Gesetzentwurfder AfD-Fraktion vom 10.09.2019
Gesetz zur Erhöhung der Transparenz bei Beteiligungen politischer Akteure an Medien (Medientransparenzgesetz NRW)
A Problem
In der freiheitlich-demokratischen Grundordnung besitzt die Freiheit der öffentlichen und privaten Meinungsbildung ein hohes Gewicht. Vielfältige freie und unabhängige Medien sollen den Bürger dazu befähigen, sich umfassend zu informieren sowie sich einen Überblick über widerstreitende Meinungen zu verschaffen, und ihm zudem dabei behilflich sein, politische Entscheidungen zu treffen.
Die Presse, die oftmals als die „vierte Gewalt“ im Staate bezeichnet wird, hat neben der Vermittlung von Informationen die Aufgabe, den Staat, die Organe des Staates sowie die politischen Akteure in Berichterstattung und Kommentierung kritisch zu begleiten.
Um diese Aufgabe vollumfänglich und glaubhaft erfüllen zu können, bedarf es sowohl einer redaktionellen als auch einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit von eben diesen zu kontrollierenden Akteuren.
Ein besonderes Augenmerk verdient deshalb die Beteiligung von Parteien, parteinahen Stiftungen und Regierungskreisen an Medienunternehmen, weil jene im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Akteuren eine besondere Staatsnähe aufweisen und zugleich ein vitales Eigeninteresse daran haben, durch die Beeinflussung ihrer öffentlichen Wahrnehmung ihren Erfolg bei Wahlen und damit ihre politische Macht zu vergrößern.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem im Jahre 2008 gefassten Urteil zum Par-teienverbot im privaten Rundfunk1 entschieden, dass ein generelles Verbot der Beteiligung von Parteien an Rundfunkunternehmen verfassungswidrig sei. Der Prozess und die Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung verlangen aber gleichzeitig, dass der mündige Bürger ein Anrecht darauf hat, zu wissen, wer hinter einem Medium steht. Dort, wo politische Parteien, parteinahe Stiftungen und Regierungskreise direkt oder indirekt Einfluss auf Medien nehmen, muss der Bürger in die Lage versetzt werden, sich seinerseits kritisch mit diesem Einfluss zu beschäftigen.
Nicht angegebene Minderheitsbeteiligungen – dazu zählen auch mittelbare Beteiligungen – können sich wesentlich auf die öffentliche und die individuelle Meinungsbildung auswirken.
Oftmals ist den Lesern die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung politischer Akteure an einem Medium nicht bekannt; der Leser kann diesen Umstand also nicht in seine Bewertung der rezipierten Inhalte mit einfließen lassen.
In Zeiten zunehmender Medienkonzentration mit immer mehr „Ein-Zeitungs-Kreisen“ in NRW wäre es mit demokratischem Selbstverständnis unvereinbar, nicht auf ein Mindestmaß an Transparenz gegenüber den Medien zu bestehen, die politischen Akteuren gehören oder auf die jedenfalls durch Beteiligungsstrukturen in einem nennenswerten Umfang ein bestimmter politischer Einfluss ausgeübt werden kann.
Die Offenlegung von mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungsverhältnissen sorgt insofern dafür, dass der Medienkonsument diese zusätzlichen Angaben zur Bewertung der Medieninhalte nutzen kann, um die politische Meinungsbildung im Kontext eines umfassenden Informationsstands vollziehen zu können.
B Lösung
Bereits bestehende landesgesetzliche Transparenzregelungen aus dem Presserecht des Landes Hessen werden aufgegriffen und in angepasster Form in das nordrhein-westfälische Presserecht eingeführt. Aufgrund der mittlerweile sehr hohen Relevanz journalistischer Angebote im Internet werden Transparenzregelungen aber nicht nur für physische Druckerzeugnisse eingeführt sondern auch für Telemedien adaptiert.
C Alternativen
Beibehaltung der geltenden unbefriedigenden Rechtslage.
D Kosten
Der öffentlichen Hand entstehen durch das hier vorgeschlagene Gesetz keine neuen Kosten. Den Parteien, parteinahen Stiftungen und Regierungsmitgliedern sowie den Verlegern von Printmedien und den Anbietern von Telemedien kann ein minimaler Erfüllungsaufwand entstehen. Da aber insbesondere die genannten politischen Akteure durch das Gesetz dazu verpflichtet werden, den Verlegern und Anbietern die erforderlichen zu veröffentlichenden Informationen zur Beteiligungsstruktur mitzuteilen, ist selbst dieser minimale Erfüllungsaufwand sachgerecht auf beide Seiten verteilt. Insbesondere werden Verleger und Anbieter nicht dazu verpflichtet, eigenständige Recherchen über ihre Beteiligungsstruktur durchzuführen.
E Zuständigkeit
Das Presserecht untersteht der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Gesetzgebungsbefugnisse im Hinblick auf Telemedien ergeben sich für den Bund im Wesentlichen nur dann, wenn hierdurch die technische Infrastruktur oder das Wirtschaftsrecht tangiert werden.2 Die inhaltlich-journalistische Seite von Telemedien unterliegt deshalb der Gesetzgebungskompetenz des Landes.
Gegenüberstellung
– siehe PDF –
Begründung
A Allgemeiner Teil
Die vorgeschlagenen Regelungen entstammen weitgehend der Regelung des § 5 Absatz 7 des Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht der Presse (HPresseG). Die Transparenz-regelungen werden dabei an eine „Impressumslösung“ geknüpft: Dort, wo der Verleger eines Printmediums oder der Anbieter eines Telemediums ohnehin Angaben „über sich“ und ihr jeweiliges Medium machen müssen, sollen in Zukunft auch Angaben zu Beteiligungen politischer Parteien und parteinaher Stiftungen, zu Mitgliedern von Landesregierungen, der Bundesregierung und der Europäischen Kommission sowie parlamentarischen und beamteten Staatssekretären stehen. Diese Lösung wird dabei vor allem deswegen gewählt, um die Eingriffsintensität im Hinblick auf die Pressefreiheit (Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG) und den allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Absatz 1 GG) gering zu halten. Insbesondere erfolgt kein Eingriff in die eigentlichen journalistischen Inhalte der Medienanbieter.
Daher erfolgt im Falle der Pressefreiheit die Rechtfertigung durch die verfassungsimmanente Schranke der Offenheit des durch Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 ebenfalls geschützten öffentlichen Kommunikations- und Meinungsbildungsprozesses, zu dem auch ein Mindestmaß an Transparenz und Information über Medienanbieter gehört.3 Im Falle des allgemeinen Gleichheitssatzes genügt für die Ungleichbehandlung von Medien, an denen die genannten politischen Akteure beteiligt sind, im Gegensatz zu Medien, die nicht von derartigen Beteiligungen tangiert sind, aufgrund der geringen Eingriffsintensität der Ausschluss von Willkür durch die Bejahung eines sachlichen Grundes für die Ungleichbehandlung. Insoweit wird auch hier auf das Infor-mations- und Transparenzinteresse des Bürgers hingewiesen.
B Besonderer Teil
Zu Artikel 1
Zu § 8
Zu Absatz 4
Die dem HPresseG entnommene Regelung hat den Anspruch, alle relevanten und nicht nur unwesentlichen Beteiligungsformen politischer Akteure an Medienunternehmen zu erfassen. Die Gleichsetzung von parteinahen Stiftungen im letzten Satz mit politischen Parteien erfüllt den inhaltlichen Zweck, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Parteien indirekt über ihre parteinahen Stiftungen einen beträchtlichen Einfluss ausüben können; strukturell wird es durch die Auslagerung in einen eigenen Satz einem zukünftigen Gesetzgeber erleichtert, später weitere Organisationen aus dem Um- und Vorfeld einer Partei der Transparenzregelung zu unterstellen, wenn dieser es für nötig befindet.
Zu Absatz 5
Die Regelung zu politischen Parteien wird für Regierungs- bzw. Kommissionsmitglieder sowie parlamentarische und beamtete Staatssekretäre gespiegelt.
Zu Artikel 2
Zur Inhaltsübersicht
Die Inhaltsübersicht wird angepasst, damit sie nicht durch die Hinzufügung des § 3a unvollständig wird.
Zu § 3a
Das Landesmediengesetz NRW spiegelt für Telemedien weder explizit die Impressumspflicht aus § 5 Telemediengesetz noch die vergleichbaren in § 55 RStV vorgesehenen Informationspflichten. Auch verfügt das Landesmediengesetz NRW über keinen eigenen Abschnitt, der sich nur mit Telemedien befassen würde. Insoweit ist es sinnvoll, die Transparenzregelung bereits in die allgemeinen Vorschriften des ersten Abschnitts einzufügen und an die Informationspflichten aus § 55 RStV anzuknüpfen.
Zu Absatz 1
Die Bestimmungen sind im Wesentlichen identisch zu den Bestimmungen in Artikel 1. Anstatt auf den Verleger wird freilich auf den Anbieter von Telemedien abgestellt. Auch soll im Falle von Telemedien vermieden werden, dass der Anwendungsbereich ins Uferlose ausgedehnt wird. Insoweit werden beispielsweise nicht alle innerhalb Nordrhein-Westfalens über das Internet abrufbare Telemedienangebote der Transparenzregelung unterstellt, was im Ergebnis globale Implikationen hätte, sondern nur Telemedienanbieter, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben.
Zu Absatz 2
Die Regelung zu politischen Parteien wird für Regierungs- bzw. Kommissionsmitglieder sowie parlamentarische und beamtete Staatssekretäre gespiegelt.
Zu § 125
In Anlehnung an den § 23 Landespressegesetz NRW, der in Absatz 1 Nr. 1 Verstöße im Zusammenhang mit dem Impressum sanktioniert, wird der Katalog der in § 125 Landesmedien-gesetz NRW vorgesehenen Tatbestände um die Verletzung der Transparenzregelungen im neuen § 3a erweitert.
Zu Artikel 3
Das Gesetz soll erst zu Beginn des zweiten Halbjahres 2020 in Kraft treten, um den Adressaten der neuen Transparenzbestimmungen genügend Zeit zu geben, sich auf die zusätzlichen Verpflichtungen einzustellen.
Sven Tritschler
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion
1 vgl. BVerfG, 2 BvF 4/03
2 Vgl. BVerfGE 12, 205, 225.
3 Vgl. ZUM 2015, 134.