Kleine Anfrage 431
des Abgeordneten Markus Wagner vom 12.09.2022
Hawala-Banking: Nordrhein-Westfalen als Zentrale des weltweiten Netzes für illegale Geldtransfers – Erster Teil
Nach Informationen des Spiegels beheimatete Nordrhein-Westfalen den Kopf eines weltweiten Netzes für illegale Geldtransfers. Dieses Zahlungssystem, das aus dem Untergrund heraus fungiert, wird auch als Hawala bezeichnet. Bei einem Kopf dieses Systems in NRW handelt es sich um den Syrer A., der von seinen Handlangern „Scheich A.“ genannt wurde.1
Das Hawala-Finanzsystem ist ein weltweit funktionierendes informelles Überweisungssystem, das seine Wurzeln in der frühmittelalterlichen Handelsgesellschaft des Vorderen und Mittleren Orients hat. Die Transaktionen werden über Hawala-Agenten abgewickelt, die die Geldbeträge entgegennehmen und andere Hawala-Agenten zur Auszahlung dieser Summen anweisen.2 Mit Hilfe dieses Systems, das vorrangig von Migranten genutzt wird, fließen geschätzt etwa 200 Milliarden US-Dollar jährlich um die Welt.3
Nur durch einen selbstverschuldeten Autounfall am 28. Mai 2020 rückte A. ins Visier der Ermittlungsbeamten. Bei seiner missglückten Flucht vor der Polizei entdeckte diese bei ihm eine große Menge Bargeld in einem Stoffbeutel und in einem Wäschekorb. Die Ermittlungen ergaben, dass A. arbeitslos ist, allerdings über neun Bankkonten verfügte und selbst als „Bank“ fungierte. Sein Jahresgewinn wird auf rund eine halbe Million Euro geschätzt. Gleichzeitig kassierte er seit 2016 Sozialleistungen in Höhe von mehr als 100.000 Euro. Mittlerweile gibt es mehr als 80 Beschuldigte, die Beteiligte dieses Netzwerks waren und wie A. als Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland kamen. Man geht allerdings davon aus, dass mindestens 150 Personen in den Arbeitsprozess dieser Hawala-Bank involviert waren. Die Geschäfte sollen hauptsächlich über WhatsApp abgewickelt worden sein. Die Ermittler ließen A. nach dem Autounfall weiter seinen Geschäften nachgehen, um weitere Informationen zu sammeln, im Oktober 2021 wurde er allerdings bei einer Razzia festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Im Zeitraum von August 2018 bis August 2021 soll er rund 36 Millionen Euro eingesammelt haben. Es wird darüber hinaus vermutet, dass er auch Terroristen finanziert haben soll.4
Wie der Spiegel berichtet, soll A. bereits im Jahre 2016 polizeilich und staatsanwaltlich in Erscheinung getreten sein. Es wird ausgeführt, dass ein Mann aus Syrien auf der Polizeiwache in Erkelenz gegen A. ausgesagt habe, dass er in einer Flüchtlingsunterkunft die Scharia studiere, Taten des „Islamischen Staates“ befürworte und in Syrien Mitglied einer islamistischen Kampfgruppe gewesen sein soll. 2019 warnten britische Sicherheitsbehörden deutsche Kollegen, dass A. möglicherweise Terrororganisationen finanziere.5
Ich frage daher die Landesregierung:
- Auf welchem Weg reiste A. wann nach Deutschland ein und wie ist sein Aufenthaltsstatus?
- Was wurde jeweils 2016 und 2019 unternommen, nachdem zum einen ein Zeuge den deutschen Behörden Hinweise dahingehend gab, dass sich A. auffällig verhalte, zum anderen der Verdacht durch britische Sicherheitsbehörden im Raum stand, dass er Terrororganisationen finanziere?
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtige, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
- Wie hoch ist der vermutete volkswirtschaftliche Schaden zu beziffern, der z. B. durch geleistete Transferleistungen an A. entstanden ist?
- Warum wurden gegen A. bisher keine aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet? Markus Wagner
1 Vgl. https://www.spiegel.de/panorama/justiz/ermittlungen-gegen-hawala-bande-in-nrw-er-nennt-sich-king-seine-handlanger-sagen-scheich-a-98af0a99-4015-4778-91c3-01879f774e16.
2 Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/glosaareintraege/DE/H/hawala.html.
3 Vgl. https://www.spiegel.de/panorama/justiz/ermittlungen-gegen-hawala-bande-in-nrw-er-nennt-sich-king-seine-handlanger-sagen-scheich-a-98af0a99-4015-4778-91c3-01879f774e16.
4 Ebenda.
5 Ebenda.
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 431 mit Schreiben vom 10. Oktober 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, dem Minister des Innern, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.
- Auf welchem Weg reiste A. wann nach Deutschland ein und wie ist sein Aufenthaltsstatus?
Zur Beantwortung der Frage 1 hat mir das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration den folgenden Beitrag übersandt:
„A. reiste nach eigenen Angaben am 10.10.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 21.07.2016 einen Asylantrag. Nähere Angaben hinsichtlich des Einreisewegs liegen der zuständigen Ausländerbehörde nicht vor. A. wurde durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Er ist daher im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG.“
Die Umstände der Einreise des A. waren nach dem Bericht des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf an das Ministerium der Justiz vom 23.09.2022 nicht Gegenstand der bei der Generalstaatsanwaltschaft – Zentralstelle Terrorismusverfolgung NRW (ZenTer NRW) – Düsseldorf oder der Staatsanwaltschaft – Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung organisierter Straftaten NRW (ZeOS NRW) – Düsseldorf geführten Ermittlungsverfahren.
- Was wurde jeweils 2016 und 2019 unternommen, nachdem zum einen ein Zeuge den deutschen Behörden Hinweise dahingehend gab, dass sich A. auffällig verhalte, zum anderen der Verdacht durch britische Sicherheitsbehörden im Raum stand, dass er Terrororganisationen finanziere?
Soweit im Jahre 2016 ein Zeuge deutschen Behörden Hinweise gegeben haben soll, A. verhalte sich auffällig, sind diese Hinweise nach dem vorbezeichneten Bericht des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf der ZenTer NRW nicht zur Kenntnis gelangt.
Polizeilich wurde im September 2016 zu dem Sachverhalt ein „Prüffall Islamismus“ angelegt und durch den Staatsschutz bearbeitet.
Anlässlich der im Jahre 2019 durch die Sicherheitsbehörden (CTC) des Vereinigten Königreichs mitgeteilten Verdachtsmomente, wonach von A. vorgenommene Kontobewegungen auf eine mögliche Terrorfinanzierung schließen lassen könnten, erfolgte im Rahmen eines Vorer-mittlungsverfahrens bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf die Auswertung der benannten Transaktionen. Da sich aus diesen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Katalogtaten gemäß § 89c Abs. 1 StGB sowie Verstöße gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1a AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 entnehmen ließen, hat die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf die Aufnahme von Ermittlungen insoweit gemäß §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO abgelehnt.
3. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtige, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
Der Vorfall ist nach Mitteilung des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf in dem vorbezeichneten Bericht Gegenstand eines bei der Staatsanwaltschaft – ZeOS NRW – Düsseldorf geführten Umfangsverfahrens, das sich gegen etwa 90 Beschuldigte richtet, denen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines „Hawala-Netzwerks“ die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Verstöße gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) u. a. vorgeworfen werden. Gegen vier Beschuldigte ist insoweit Anklage wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Geiselnahme, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Beihilfe zur unerlaubten Erbringung von Zahlungsdiensten erhoben worden, im Übrigen dauern die Ermittlungen an.
Soweit wegen des benannten Vorfalls auch bei der ZenTer NRW, nach Einleitung durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, gegen A. wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland u. a. Ermittlungen geführt worden sind, wurde die Verfolgung ausweislich des vorbezeichneten Berichts des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf, da der Schwerpunkt des dem A. vorzuwerfenden Verhaltens erkennbar auf Ha-wala-Banking lag und die hier gegenständlichen Zahlungen zur Unterstützung und Finanzierung von Terrororganisationen im Verhältnis gesehen allenfalls nur einen geringen Teil ausmachten, gemäß § 154a StPO mit Blick auf das insoweit von der ZeOS NRW geführte Ermittlungsverfahren beschränkt und im Übrigen einvernehmlich an diese zur weiteren Verfolgung abgegeben.
Eine Aufschlüsselung nach einzelnen Beschuldigten, deren Vorstrafen, Tatvorwürfen, Staatsbürgerschaften, Vornamen und sonstigen polizeilichen Erkenntnissen könnte nach dem vor-bezeichneten Bericht des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf allenfalls durch händische Auswertung der umfangreichen Akten erfolgen und ist daher mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu leisten.
4. Wie hoch ist der vermutete volkswirtschaftliche Schaden zu beziffern, der z. B. durch geleistete Transferleistungen an A. entstanden ist?
Ein durch die Transferleistungen an A. entstandener volkswirtschaftlicher Schaden lässt sich nach dem vorbezeichneten Bericht aus dem durch die Staatsanwaltschaft – ZeOS NRW – Düsseldorf geführten Ermittlungsverfahren heraus nicht beziffern.
Bezogen auf mögliche Steuerstrafverfahren können zu Einzelfällen aufgrund des Steuergeheimnisses keine Angaben gemacht werden. Weitere Erkenntnisse liegen der Landesregierung nicht vor.
- Warum wurden gegen A. bisher keine aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet?
Zur Beantwortung der Frage 5 hat mir das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration den folgenden Beitrag übersandt:
„Die zuständige Ausländerbehörde prüft fortlaufend, ob die ihr vorliegenden Erkenntnisse aufenthaltsbeendende Maßnahmen rechtfertigen.“