Geseke: 13-Jähriger sticht auf anderen Jungen ein – Wenn eine Nichtigkeit fast zum Tod führt

Kleine Anfrage
vom 11.10.2024

Kleine Anfrage 4623

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Geseke: 13-Jähriger sticht auf anderen Jungen ein Wenn eine Nichtigkeit fast zum Tod führt

Am Mittwoch, den 14. August 2024, kam es um kurz vor 18:00 Uhr auf dem Schulhof der Adenauer-Schule in Geseke zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Jugendlichen. In deren Verlauf hat ein 13 Jahre alter Deutsch-Bulgare mit einem Messer auf sein 14 Jahre altes Opfer mehrfach eingestochen und es lebensbedrohlich verletzt. Der 14-Jährige wurde in ein Krankenhaus gebracht und notoperiert. Der mutmaßliche Täter wurde, der nach der Tat unter anderem mit einem Polizeihubschrauber gesucht wurde, kam nach seiner Ergreifung in die Obhut des Jugendamtes und wurde in eine geschlossene Abteilung einer Jugendpsychiatrie verlegt. Wie die Bild-Zeitung berichtete, sei der 13-Jährige wegen Gewaltdelikten „bereits hinreichend bei der Polizei bekannt“. Nach Informationen der Staatsanwaltschaft sei ein „nichtiger Streit unter den Jugendlichen“ Anlass des Messerangriffs gewesen. In einer Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Paderborn und des Polizeipräsidiums Dortmund hieß es, dass eine Mordkommission wegen eines versuchten Tötungsdeliktes eingesetzt worden sei.1

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tatverdächtigen, Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen nennen.)
  2. Welche polizeilichen Erkenntnisse sind über den Tatverdächtigen bekannt?
  3. Wird der Tatverdächtige bereits als Intensivtäter geführt?
  4. Welche Schritte wurden unternommen, um den Täter nach der Tat so zu sanktionieren und zu betreuen, um dadurch sicherzustellen, dass er keine weiteren Gewalttaten begeht?
  5. Wie unterstützt die Landesregierung Schulen, Jugendämter und andere Institutionen dabei, gefährdete Jugendliche frühzeitig zu identifizieren und zu betreuen, um Gewaltverbrechen zu verhindern?

Markus Wagner

 

MMD18-11000

 

1 Vgl. https://www.welt.de/vermischtes/kriminalitaet/article253013750/Messerangriff-unter-Jugendlichen-13-Jaehriger-sticht-in-Schule-auf-anderen-Jungen-ein.html.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 4623 mit Schreiben vom 18. November 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern sowie der Minis­terin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tatverdächtigen, Tathergang, Vorstra­fen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdäch­tigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Staatsange­hörigen nennen.)

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Paderborn hat mir unter dem 17.10.2024 im We­sentlichen berichtet, bei seiner Behörde sei ein Ermittlungsverfahren gegen ein 13­jähriges Kind wegen des Verdachts des versuchten Totschlags in Tateinheit mit ge­fährlicher Körperverletzung geführt worden, das wegen Schuldunfähigkeit des Be­troffenen gemäß § 19 StGB eingestellt worden sei. Das Kind sei verdächtig gewesen, am 14.08.2024 auf einem Schulhof in Geseke im Verlauf einer Streitigkeit mit einem Jugendlichen ein Messer gezogen und damit in den Bauchbereich des Geschädigten gestochen zu haben. Das strafunmündige und dementsprechend nicht vorbestrafte Kind sei deutscher und bulgarischer Staatsangehöriger.

Von Angaben zu seinem Vornamen wird unter Abwägung des parlamentarischen Informa­tionsinteresses mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Unschulds­vermutung abgesehen. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass wegen der zeit­lichen und örtlichen Eingrenzung der Tat und weiterer, auch presseöffentlicher Angaben zu dem Vorfall eine Identifizierbarkeit des Betroffenen bei Nennung seines Vornamens wahr­scheinlich oder jedenfalls möglich erscheint. Dem parlamentarischen Informationsinteresse, das nicht der konkreten Strafverfolgung einzelner Personen gilt, sondern der Regierungskon­trolle und Gesetzgebung dient, wird durch die weiteren Angaben zum Sachstand entsprochen.

Dem Ministerium des Innern liegen keine über die bereits in das Ermittlungsverfahren einge­flossenen Erkenntnisse hinausgehenden Informationen vor.

  1. Welche polizeilichen Erkenntnisse sind über den Tatverdächtigen bekannt?

Kriminalpolizeiliche Erkenntnisse im Sinne dieser Antwort fußen grundsätzlich auf

Verdachtsmomenten,     die Grundlage für eine polizeiliche Strafanzeige oder die Gegenstand von kriminalpolizeilichen Ermittlungen geworden sind. Solche Erkenntnisse ermöglichen regelmäßig keinen Rückschluss auf die Richtigkeit des in Rede stehenden Vorwurfs und auf das Ergebnis der abschließenden justiziellen Prüfung durch Staatsanwaltschaften und Gerichte. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Der 13-Jährige, der als Strafunmündiger strafrechtlich nicht verfolgt werden kann, ist in der Vergangenheit mit nachfolgenden Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten:

  • gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr,
  • Sachbeschädigung (zweimal),
  • Diebstahl in/aus Kiosk, Warenhäusern, Verkaufsräumen,
  • besonders schwerer Fall des Diebstahls von Mopeds und Krafträdern,
  • vorsätzliche einfache Körperverletzung (zweimal) und
  • Verstoß gegen das Waffengesetz.
  1. Wird der Tatverdächtige als Intensivtäter geführt?

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Paderborn hat in seinem vorbezeichneten Bericht mitgeteilt, der 13-Jährige werde seit April 2024 bei seiner Behörde als Intensivtäter geführt.

  1. Welche Schritte wurden unternommen, um den Täter nach der Tat so zu sanktionieren und zu betreuen, um dadurch sicherzustellen, dass er keine weiteren Gewalttaten begeht?

Das Kind ist Teilnehmer der Initiative „Kurve kriegen“. Mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte des Kindes wird von detaillierten Auskünften zu den im Sachzusammenhang getroffenen Maßnahmen abgesehen. Auf die Möglichkeit der Anwendung des § 53 des Schulgesetzes NRW (Erzieherische Einwirkungen, Ordnungsmaßnahmen) wird verwiesen. Voraussetzung hierfür ist, dass ein schulischer Zusammenhang gegeben ist. Auch diesbezüglich kann aus Gründen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gemäß § 120 des Schulge­setzes NRW keine weitere Aussage getroffen werden.

Der gesetzliche Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII ist von pädagogischen und nicht von generalpräventiven Zielen oder dem Gedanken der Sanktionierung geleitet. Viel­mehr stellt die Kinder- und Jugendhilfe die Unterstützung und Förderung junger Menschen in den Mittelpunkt. Sie bietet individuelle Hilfen, gerade auch in schwierigen Situationen und bei besonders intensiven pädagogischen Bedarfen. Die Jugendämter in Nordrhein-Westfalen kommen ihrem Auftrag mit Engagement nach und unterstützen die jungen Menschen im Rah­men ihrer Möglichkeiten. Dabei wirkt das Jugendamt auch eng mit weiteren Hilfesystemen sowie mit Polizei und Schule zusammen.

  1. Wie unterstützt die Landesregierung Schulen, Jugendämter und andere Institutionen dabei, gefährdete Jugendliche zu identifizieren und zu betreuen, um Gewaltverbrechen zu verhindern?

Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen informiert Mitarbeitende der Schulen, Jugendäm­ter sowie weitere Multiplikatoren, zu deren Aufgabe die Befassung mit Minderjährigen gehört, in Informationsveranstaltungen unter anderem über Erscheinungsformen von Jugendkrimina­lität und Jugendgewalt. Sie arbeitet mit anderen Präventionsträgern zusammen, um „kriminelle Karrieren“ zu verhindern. Nach den Vorgaben des gemeinsamen Runderlasses „Zusammen­arbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ des Ministeriums des In­nern, des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, des Ministeriums für Schule und Bildung und des Ministeriums der Justiz unterbreitet die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen allen Schulen Kooperationsangebote, die auf die Verhinderung von Straftaten durch Schülerinnen und Schüler gerichtet sind. Die Zusammenarbeit kann sowohl direkt zwischen den beteiligten Parteien als auch im Rahmen einer Ordnungspartnerschaft erfolgen.

Zur Minimierung von Jugendkriminalität und zur Förderung von Gewaltprävention findet au­ßerdem auf Landesebene im Landesarbeitskreis Jugendhilfe, Polizei und Schule ein regelmä­ßiger Austausch statt.

Weiterhin unterstützt das Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bun­des (ProPK) Lehrkräfte mit umfangreichen Materialien bei ihrer Präventionsarbeit.

Die Landesregierung stellt sich gegen jede Form von Gewalt. Damit alle Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und alle am Schulleben beteiligten Personen Schulen als sichere Lernorte wahrnehmen, arbeiten Lehrkräfte in multiprofessionellen Teams verschiedener Träger zusam­men. Grundlage für die Zusammenarbeit der Behörden ist der o. g. gemeinsame Runderlass „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“. Er gibt vor, dass die Netzwerkarbeit einer Vielzahl von Institutionen wie u.a. der Jugendhilfe, Schulen, Kindergärten, Polizei, Justiz und anderen Verantwortungsträgern in Städten und Gemeinden intensiv gepflegt werden soll, um Kindern und Jugendlichen in Risiko- und Gefährdungslagen geeignete Hilfen anzubieten.

Der Landesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, den Risiken, die den Prozess des Auf-wachsens und der Persönlichkeitsentwicklung gefährden können, präventiv zu begegnen. Mit dem Kinder- und Jugendförderplan NRW (KJFP) fördert das Land Maßnahmen und Angebote, die das Ziel verfolgen, die Entwicklung junger Menschen zu einer selbstbestimmten, eigenver­antwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern.

Die aus Mitteln des KJFP institutionell geförderte Arbeitsgemeinschaft „Kinder und Jugend­schutz Nordrhein-Westfalen“ (AJS NRW [www.ajs.nrw]) ist die Landesfach- und Servicestelle für den gesetzlichen und erzieherischen Kinder- und Jugendschutz. Sie bietet im Rahmen des Fachbereichs „Gewaltprävention“ den Fachkräften von Jugendhilfe, Schulen, Polizei, Bera­tungsstellen etc. praxisorientierte Fortbildungen an und steht den Fachkräften bei allen Fragen rund um das Thema Gewaltprävention und Jugendkriminalität sowie bei der Konzeptentwick­lung von Gewaltpräventionsprogrammen zur Verfügung.

Darüber hinaus werden aus dem KJFP seit vielen Jahren sog. Brücke-Projekte gefördert. Diese bieten Angebote für gefährdete und straffällig gewordene Jugendliche und Heranwach­sende mit dem Ziel an, ein dauerhaftes Abgleiten in die Kriminalität zu verhindern.

 

MMD18-11485

Beteiligte:
Markus Wagner