Grenznahe Kontrollen und unbearbeitete Fälle der Polizei NRW – Auswirkungen auf die Kriminalitätsstatistik

Kleine Anfrage
vom 21.06.2018

Kleine Anfrage 1184des Abgeordneten Herbert Strotebeck vom 21.06.2018

 

Grenznahe Kontrollen und unbearbeitete Fälle der Polizei NRW – Auswirkungen auf die Kriminalitätsstatistik

Die Landesregierung antwortete auf eine AfD-Anfrage im April 2018: „Offene Grenzen bedeuten jedoch nicht den Verzicht auf Kontrolle. Mit dem deutsch-niederländischen bzw. deutsch-belgischen Polizeivertrag unterhält Nordrhein-Westfalen mit Belgien und den Niederlanden bereits seit Jahren bilaterale Abkommen zur Stärkung und Effektivierung ihrer polizeilichen Zusammenarbeit und der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität.

Dazu setzt Nordrhein-Westfalen zudem auf intensive polizeiliche Kontrollen im Land. Bereits jetzt führen die Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen jährlich gemeinsame Fahndungs- und Kontrolltage mit niederländischen und belgischen Polizeibehörden sowie den Polizeien des Bundes und der Länder Niedersachsen und Rheinland-Pfalz durch.“ Laut WDR gab es im Raum Aachen Anfang Juni stichpunktartig Grenzkontrollen durch die Bundespolizei.

Dabei wurden in nur einer Woche mehr als 100 Menschen bei der unerlaubten Einreise aufgegriffen. Bei den Kontrollen konnten die Polizisten auch mehrere Schleuser festsetzen. Ebenso konnten drei Haftbefehle vollstreckt werden. Diese Fälle fließen nun in die Kriminalitätsstatistik ein, die Grenzkontrollen erhöhen so die Kriminalitätsstatistik. Der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet warnt vor einer Überwachung der Grenzen in NRW, da dies zu Stau führen würde.

Unterstützung bekommt Laschet von SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Dieser sagt, es sei vernünftig, wenn Laschet der Kanzlerin den Rücken stärke: „Grenzen zu kontrollieren und Flüchtlinge abzuweisen, löse kein Problem.“Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, warf den deutschen Behörden am 19. Juni 2018 vor, sie würden Straftaten statistisch verschleiern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wies die Aussage Trumps zurück und sagte, die kürzlich vorgelegte polizeiliche Kriminalstatistik weise „leicht positive Entwicklungen“ auf.

Die Zeitschrift Spiegel meldetet bereits 2011: „Die Zahl der Straftaten in Deutschland ist angeblich auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung, Bundesinnenminister Friedrich lobt die „positive Entwicklung“. Doch Experten sind überzeugt: Die statistische Erfolgsmeldung ist vor allem der Schwäche der Polizei geschuldet.“

Zu dieser These im Spiegel passt die aktuelle Aussage der Gewerkschaft der Polizei in Aachen, welche umfangreiche Grenzkontrollen in NRW mangels Personal für unmöglich hält. Neben ungenügenden oder gänzlich fehlenden Grenzkontrollen könnten auch unbearbeitete Ermittlungsverfahren sich „positiv“ auf die Kriminalitätsstatistik auswirken: Die Berliner Zeitung meldetet im Februar: „Bei der Verfolgung von Kriminalfällen kommt die Polizei nicht mehr hinterher.

Personalmangel und der Terroranschlag im Dezember 2016 am Breitscheidplatz sorgten dafür, dass im Landeskriminalamt eine Rekordzahl an Fällen ungelöst bleibt. 55.290 Ermittlungsverfahren blieben im vergangenen Jahr unbearbeitet. Zu diesen wurden 128.273 Liegevermerke geschrieben, […].“ In NRW wurden laut einer Antwort der Landesregierung „keine Liegevermerke zu den im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen geführten Ermittlungsverfahren gefertigt.“

Daher frage ich die Landesregierung:

1. Welche „gemeinsamen Fahndungs- und Kontrolltage“ in Zusammenarbeit mit der Landespolizei fanden seit Juni 2017 in NRW bzw. im NRW-Grenzgebiet statt (bitte aufschlüsseln nach Kontrolltagen, Regionen und beteiligten Polizeibehörden)?

2. Welche Straftaten konnte durch die „gemeinsamen Fahndungs- und Kontrolltage“ seit Juni 2017 aufgedeckt werden (bitte aufschlüsseln nach Kontrolltagen und Straftaten)?

3. Wie viele Ermittlungsverfahren blieben bei der Polizei in NRW von 2014 bis heute unbearbeitet (bitte aufschlüsseln nach Jahr und Anzahl)?

4. Wie schlüsseln sich die unbearbeiteten Ermittlungsverfahren 2017 auf die einzelnen Kriminalitätsbereiche auf?

Herbert Strotebeck

 

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Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 11.07.2018

 

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1184 mit Schreiben vom 11. Juli 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet.

1. Welche „gemeinsamen Fahndungs- und Kontrolltage“ in Zusammenarbeit mit der Landespolizei fanden seit Juni 2017 in NRW bzw. im NRW-Grenzgebiet statt (bitte aufschlüsseln nach Kontrolltagen, Regionen und beteiligten Polizeibehörden)?

2. Welche Straftaten konnte durch die „gemeinsamen Fahndungs- und Kontrolltage“ seit Juni 2017 aufgedeckt werden (bitte aufschlüsseln nach Kontrolltagen und Straftaten)?

Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet.

Nachfolgende „Fahndungs- und Kontrolltage“ wurden in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei, dem Zoll und der Landespolizei Nordrhein-Westfalen integrativ durchgeführt. Die in diesem Kontext beteiligten Kreispolizeibehörden sowie die dabei festgestellten Straftaten sind den nachfolgenden Tabellen zu entnehmen.

Datum: 11.09.2017 – 15.09.2017
Beteiligte Kreispolizeibehörden NRW gefertigte Strafanzeigen
Aachen, Borken, Essen, Euskirchen, Heinsberg, Kleve, Steinfurt, Viersen Eigentumskriminalität 1
Straßenkriminalität 1
Verkehrsverstöße 10
Sonstige 5

 

Datum: 18.09.2017 – 22.09.2017
Beteiligte Kreispolizeibehörden NRW gefertigte Strafanzeigen
Aachen, Borken, Essen, Euskirchen, Heinsberg, Kleve, Steinfurt, Viersen Eigentumskriminalität 4
Straßenkriminalität 8
Verkehrsverstöße 15
Sonstige 6

 

Datum: 16.10.2017 – 22.10.2017
Beteiligte Kreispolizeibehörden NRW gefertigte Strafanzeigen
Bielefeld, Bochum, Borken, Coesfeld, Dortmund, Düsseldorf, Essen,   Gütersloh,   Hamm, Eigentumskriminalität 21
Herford, Hochsauerlandkreis, Höxter, Straßenkriminalität 39
Köln, Lippe, Mettmann, Minden- Lübbecke, Münster, Oberbergischer Kreis, Oberhausen, Verkehrsverstöße 123
Paderborn, Rheinisch-Bergischer    Kreis, Sonstige 59
Rhein-Erft-Kreis,  Rhein-Kreis  Neuss,
Soest, Steinfurt, Unna, Warendorf

 

 

Datum: 14.05.2018 – 18.05.2018
Beteiligte Kreispolizeibehörden NRW gefertigte Strafanzeigen
Bielefeld, Borken, Coesfeld, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Gütersloh, Hamm, Eigentumskriminalität 36
Herford, Hochsauerlandkreis, Höxter, Straßenkriminalität 36
Köln, Lippe, Mettmann, Minden-Lübbecke,          Münster, Oberbergischer Kreis, Oberhausen, Verkehrsverstöße 129
Paderborn, Rheinisch-Bergischer    Kreis, Sonstige 114
Rhein-Erft-Kreis, Rhein-Kreis Neuss,
Soest, Steinfurt, Unna, Warendorf

 

Eine weitergehende Aufschlüsselung ist nicht möglich, da die nachgefragten Daten an zentraler Stelle nicht vorliegen. Eine insoweit erforderliche händische Auswertung ist in der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

3. Wie viele Ermittlungsverfahren blieben bei der Polizei in NRW von 2014 bis heute unbearbeitet (bitte aufschlüsseln nach Jahr und Anzahl)?

4. Wie schlüsseln sich die unbearbeiteten Ermittlungsverfahren 2017 auf die einzelnen Kriminalitätsbereiche auf?

Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet.

Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben gemäß § 163 Abs. 1 Strafprozessordnung Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten.

Auf der Grundlage dieses gesetzlichen Auftrages trifft die Polizei Nordrhein-Westfalen in enger Abstimmung mit der jeweils sachleitenden Staatsanwaltschaft die in jedem Einzelfall erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen. Es sind insoweit keine Ermittlungsverfahren unbearbeitet.

 

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