Gibt es einen schleichenden Exodus von Wissenschaftlern aus NRW?

Kleine Anfrage
vom 21.01.2020

Kleine Anfrage 3332des Abgeordneten Helmut Seifen vom 21.01.2020

 

Gibt es einen schleichenden Exodus von Wissenschaftlern aus NRW?

In einem Gastbeitrag mit dem Titel „Flucht vor der Scheinmoral“ für die online-Ausgabe der FAZ wurde am 17. Januar 2020 auf den Fall eines Tübinger Hirnforschers aufmerksam gemacht, der nach der Veröffentlichung von manipulierten Videoaufzeichnungen aus seinem Labor von Tierversuchsgegnern verunglimpft wurde und Morddrohungen erhielt.

Die entfachte Kampagne, in deren Verlauf der Wissenschaftler in der Fachöffentlichkeit zu einer „Persona non grata“ wurde, nahm zwischenzeitlich ein Ausmaß an, dass sein Institut von der Polizei geschützt werden musste. Aufgrund dessen entschloss sich der betroffene Forscher, wie die FAZ berichtet, Tübingen zu verlassen und seine Forschungstätigkeit zukünftig in China fortzusetzen. Die FAZ meldet weiter, dass dem renommierten Hirnforscher zahlreiche seiner Mitarbeiter folgen werden, für die gegenwärtig in Shanghai ein „eleganter Forschungscampus“ errichtet werde.

Dieser spektakuläre Abgang wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Lage von Forschern in Deutschland und stellt vermutlich nur die Spitze des Eisberges dar, eines von der Öffentlichkeit unbemerkten schleichenden Exodus von Wissenschaftlern aus Forschungsinstituten und Universitäten in Deutschland, denen in China und den USA in vielfacher Hinsicht bessere Forschungs- und Arbeitsbedingungen geboten werden.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie viele Fälle sind der Landesregierung seit 2015 bekannt, bei denen Wissenschaftler, die zuvor in Nordrhein-Westfalen geforscht haben, nach China oder in die USA abgewandert sind?

2. Wie viele Wissenschaftler haben in Nordrhein-Westfalen seit 2015 eine Nebentätigkeit oder Sonderurlaub nach § 27 FrUrlV NRW beantragt, wodurch es ihnen ermöglicht wurde, ihre Forschungstätigkeit zumindest teilweise nach China oder in die USA zu verlagern?

3. Welche außerordentlichen Maßnahmen plant die Landesregierung, mit denen die Qualität der Forschungs- und Arbeitsbedingungen hierzulande international konkurrenzfähig gehalten werden können?

Helmut Seifen

 

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Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 12.02.2020

Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 3332 mit Schreiben vom 12. Februar 2020 namens der Landesregierung beantwortet.

1. Wie viele Fälle sind der Landesregierung seit 2015 bekannt, bei denen Wissenschaftler, die zuvor in Nordrhein-Westfalen geforscht haben, nach China oder in die USA abgewandert sind?

Es gibt keine amtliche Statistik, in der diese Daten erfasst werden. Entsprechend liegen sie der Landesregierung nicht vor. Eine eigene Erhebung bzw. Abfrage der Daten bei den Hochschulen ist in bei der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

2. Wie viele Wissenschaftler haben in Nordrhein-Westfalen seit 2015 eine Nebentätigkeit oder Sonderurlaub nach § 27 FrUrlV NRW beantragt, wodurch es ihnen ermöglicht wurde, ihre Forschungstätigkeit zumindest teilweise nach China oder in die USA zu verlagern?

Die erbetenen Informationen liegen der Landesregierung nicht vor. Die Beantragung von Nebentätigkeit oder Sonderurlaub nach § 27 Freistellungs- und Urlaubsverordnung NRW (FrUrlV NRW) erfolgt unmittelbar an den jeweiligen Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Rahmen der geltenden Hochschulautonomie.

3. Welche außerordentlichen Maßnahmen plant die Landesregierung, mit denen die Qualität der Forschungs- und Arbeitsbedingungen hierzulande international konkurrenzfähig gehalten werden können?

Herausragende Wissenschaft ist ohne intensiven internationalen Austausch nicht denkbar. Dieser wird von der Landesregierung in vielfacher Weise gefördert. Die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen und die international geschätzte Qualität der hiesigen Forschungs- und Arbeitsbedingungen wird dabei an vielen Stellen deutlich. Zum Beispiel im Rahmen des NRW-Rückkehrprogramms, das seit 2007 in bislang 11 Ausschreibungen mit wechselnden Themen 37 besonders talentierte und international gefragte junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von einer Rückkehr aus dem Ausland nach Nordrhein-Westfalen überzeugt hat.

 

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Beteiligte:
Helmut Seifen