Hebelt das Windrad unsere Denkmäler aus?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1558

der Abgeordneten Zacharias Schalley und Carlo Clemens vom 16.03.2023

Hebelt das Windrad unsere Denkmäler aus?

In zahlreichen Medienberichten werden Fälle aus dem ganzen Bundesgebiet beschrieben, in denen Windkraftunternehmer vor Gericht ziehen müssen, um den Bau von Windkraftanlagen (WKA) gegen Denkmalschutzrechte durchzusetzen. In diesen gerichtlichen Auseinandersetzungen wurden Denkmalschutz und der Ausbau erneuerbarer Energien grundsätzlich gleichwertig betrachtet und im Einzelfall abgewägt

Ein kürzlicher Präzedenzfall aus Mecklenburg-Vorpommern stellte nun erstmalig fest, dass denkmalschutzrechtliche Fragen den Bau von WKA nicht wesentlich verzögern dürfen – eine Entscheidung müsse laut dem dortigen Oberverwaltungsgericht nach spätestens sieben Monaten fallen (AZ 5K171/22 OVG MV). In einer solch kurzen Zeit sind komplexe baurechtliche Fragen jedoch keinesfalls in aller Gänze zu klären – viele ähnliche Verfahren, in denen Windkraftunternehmer sich gegen Denkmalschutz durchsetzen wollen, laufen seit mehreren Jahren.

Das Gericht argumentierte ferner, dass die WKA das Erscheinungsbild der in jenem Fall betroffenen Denkmäler – Gutshaus, Park und Kirche – nicht beeinträchtigen würde. Das Denkmal wird durch diese Auffassung als bloßes Bauobjekt, nicht aber als fester Bestandteil der Landschaft und Umgebung klassifiziert, womit das Urteil den eigentlichen Wesenszweck des Denkmalschutzes verwirft.

Der Richter genehmigte den umstrittenen WKA-Bau aufgrund eines „überwiegenden öffentlichen Interesses“, welches § 2 des EEG zu entnehmen sei. Erneuerbaren Energien schreibt er aufgrund dieser Rechtsauffassung prinzipiell einen höheren Stellenwert als dem Schutz heimischer Denkmäler.

In Nordrhein-Westfalen befinden sich derweil rund 80.000 eingetragene Baudenkmäler, von denen 80% im Privatbesitz sind). Gleichzeitig kündigte die Landesregierung im vergangenen Jahr an, den Ausbau von WKA über die gegenwärtige Legislaturperiode voranzutreiben. Die Zahl der WKA soll sich bis 2027 von 3.603 um 1.000 erhöhen.

Mit Hinblick auf den Präzedenzfall aus Mecklenburg-Vorpommern liegt die Prognose nahe, dass sich Richter bundesweit auf dieses Urteil berufen werden. Die geringe Verfahrenszeit sowie die grundlegende Priorisierung des WKA-Ausbaus über Denkmalschutz dürfen keineswegs unsere hiesigen denkmalgeschützten Bauten in Gefahr versetzen, zugunsten von unzuverlässigen Energiequellen beeinträchtigt oder abgerissen zu werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit der Vereinbarkeit von Denkmalschutz mit dem geplanten Windkraftausbau in Nordrhein-Westfalen?
  2. Wie bewertet die hiesige Landesregierung die im Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern benannte grundsätzliche Priorisierung des WKA-Ausbaus über denkmalschutzrechtliche Bedenken?
  3. Wie viele Fälle sind der Landesregierung aus den letzten 20 Jahren bekannt, in denen die geplante Errichtung von WKA im Konflikt mit denkmalgeschützten Bauten stand? (Bitte aufschlüsseln nach Ort und Jahr)
  4. In wie vielen der bezifferten Fälle wurde der Bau der WKA trotz denkmalschutzrechtlicher Hindernisse mittels Gerichtsurteil durchgesetzt?
  5. Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung einen Rückgang nordrhein-westfälischer Denkmäler durch den geplanten Windkraftausbau verhindern?

Zacharias Schalley
Carlo Clemens

 

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Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung hat die Kleine An­frage 1558 mit Schreiben vom 21. April 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klima und Energie und dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit der Vereinbarkeit von Denkmal­schutz mit dem geplanten Windkraftausbau in Nordrhein-Westfalen?

Denkmalschutz und der geplante Windkraftausbau stehen in keinem grundsätzlichen Wider­spruch zueinander.

  1. Wie bewertet die hiesige Landesregierung die im Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern benannte grundsätzliche Priorisierung des WKA-Ausbaus über denkmalschutzrechtliche Bedenken?

Das in Bezug genommene Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern stützt sich bei seinen denkmalfachlichen Ausführungen auf die Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes Mecklen­burg-Vorpommern. Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer unterscheiden sich teilweise erheblich, so dass eine fundierte Bewertung der Aussagen des OVG Mecklenburg-Vorpom­mern ohne nähere Bewertung der denkmalrechtlichen Vorschriften aus Mecklenburg-Vorpom­mern nicht getroffen werden kann. Die Landesregierung enthält sich jedoch der Bewertung gesetzlicher Regelungen anderer Länder.

  1. Wie viele Fälle sind der Landesregierung aus den letzten 20 Jahren bekannt, in denen die geplante Errichtung von WKA im Konflikt mit denkmalgeschützten Bau­ten stand? (Bitte aufschlüsseln nach Ort und Jahr)

Zuständig für denkmalfachliche Fragen im Zusammenhang mit geplanten Errichtungen von Windkraftanlagen sind grundsätzlich die Unteren Denkmalbehörden. Insofern liegen der Lan­desregierung die mit der Anfrage erbetenen Daten nicht vor.

Im Zusammenhang mit Ministeranrufungsverfahren ist ein Verfahren im Ministerium für Hei­mat, Kommunales, Bau und Digitalisierung im Hinblick auf die Fragestellung bekannt: Die Mi­nisterentscheidung fiel 2019 zugunsten der Errichtung zweier Windkraftanlagen auf dem Ge­meindegebiet Nachrodt-Wiblingwerde aus.

  1. In wie vielen der bezifferten Fälle wurde der Bau der WKA trotz denkmalschutz-rechtlicher Hindernisse mittels Gerichtsurteil durchgesetzt?

Dazu liegen der Landesregierung keine Angaben vor.

  1. Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung einen Rückgang nordrhein-westfälischer Denkmäler durch den geplanten Windkraftausbau verhindern?

Ein „Rückgang nordrhein-westfälischer Denkmäler“ setzt eine Löschung bzw. Austragung aus der jeweiligen Denkmalliste voraus. Voraussetzung für eine Löschung ist, dass der Denkmal­wert der unter Denkmalschutz stehenden Anlage nicht mehr gegeben ist. Der in der Anfrage gegenständliche Sachverhalt ist daher nicht einschlägig.

 

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