grüne Weltanschauungen bis hin zum Pseudokonservatismus der Unionsparteien kennt.

Ein Blick in die Demokratietheorie: Nach Ernst Fraenkel, dem wohl bedeutendsten Vertreter der Pluralismustheorie in Deutschland, benötigt eine stabile Demokratie eine Kombination aus Konsens und Konflikt. Fraenkel unterscheidet dabei zwischen einem kontroversen und einem nicht-kontroversen Sektor. Während der nicht-kontroverse Sektor den für die Stabilität einer Demokratie notwendigen Grundkonsens, also einen allgemein anerkannten Wertekodex (Gebote der sozialen Ethik oder Verfahrensregeln), meint, beschreibt der kontroverse Sektor jene Sphäre, in der unterschiedliche, teils gegensätzliche Interessen und Ideen im gemeinsamen Wettbewerb miteinander stehen und mit aller Härte aufeinandertreffen.2

Nähmen Etablierte ihre hochtrabenden Verweise auf Freiheit und Pluralismus ernst, dann müssten sie die Legitimität und Legalität einer demokratischen Rechten vollumfänglich anerkennen, auch wenn diese sich im Rahmen der Verfahrensregeln und Fundamentalnormen des Grundgesetzes mitunter streitbar, widerständig und mit der Bereitschaft zur Provokation dem herrschenden Zeitgeist entgegenstellt.

II. Herbert Reul warnt unrechtmäßig vor konservativer Wochenzeitung und greift in den Schutzbereich der grundrechtlich verbürgten Pressefreiheit ein

Einen aktuellen Beleg dafür, dass Freiheitsrechte und Pluralismus für konservative und rechte Projekte in der politischen und administrativen Praxis eben nur unter Vorbehalt oder gar nicht gelten, liefert Innenminister Herbert Reul erneut selbst:

In einem nun veröffentlichen Urteil untersagte ihm das Düsseldorfer Verwaltungsgericht, künftig erneut zu behaupten, die Lektüre der konservativen Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT könne als Warnsignal für eine rechtsextreme Gesinnung gewertet werden. Bei Zuwiderhandlung droht dem Innenminister nun ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 Euro. Besonders brisant: Der auch für den „Verfassungsschutz“ zuständige Minister hat nach Auffassung der Richter mit seinen Äußerungen unzulässig in den Schutzbereich der grundrechtlich verbürgten Pressefreiheit der betroffenen Wochenzeitung eingegriffen. Überdies ist der Innenminister dazu verpflichtet worden, seine so genannten „Extremismusbeauftragten“ zu informieren, dass er seine Einschätzung nicht aufrechthält.3

III. Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

  1. künftig rechtswidrige Eingriffe in den Schutzbereich der grundrechtlich verbürgten Presse-und Meinungsfreiheit zu unterlassen;
  2. nicht nur die sogenannten „Extremismusbeauftragten“ darüber zu informieren, dass die Einschätzung nicht aufrechterhalten wird, sondern alle Landesbeamten, insbesondere die Polizeivollzugsbeamten und Verwaltungsbeamten bei der Polizei, diesbezüglich in Kenntnis zu setzen und
  3. den behördlich organisierten „Verfassungsschutz” schnellstmöglich so zu reformieren, dass er in Zukunft nicht mehr als parteipolitisches Instrument gegen politische Gegner missbraucht werden kann.

Sven W. Tritschler
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 Neue Westfälische (2020): Skandal um rechtsextreme Chats erreicht NRW-Verfassungsschutz; online im Internet: https://www.nw.de/nachrichten/nachrichten/22871899_Skandal-um-rechtsextreme-Chats-erreichtNRW-Verfassungsschutz.html.

2 Vgl. Schmidt, G. Manfred (2010): Demokratietheorien. Eine Einführung, 5. Auflage, Wiesbaden, S. 210ff..

3 Vgl. Junge Freiheit (2021): JUNGE FREIHEIT siegt gegen Innenminister Reul; online im Internet: https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2021/junge-freiheit-reul/.