Gesetz zur Einführung der Zustimmungswahl für Bürgermeister und Landräte

Gesetzesentwurf
vom 16.05.2019

Gesetzentwurfder AfD-Fraktion vom 14.05.2019

 

Gesetz zur Einführung der Zustimmungswahl für Bürgermeister und Landräte

A Problem

Die Fraktionen der CDU und der FDP haben per Änderungsantrag (Drs. 17/4305) zum Ge­setzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und weiterer wahlrechtlicher Vorschriften (Drs. 17/3776) für die Wahl der Bürgermeister und Landräte die Stichwahl abgeschafft und stattdessen zum 1. September 2019 ein relatives Mehrheitswahlrecht eingeführt.

Ein relatives Mehrheitswahlrecht ist grundsätzlich problematisch, weil es im Grunde dazu führt, dass Bürgermeister und Landräte mit weniger Stimmen als bisher üblich in Amt und Würden gelangen können. Der Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie e.V. verwies auf die Prob­leme mit der in Nordrhein-Westfalen zwischenzeitlich erprobten Abschaffung der Stichwahlen: „Teilweise erreichten die Amtsinhaber nicht einmal ein Drittel aller Stimmen. Obwohl eine Mehrheit die Bewerber nicht gewählt hatte, durften sie Bürgermeisterämter ausüben. Das ist verdrehte Demokratie.“ Wünschenswert wäre aber, dass sich Bürgermeister und Landräte ei­ner höheren und keiner geringeren demokratischen Legitimation erfreuen könnten.

Die Erfahrung aus westlichen Demokratien wie den Vereinigten Staaten oder dem Vereinigten Königreich zeigt zudem, dass das relative Mehrheitswahlrecht die Bewerber größerer Parteien unangemessen bevorzugt. Die Festlegung, dass derjenige gewählt ist, der die meisten Stim­men erhalten hat – bei gleichzeitiger Absenz einer Stichwahl – erhöht ganz erheblich die psy­chologische Schwelle für den Wähler, seine Stimme dem Bewerber einer kleineren Partei oder einem unabhängigen Kandidaten zu geben, da er damit rechnen muss, dass seine Stimme für einen solchen Kandidaten im Vorhinein eine „weggeworfene Stimme“ ist.

Die von den Regierungsfraktionen vorgenommene Wahlrechtsänderung muss hierbei auch vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen und Deutschland insgesamt gesehen werden. Vor allem aufgrund der aktuellen elektoralen wie demoskopischen Schwäche der SPD bei gleichzeitig erheblichen Zuwächsen für die Grünen kommt es gerade innerhalb des linken Lagers zu einer Neuordnung der Kräfteverhältnisse. Statt einer großen sozialdemokratischen Volkspartei und einer kleineren grünen Partei stehen sich SPD und Grüne mittlerweile annähernd gleich stark gegenüber, mit einer Tendenz dahin, dass die Grünen noch stärker werden. Im Hinblick auf eine relative Mehrheitswahl führt die Aufsplittung von Stimmen auf annähernd gleich starke Kräfte im selben politischen Lager aber zu einer gegenseitigen Kannibalisierung der Kandidaten. „Lachende Dritte“ sind in dieser Si­tuation die Christdemokraten, weshalb man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, dass die relative Mehrheitswahl vor allem deshalb von den Regierungsfraktionen eingeführt wurde, weil sie der CDU, die sich (noch) als klar stärkste Partei fühlt, am meisten nützt.

Schließlich steht das relative Mehrheitswahlrecht auch nicht in der deutschen Wahlrechtstra­dition. So wurde im Deutschen Kaiserreich bei Reichstagswahlen ein absolutes Mehrheits­wahlrecht praktiziert, bei dem es Stichwahlen in einem zweiten Wahlgang gab, wenn kein Kan­didat die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die Weimarer Republik brachte die Einführung der Verhältniswahl mit Hilfe der automatischen Methode, bei der eine be­stimmte Zahl von Wählerstimmen in eine bestimmte Zahl von Mandaten für die zur Wahl ste­henden geschlossenen Listen übersetzt wurde. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Verhältniswahl beibehalten, aber im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Systems durch Elemente wie z.B. eine Sperrklausel modifiziert. Sowohl Stichwahlen als auch die historische Entscheidung für die Verhältniswahl zeigen, dass in Deutschland schon immer eine Präferenz für konflikt-averse Wahlsysteme bestand, bei denen der Wähler nicht zu einer „Alles oder nichts“-Entscheidung gezwungen wird, sondern darauf hoffen kann, dass er auch dann politische Repräsentanz oder zumindest Einflussmöglichkeiten erfährt, wenn er sich in der Minderheit wiederfindet.

B Lösung

Die Abschaffung der Stichwahlen wird akzeptiert und beibehalten. Gleichzeitig wird aber die relative Mehrheitswahl durch eine Zustimmungswahl ersetzt. Das hier vorgeschlagene Modell übernimmt insoweit die Forderung von Mehr Demokratie e.V. (vgl. https://nrw.mehr-demokra-tie.de/themen/wahlen/was-wir-wollen/buergermeisterwahl/).

Bei der Zustimmungswahl hat der Wähler die Möglichkeit, seine Zustimmung zu einem Kandi­daten durch das Setzen eines Kreuzes und seine Ablehnung oder Indifferenz durch das Nicht-Setzen eines Kreuzes zu bekunden. Der Wähler kann also seinen bevorzugten Kandidaten wählen, er kann aber daneben auch weitere Kandidaten wählen, die ihm akzeptabel erschei­nen. Gewählt ist, ähnlich wie bei der relativen Mehrheitswahl, am Ende der Kandidat, der die meisten Stimmen erhalten hat.

C Alternativen

Neben der Beibehaltung der am 1. September 2019 in Kraft tretenden Rechtslage wäre es auch denkbar, noch einen Schritt weiterzugehen. Für die Wahl der Bürgermeister und Land­räte ist auch eine Wahl mit integrierter Stichwahl (engl. instant-runoff voting) möglich, bei der von den Wählern nicht Stimmen im klassischen Sinne abgegeben werden, sondern jeder Wäh­ler die Kandidaten, die er für akzeptabel hält, nach seiner Präferenz reiht. Dieses Wahlsystem wird unter anderem in Australien und Irland praktiziert; im Vereinigten Königreich gab es eben­falls Bestrebungen seitens der liberaldemokratischen Partei, ein solches Wahlsystem per Re­ferendum einzuführen.

D Kosten

Durch den Gesetzentwurf werden keine zusätzlichen Kosten verursacht.

Gegenüberstellung

– siehe PDF –

Sven Tritschler
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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