Kleine Anfrage 309
des Abgeordneten Klaus Esser vom 10.08.2022
Hasch und Handys für Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg unter dem Deckmantel der seelsorgerischen Betreuung – Wie oft gelangen Waffen, gefährliche Gegenstände und Drogen in NRW-Gefängnisse?
Ein katholischer Gefängnisseelsorger steht unter dem dringendem Verdacht, straffällig geworden zu sein. Er kam am Nachmittag des 19.07.2022 mit 13 Dönern in die JVA Heinsberg. Die „Gastgeschenke“ waren gedacht für eine Gruppenveranstaltung in dem Jugendgefängnis. Bei der Einlasskontrolle fiel bereits der erste Döner auf, der „weder mit Fleisch noch Salat, sondern augenscheinlich mit Drogenpäckchen befüllt“ war. In fünf Dönern wurden rund 153 Gramm Haschisch sowie mehrere Handys und Ladegeräte gefunden. Die dazu gerufene Polizei nahm die Drogen mit, der Seelsorger blieb auf freiem Fuß.1 Das Bistum Aachen kündigte ihm laut einer Pressemitteilung fristlos.2
In Nordrhein-Westfalen ist die katholische Gefängnisseelsorge in den Erzbistümern Paderborn und Köln sowie den Bistümern Aachen, Essen und Münster organisiert.3 Sie wird hauptamtlich oder nebenamtlich von Priestern, Diakonen und sonstigen in der Anstaltsseelsorge tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgeübt.
Der o.g. Vorfall gibt Anlass zu der Frage, ob die derzeitigen Regeln zur Beschäftigung von Gefängnisseelsorgern zur Vermeidung solcher Vorfälle ausreichend sind oder ggf. erforderliche Anpassungen vorzunehmen sind.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie viele Seelsorger waren zum Stichtag 31.07.2022 in den nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten tätig bzw. beschäftigt? (Bitte für alle Justizvollzugsanstalten und nach Religionsgemeinschaften aufschlüsseln)
- Wie oft besuchen Gefängnisseelsorger die Gefangenen zur Ausübung der ihnen übertragenen Aufgaben monatlich? (Bitte die Anzahl der monatlichen Besuche für die Kalenderjahre 2020 und 2021 sowie für die Monate Januar bis Juli 2022 für jede Justizvollzugsanstalt gesondert aufschlüsseln)
- Inwieweit sind der Landesregierung ungeachtet des o.g. Vorfalls in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg weitere Vorfälle bekannt, bei denen Anstaltsseelsorger anlässlich der Ausübung ihres Dienstes die gesetzlichen oder sonstige Bestimmungen und Anordnungen für den Justizvollzug nicht einhielten? (Bitte die Anzahl der Vorfälle für die Kalenderjahre 2020 und 2021 sowie für die Monate Januar bis Juli 2022 für jede Justizvollzugsanstalt gesondert aufschlüsseln)
- Wie oft führten Haftraumrevisionen und Einlasskontrollen in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten zum Auffinden verbotener Gegenstände (wie z.B. Waffen, Mobiltelefone oder Drogen)? (Bitte für die Jahre 2020 und 2021 sowie für die Monate Januar bis Juli 2022 für jede Justizvollzugsanstalt anhand der o.g. Kategorisierung aufschlüsseln)
- Inwiefern nimmt die Landesregierung den o.g. Vorfall in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg zum Anlass für eine grundsätzliche Überprüfung der Dienstordnung für die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten einschließlich der Abschiebungshaftanstalten und Jugendarrestanstalten?
Klaus Esser
1 https://www.aachener-zeitung.de/lokales/heinsberg/seelsorger-in-jva-mit-drogen-in-doenern-erwischt_aid-73833725 (abgerufen am 04.08.2022)
2 https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/der-seelsorger-die-doener-der-verdacht_aid-74102853 (abgerufen am 04.08.2022)
3 https://gefaengnisseelsorge.net/nordrhein-westfalen (abgerufen am 04.08.2022)
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 309 mit Schreiben vom 2. September 2022 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie viele Seelsorger waren zum Stichtag 31.07.2022 in den nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten tätig bzw. beschäftigt? (Bitte für alle Justizvollzugsanstalten und nach Religionsgemeinschaften aufschlüsseln)
In den Justizvollzugseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen waren zum Stichtag 31.07.2022 insgesamt 97 evangelische und katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger im Rahmen von Gestellungsverträgen, Tarifbeschäftigten- oder Beamtenverhältnissen tätig.
- Wie oft besuchen Gefängnisseelsorger die Gefangenen zur Ausübung der ihnen übertragenen Aufgaben monatlich? (Bitte die Anzahl der monatlichen Besuche für die Kalenderjahre 2020 und 2021 sowie für die Monate Januar bis Juli 2022 für jede Justizvollzugsanstalt gesondert aufschlüsseln)
Es erfolgt keine systematische Erhebung darüber, wie oft die Seelsorgerinnen und Seelsorger die Gefangenen zur Ausübung der ihnen übertragenen Aufgaben aufsuchen. Der Landesregierung liegen daher keine entsprechenden Daten vor.
- Inwieweit sind der Landesregierung ungeachtet des o.g. Vorfalls in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg weitere Vorfälle bekannt, bei denen Anstaltsseelsorger anlässlich der Ausübung ihres Dienstes die gesetzlichen oder sonstige Bestimmungen und Anordnungen für den Justizvollzug nicht einhielten? (Bitte die Anzahl der Vorfälle für die Kalenderjahre 2020 und 2021 sowie für die Monate Januar bis Juli 2022 für jede Justizvollzugsanstalt gesondert aufschlüsseln)
Der Landesregierung sind seit 2020 keine weiteren Fälle, in denen Seelsorger versucht haben, Drogen oder Handys in eine Justizvollzugseinrichtung einzubringen, bekannt geworden.
- Wie oft führten Haftraumrevisionen und Einlasskontrollen in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten zum Auffinden verbotener Gegenstände (wie z.B. Waffen, Mobiltelefone oder Drogen)? (Bitte für die Jahre 2020 und 2021 sowie für die Monate Januar bis Juli 2022 für jede Justizvollzugsanstalt anhand der o.g. Kategorisierung aufschlüsseln)
Das Ministerium der Justiz NRW wird durch das Datenauswertungszentrum der Justiz bei dem Oberlandesgericht Hamm halbjährlich über die Anzahl der Drogenfunde in den Justizvollzugsanstalten des Landes und jährlich über die Anzahl der aufgefundenen Mobiltelefone informiert.
Eine landesweite Erfassung anderer aufgefundener verbotener Gegenstände erfolgt ebenso wenig wie eine Differenzierung danach, ob ein Fund im Zusammenhang mit einer Haftraumrevision oder einer Einlasskontrolle erfolgt ist.
Die Anzahl der gemeldeten Drogenfunde beträgt für das Jahr 2020 1.053 Fälle, für das Jahr 2021 1.079 Fälle und für das erste Halbjahr 2022 459 Fälle.
Die Anzahl der gemeldeten Funde von Mobiltelefonen beträgt für das Jahr 2020 1.787 Fälle und für das Jahr 2021 1.597 Fälle. Aufgrund der jährlichen Erfassungsweise der Mobiltelefonfunde liegt für das erste Halbjahr 2022 noch kein valides Ergebnis vor.
- Inwiefern nimmt die Landesregierung den o.g. Vorfall in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg zum Anlass für eine grundsätzliche Überprüfung der Dienstordnung für die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten einschließlich der Abschiebungshaftanstalten und Jugendarrestanstalten?
Der Vorfall in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg wird nicht für eine grundsätzliche Überprüfung der Dienstordnungen der katholischen und evangelischen Seelsorge zum Anlass genommen.