High Noon in Deutschland – Zukünftig zur Mittagszeit schon „high“? – Wohin führt die Legalisierung von Cannabis in Nordrhein-Westfalen?

Antrag
vom 16.04.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

High Noon in Deutschland – Zukünftig zur Mittagszeit schon „high“? – Wohin führt die Legalisierung von Cannabis in Nordrhein-Westfalen?

I. Ausgangslage

In der Vergangenheit betraf die Problematik der Illegalität von Cannabis und Cannabinoiden Nordrhein-Westfalen in einem erheblichen Ausmaße. Einzelne Faktoren waren unter anderem der Cannabisanbau, der grenzüberschreitende Warenverkehr, insbesondere mit den Nieder­landen, der Konsum und das Konsumverhalten, um nur einige Beispiele zu nennen.

So wurden beispielsweise im August letzten Jahres 84 Kilogramm Marihuana im Wert von 800.000 € gefunden und beschlagnahmt. Dieser Drogenfund wurde in einer Lagerhalle eines Spediteurs aus Werl gefunden. Das Marihuana sei vakuumverschweißt in Beuteln und Kunst­stoffkisten gelagert worden und sollte für den deutschen Markt weitergeliefert werden.1 Kurz zuvor wurde ebenfalls im August 2023 in Bergkamen eine Cannabis-Plantage mit mehr als 300 Pflanzen aufgefunden und sichergestellt. Aus diesen Pflanzen wären mehrere Kilogramm Marihuana herstellbar gewesen. Dabei wurde die Plantage nur durch Zufall entdeckt, als ein Feuer in derselben Straße ausbrach und die hinzugerufene Feuerwehr durch die Löscharbei­ten auf das Gebäude mit den Cannabispflanzen aufmerksam wurde.2

Mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Can­nabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) wird der Besitz und Anbau von Cannabis legalisiert. Damit sollen die Strafverfolgungsbehörden entlastet, ein kon­trollierter Zugang zu kontrolliert angebautem Cannabis sichergestellt und der Gesundheits-sowie Jugendschutz gestärkt werden.

Jedoch sind die oben genannten Beispiele für strafbares Verhalten in Form von Besitzmenge und Anbau auch nach aktueller Gesetzeslage weiterhin nicht legal. Mit dem Gesetz dürfen nur bis zu drei Pflanzen von Volljährigen privat angebaut werden. Größere Mengen dürfen nur in nicht-gewerblichen Anbauvereinigungen angebaut und kontrolliert weitergegeben werden. Im öffentlichen Raum dürfen 25 Gramm, im privaten Raum 50 Gramm getrockneten Cannabis besessen werden.3

Das Cannabisgesetz beabsichtigt insbesondere einen kontrollierten Zugang für Erwachsene herzustellen und den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. So sollen unter 18-Jährige auch weiterhin keinen Zugang zu Cannabisprodukten erhalten, und deren Weitergabe bleibt eben­falls weiterhin ein Straftatbestand. Der Konsum in der Sichtweite von Schulen, Kinderspielplät­zen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Sportplätzen bleibt weiterhin verboten. Durch die legale Möglichkeit des Eigenanbaus und der legalen Weitergabe durch Anbauvereinigungen soll ferner der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden.4 Wie eine illegale Weitergabe an Min­derjährige verhindert werden soll, obwohl der generelle Zugang zu Cannabis, Cannabinoiden und sonstigen Cannabisprodukten in Zukunft legal und damit vereinfacht sein wird, bleibt frag­lich.

Der Deutsche Richterbund kritisierte schon den ursprünglichen Referentenentwurf erheblich. Zwar wurde der Gesetzentwurf seitdem in einigen Punkten überarbeitet und sich der Kritik des Richterbundes ersichtlich angenommen, dennoch bleiben einige Punkte auch weiterhin offen und fraglich. Zum Kinder- und Jugendschutz widersprach der Deutsche Richterbund sogar der Intention der Bundesregierung und sah darin eine Verschlechterung des Kinder- und Jugend­schutzes statt einer forcierten Stärkung. Insbesondere der Zugriff von Minderjährigen auf selbst angebaute Cannabispflanzen würde nicht ausreichend sanktioniert, da der Gesetzgeber nicht von realistischen Gefahren ausgehe. Diese Kritik am Referentenentwurf ist auch auf das beschlossene und verkündete Gesetz anwendbar, da ein Verstoß gegen die Schutzmaßnah­men zum Cannabisanbau im privaten Raum lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Da der Strafrahmen für Verstöße gegen das Cannabisgesetz auch im Allgemeinen reduziert wird, würde die illegale Abgabe von Cannabis nicht mehr ausreichend abschreckend wirken. Beim illegalen Handeltreiben wird ebenfalls keine Besserung erwartet, da die notwendigen Anbau­vereinigungen durch Strohmänner besetzt und dementsprechend durch organisierte Krimina­lität unterwandert werden könnten. Da der Besitz von Cannabis nicht generell legalisiert wird, sondern nur gewissen Voraussetzungen unterworfen wird, in deren Rahmen er legal ist, ist zu erwarten, dass der Verwaltungs- und Strafverfolgungsaufwand nicht geringer wird. Schon zu­vor war die grenzüberschreitende Kriminalität in großem Ausmaß der Schwerpunkt der Straf­verfolgung; dieser Bereich der Schwerkriminalität wird auch durch das Cannabisgesetz nicht legal, sondern unterliegt weiterhin der Strafverfolgungspflicht des Staates.5 Unterstützt werden diese Bedenken auch vom Bund der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen e. V., welcher sich dem Schreiben des Deutschen Richterbundes anschloss. Insbesondere wurde auf die prekäre Personalsituation in Nordrhein-Westfalen hingewiesen und auf die durch das Cannabisgesetz verschärfte Problematik der Abgrenzung zwischen legalem und illegalem Be­sitz bzw. Anbau von Cannabis. Dies würde zu einem erheblichen Mehraufwand führen, der nicht mehr vertretbar sei.6

Die gesellschaftlichen Auswirkungen des Gesetzes sollen durch eine Evaluation gemäß § 43 CanG ermittelt werden. Hierbei soll insbesondere der Kinder- und Jugendschutz, der Ge­sundheitsschutz sowie die cannabisbezogene Kriminalität evaluiert werden. Die gesellschaft­liche Akzeptanz der Cannabislegalisierung bleibt jedoch weiterhin fraglich. So nahm zwar die gesellschaftliche Akzeptanz der Legalisierung im Zeitraum von 2014 bis 2023 merklich zu, jedoch blieb ein uneindeutiges Meinungsbild übrig. Im Verlauf der Zeit von August 2023 über Februar 2024 bis zum März 2024 war die Akzeptanz sogar wieder leicht rückläufig. So gaben Ende März circa 40% der Befragten an, sich für eine Legalisierung auszusprechen. Zum gleichen Zeitpunkt befürworteten jedoch 56% der Befragten weiterhin ein allgemeines Verbot von Cannabis. Die Anzahl der kritischen Stimmen bzgl. einer Legalisierung scheint zumindest gesamtgesellschaftlich leicht in der Mehrzahl zu sein.7

Vor allem der Mythos der ‚harmlosen‘ gesundheitlichen Auswirkungen der Einnahme von Can­nabis und Cannabinoiden, welche im Vergleich zu Alkohol geringer ausfallen sollen, grassiert häufig noch als Fehlinformation in der Gesellschaft. So zeigen Studien eindeutig auf, dass konsumierte Cannabinoide zu vielfältigen kognitiven Beeinträchtigungen führen können. Die Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit und Motorik werden durch den Konsum direkt einge­schränkt. Regelmäßiger Cannabiskonsum geht mit veränderten Aktivitätsmustern im Gehirn während kognitiver Beanspruchungen einher. Zu den organischen Folgen des regelmäßigen Cannabiskonsums gehören respiratorische Symptome wie Husten und keuchender Atem, Er­weiterung der Blutgefäße, Bluthochdruck und beschleunigter Puls, erhöhtes Hodenkrebsrisiko, Veränderungen von Gehirnregionen in Volumen und Form sowie der Dichte der grauen Sub­stanz im Gehirn. Der frühe Konsum von Cannabis und Cannabinoiden in jungen Jahren könnte einen geringeren Bildungserfolg bei jungen Menschen verursachen. Auch das Risiko, an Angststörungen oder psychotischen Störungen, wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder Wahrnehmungsstörungen, zu leiden, wird durch den Cannabiskonsum erhöht. Eine ähnliche Symptomatik gilt für Depressionen.8,9 Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass der Konsum von Cannabis und Cannabinoiden zu Einschränkungen im Bereich der Somatik, der Kognition, der Abhängigkeitsentwicklung, der psychischen Störungen sowie der sozialen Fol­gen führen kann. Dabei gelten als Risikofaktoren insbesondere der frühe Cannabiskonsum in der Adoleszenz und intensive Gebrauchsmuster. Es ist daher notwendig, dass diese Risiken in Zukunft aufgrund des legalen Besitzes von Cannabinoiden und des damit einhergehenden vereinfachten Zugangs für Minderjährige strenger überwacht und minimiert werden.

Aufgrund der nicht erwünschten Kommerzialisierung des Cannabisanbaus und -handels hat sich die Bundesregierung für das Modell der Anbauvereinigungen entschieden. Dies wird von einigen Ökonomen kritisch gesehen, da hierdurch weitere Steuereinnahmen ausbleiben. Le­diglich Einsparungen im Bereich der Justiz und Polizei stellen die größten freiwerdenden Res­sourcen dar. Allein durch eine Cannabis-Steuer wären jedoch bundesweit bis zu 1,8 Milliarden Euro Mehreinnahmen möglich.10

II. Der Landtag stellt daher fest:

  1. Der legale Besitz und Anbau von Cannabis nach dem Cannabisgesetz stellt eine grundlegende Zeitenwende im Umgang mit Cannabinoiden dar.
  2. Der bisher fraglichen gesellschaftlichen Akzeptanz der Umsetzung des Cannabisgesetzes muss ausreichend Rechnung getragen werden. Hierzu ist eine transparente und objektive Evaluation unabdingbar.
  3. Der Kinder- und Jugendschutz, der gesundheitliche Schutz der Konsumenten und Betroffenen sowie die Evaluation der cannabisbezogenen Kriminalität müssen stets höchste Priorität innehaben.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. Angelehnt an § 43 des Cannabisgesetzes werden jährliche Evaluationen auf Landesebene zusätzlich durchgeführt. Diese Evaluationen ermitteln insbesondere

a) die Entwicklung der Anzahl der Anbauvereinigungen sowie deren Mitgliederentwicklung in Nordrhein-Westfalen,

b) Verstöße gegen das Cannabisgesetz im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes,

c) den Konsum von Cannabinoiden im Bereich der Minderjährigen,

d) die Entwicklung der cannabisbezogenen Straftaten, insbesondere im Bereich der Minderjährigen,

e) die Zunahme von Suchterkrankungen in der Gesellschaft, insbesondere im Bereich der Minderjährigen, sowie

f) die gesundheitlichen Auswirkungen durch den Konsum von Cannabis sowie die damit einhergehenden gesellschaftlichen Mehrkosten, insbesondere im Bereich der Minderjährigen.

2. Eine Langzeitstudie in Auftrag zu geben, um die unter Punkt 1 e) und f) genannten Bereiche der Entwicklung von Suchterkrankungen und der gesundheitlichen Auswirkungen durch den Konsum von Cannabis und Cannabinoiden, insbesondere im Bereich der Minderjährigen, wissenschaftlich zu erfassen, zu analysieren und langfristig aufzuarbeiten.

    • Aufgrund dieser Langzeitstudie gegebenenfalls eine Rückabwicklung des Cannabisgesetzes im Bundesrat zu forcieren, sollte die Evaluation eine negative gesamtgesellschaftliche Entwicklung durch das Cannabisgesetz in den nächsten 5 Jahren darlegen.
  1. Gemäß § 30 Cannabisgesetz umgehend eine Rechtsverordnung zu erlassen, um die Zahl der Anbauvereinigungen, die in einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt eine Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Cannabisgesetz erhalten dürfen, auf eine Anbauvereinigung auf je 6.000 Einwohner zu begrenzen.
  2. Eine behördliche Registrierung von privat oder durch Anbauvereinigungen angebauten Cannabispflanzen zu forcieren.
  3. Zu prüfen, inwieweit eine Besteuerung von privat oder durch Anbauvereinigungen angebauten Cannabispflanzen durch das Land Nordrhein-Westfalen oder die Gemeinden bzw. Kreise durchgeführt werden kann.

Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

MMD18-8879

 

1 https://www.wa.de/nordrhein-westfalen/zoll-drogenlieferung-marihuana-nrw-sichergestellt-werl-lager-halle-gras-cannabis-spanien-zr-92467215.html (abgerufen am 11.04.2024).

2 https://www.wa.de/nordrhein-westfalen/razzia-feuerwehr-atemschutzmasken-drogen-plantage-nrw-polizei-einsatz-bergkamen-cannabis-mariuhana-zr-92457243.html (abgerufen am 11.04.2023).

3 https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/cannabis-legalisierung-2213640 (abgerufen am 11.04.2024).

4 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz (abgerufen am 11.04.2024).

5 https://www.drb.de/positionen/stellungnahmen/stellungnahme/news/18-2023 (abgerufen am 11.04.2024).

6 https://www.drb-nrw.de/fileadmin/Landesverband-Nordrhein-Westfalen/Dokumente/Nachrich-ten/2024-02-26_Cannabisgesetz.pdf (abgerufen am 11.04.2024).

7 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1280064/umfrage/umfrage-zur-cannabislegalisierung-in-deutschland/ (abgerufen am 11.04.2024); https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1459269/um-frage/meinung-zur-cannabis-legalisierung-in-deutschland/ (abgerufen am 11.04.2024).

8 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Dro-gen_und_Sucht/Berichte/Kurzbericht/171127_Kurzbericht_CAPRis.pdf (abgerufen am 11.04.2024).

9 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Dro-gen_und_Sucht/Berichte/Hoch_et_al_Cannabis_Potential_u_Risiko_SS.pdf (abgerufen am 11.04.2024).

10 https://www.fr.de/wirtschaft/cannabis-legalisierung-staat-verpasst-steuern-in-milliardenhoehe-lauter-bach-ampel-92254727.html (abgerufen am 11.04.2024).