Gesinnungsforschung an nordrhein-westfälischen Universitäten?

Kleine Anfrage
vom 14.11.2023

Kleine Anfrage 2889

des Abgeordneten Prof. Dr. Daniel Zerbin AfD

Gesinnungsforschung an nordrhein-westfälischen Universitäten?

In der aktuellen Berichterstattung wird ein Forschungsprojekt des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. thematisiert, durch welches das Erheben von Hilfeleistungen bzw. prosozialen Handlungen von Landtagsabgeordneten eruiert werden sollte. Medien bezeichnen dieses Vorgehen hingegen als Gesinnungsschnüffelei oder Überwachung von Abgeordneten in deutschen Landtagen zu rassistischen Verhaltensweisen.

Abgeordneten verschiedener Landtage wurde eine E-Mail übersandt, welche eine Bewerbungsanfrage zwecks Praktikum enthielt. Die Besonderheit waren dabei die Absender, welche teilweise deutsch und teilweise nicht deutsch klingende Namen hatten.1 Die Ethikkommission der Universität Bielefeld habe diese Studie begutachtet und als unbedenklich bewertet. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat soll dieses Forschungsprojekt gefördert haben.

Diese Unterstützung des Bundesministeriums führte zu starken Irritationen. Der Verfassungsrechtler und Mitglied der CDU Prof. Dr. Rupert Scholz bezeichnete dieses Vorgehen des Bundesinnenministeriums als eindeutig verfassungswidrig. 2

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Welches Wissenschafts- und Ethikverständnis legt das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung seinen Studien und Forschungsprojekten nach Kenntnis der Landesregierung zugrunde und wie werden diese innerhalb des Instituts kommuniziert?
  2. Wie häufig hat das genannte Institut Studien und Forschungsprojekte seit 2013 durchgeführt, welche eine Täuschungshandlung als notwendige Maßnahme bei den Probanden voraussetzten? (Bitte aufschlüsseln nach Thema, Jahr und Art der Täuschungshandlung)
  3. Welche Voraussetzungen muss eine Studie oder Forschungsprojekt aufweisen, um durch die Ethikkommission der Universität Bielefeld befürwortet zu werden?
  4. Welche Studien und Forschungsprojekte hat die Ethikkommission aufgrund von ethischen Bedenken seit 2013 abgelehnt? (Bitte aufschlüsseln nach Thema, Jahr und Grund der Bedenken)
  5. Wie viele der unter Frage 2. durchgeführten Studien und Forschungsprojekte wurden mit Drittmitteln finanziert? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Höhe, Thema, Finanzier und, falls Behörden Drittmittel zur Verfügung gestellt haben, nach Art der Behörde)

Prof. Dr. Daniel Zerbin

 

MMD18-6766

 

1 https://weltwoche.ch/daily/vorkaempferin-von-gesinnungsschnueffelei-innenministerin-faeser-bespitzelt-vermeintlich-fremdenfeindliche-politiker-verfassungsschutz-bitte-uebernehmen-sie-den-fall-faeser/ (abgerufen am 26.10.2023).

2 https://www.nius.de/politik/entsetzen-ueber-faesers-ueberwachungs-studie-das-hat-mit-demokratie-kaum-noch-was-zu-tun/d72f19ab-db6f-45e8-ba62-59bdb913fef7 (abgerufen am 26.10.2023).


Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 2889 mit Schreiben vom 15. Dezember 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Welches Wissenschafts- und Ethikverständnis legt das Institut für interdiszipli­näre Konflikt- und Gewaltforschung seinen Studien und Forschungsprojekten nach Kenntnis der Landesregierung zugrunde und wie werden diese innerhalb des Instituts kommuniziert?

Das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) ist ein Institut der Univer­sität Bielefeld. Die Ausgestaltung von Forschung und Lehre am Institut unterliegt der Hoch­schulautonomie sowie der Forschungsfreiheit. Zum Wissenschafts- und Ethikverständnis des Instituts teilt die Universität Bielefeld mit, dass es sich an den Richtlinien und Prinzipien orien­tiere, die die wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) empfehlen. Die ethi­schen Grundlagen werden laufend in Vorstands- wie auch Institutssitzungen und nach Bedarf behandelt.

  1. Wie häufig hat das genannte Institut Studien und Forschungsprojekte seit 2013 durchgeführt, welche eine Täuschungshandlung als notwendige Maßnahme bei den Probanden voraussetzten? (Bitte aufschlüsseln nach Thema, Jahr und Art der Täuschungshandlung)
  2. Wie viele der unter Frage 2. durchgeführten Studien und Forschungsprojekte wur­den mit Drittmitteln finanziert? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Höhe, Thema, Fi­nanzier und, falls Behörden Drittmittel zur Verfügung gestellt haben, nach Art der Behörde)

Die Fragen 2 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Universität Bielefeld kategorisiert die angewandte Methode als experimentelle Variationen im Studiendesign.

Laut Auskunft der Universität Bielefeld wurden bei folgenden Projekten des IKG seit 2013 sol­che experimentellen Variationen eingesetzt:

Ph-Lens: Fluchtmigration nach Deutschland: ein „Vergrößerungsglas“ für umfassendere Herausforderungen im Bereich Public Health. Teilprojekt: OTHER, Arbeitspaket OTHER II; DFG-Forschergruppe

Experimentelle Variation: Variation des Namens einer zu behandelnden Person in einer Vignette

04/2020 – 03/2023

Förderer: DFG,

Summe: 197.992 Euro

Duration: Misrecognising Minorities in Europe. Challenges to Integration and Security,

2019 – 2020

Experimentelle Variation des Namens einer Person in einer Vignette

Förderer: Volkswagen-Stiftung

Summe: 382.000 Euro

Auswirkungen von Gewalt und Misshandlung auf die Entwicklung und das Wohlergehen von Kindern: Experimentelle Ansätze zur Untersuchung der kausalen Folgen der Reduktion von Misshandlungen (Die EVIDENCE – Studien) Experimentelle Variation: Experimentelle Manipulation des Ausmaßes der Gewalt gegen Kin-

der mit Hilfe einer gewaltreduzierenden präventiven Intervention

2020 – 2026

Förderer: DFG (Emmy-Noether Programm)

Summe: 2.39 Mio. Euro

  1. Welche Voraussetzungen muss eine Studie oder Forschungsprojekt aufweisen, um durch die Ethikkommission der Universität Bielefeld befürwortet zu werden?

Nach Auskunft der Universität arbeitet die Ethik-Kommission der Universität Bielefeld (EUB) auf der Grundlage von jeweils fachlich einschlägigen Leit- und Richtlinien bzw. -kodizes zur Ethik der Forschung. Sie begutachtet standardmäßig nach den gemeinsamen „Ethischen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und des Berufsverbandes deutscher Psychologinnen und Psychologen (BdP)“.

Wenn Forschungsprojekte in Einklang mit den genannten Leitlinien vorgehen, werden sie dementsprechend als forschungsethisch unbedenklich bewertet.

Unabhängig von der Bewertung durch die Ethik-Kommission bleibt die Verantwortung der Wis­senschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihr jeweiliges Handeln bestehen.

  1. Welche Studien und Forschungsprojekte hat die Ethikkommission aufgrund von ethischen Bedenken seit 2013 abgelehnt? (Bitte aufschlüsseln nach Thema, Jahr und Grund der Bedenken)

Der Gegenstand des Verfahrens, die Stellungnahmen und die Beschlüsse der Ethik-Kommis­sion sind gemäß Geschäftsordnung der Ethik-Kommission vertraulich zu behandeln. Auch in­dividuelle Voten werden vertraulich behandelt. Eine detaillierte Auskunft, aufgeschlüsselt nach Thema, Jahr und Grund der Bedenken, ist daher auch mit Blick auf den Schutz der Wissen­schaftsfreiheit, welche durch den Vertraulichkeitsgrundsatz gewährleistet werden soll, nicht darstellbar.

Ab Oktober 2014 liegen allgemeine Statistiken zu Entscheidungen der EUB vor (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Statistik zu Entscheidungen der Ethik-Kommission der Universität Bielefeld

2014/15 2016/17 2017/18 2018/19 2019/20 2020/21 2021/22
Annahme ohne Auflagen 40% 38% 25% 26% 30% 24% 20%
Annahme unter Einhal­tung bestimmter Aufla­gen 47% 40% 48% 50% 50% 60% 74%
Aufforderung zur Wiedervorlage 7% 18% 23% 24% 15% 11% 6%
abgelehnt 0 1 0 0 1 0 0
zurückgezogen k.A. k.A. k.A. k.A. 2 5 0

 

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