Hochwasserschutz in den durch die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 betroffenen Städten Hagen und Wuppertal, der Städteregion Aachen, dem Kreis Euskirchen, dem Rhein-Sieg-Kreis sowie dem Rheinisch-Bergischen Kreis

Kleine Anfrage
vom 01.06.2023

Kleine Anfrage 1900
des Abgeordneten Andreas Keith AfD

 

Hochwasserschutz in den durch die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 betroffenen Städten Hagen und Wuppertal, der Städteregion Aachen, dem Kreis Euskirchen, dem Rhein-Sieg-Kreis sowie dem Rheinisch-Bergischen Kreis

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Hochwasserschutz gehört gerade nach der Hochwasserkatastrophe 2021 zu den zentralen Aufgabe staatlicher Daseinsfürsorge. Die dafür vorgesehenen Maßnahmen gingen in der Ver­gangenheit zumeist von einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ 100) aus, das im Juli 2021 jedoch um ein Vielfaches übertroffen wurde. Ein Ausbau der vorhandenen Schutzmaßnahmen hat sich vor diesem Hintergrund vielerorts als notwendig erwiesen. Die Ereignisse haben zu­dem aufgezeigt, dass sowohl Sicherheits- als auch Rettungskräfte von massiven Ausfällen des Digitalfunksystems „BOSNet“ betroffen waren. Durch den Ausfall des Behördenfunks kam die Krisenkommunikation in den von der Flut betroffenen Städten und Kreisen zum Erliegen.1 Ferner hat sich gezeigt, dass die fehlende Ausrüstung deutscher Ambulanzhelikopter mit Seil­winden ein Defizit darstellte. Denn lediglich die Helikopter vom Typ Airbus H145 oder Super Puma der deutschen Bundeswehr und der Bundespolizei waren geeignet, um Menschen aus den völlig überfluteten Gegenden zu retten.2 Es steht zu erwarten, dass sich die Ereignisse vom Juli 2021 in ähnlicher Art wiederholen könnten.

Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 1900 mit Schrei­ben vom 14. Juli 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Heimat, Kom­munales, Bau und Digitalisierung beantwortet.

  1. Welche Hochwasserschutzmaßnahmen in den oben aufgeführten Städten und Kreisen hat die Landesregierung seit dem Juli 2021 unterstützt (bitte einzeln mit Höhe der Finanzmittel aufführen)?
  2. Welche Hochwasserschutzmaßnahmen, in den oben angegeben Städten und Krei­sen, wird die Landesregierung zukünftig unterstützen?

Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantwortet.

Nach dem Juli-Hochwasser 2021 lag der Fokus zunächst auf der Hilfe zur Schadensbewälti-gung, bei der auch Schutzvorkehrungen für künftige Hochwasserereignisse einbezogen wer­den. Das Wiederaufbauhilfeprogramm reguliert den durch das Hochwasserereignis im Juli 2021 entstandenen Schaden. Dabei werden die durch Starkregen- und Hochwasser beschä­digten baulichen Anlagen, Gebäude, Gegenstände und öffentliche Infrastruktur gemäß För­derrichtlinie Wiederaufbau Nordrhein-Westfalen nach dem aktuellen Stand der Technik wie­deraufgebaut und können u. a. auch Hochwasserschutzmaßnahmen beinhalten. Da es sich hier nicht um ein eigenständiges Förderprogramm des Landes für die Umsetzung von Hoch­wasserschutzmaßnahmen handelt, können die für den Hochwasserschutz möglicherweise re­levanten Bestandteile einzelner Maßnahmen nicht beziffert werden.

Wesentliches Förderinstrument für Hochwasserschutzmaßnahmen ist die Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen der Wasserwirtschaft für das Hochwasserrisikomanagement und zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (FöRL HWRM/WRRL). Zum Hoch­wasserschutz an Abwasseranlagen wird auf die künftige Förderrichtlinie „Zukunftsfähige und nachhaltige Abwasserbeseitigung NRW“ (ZunA NRW) verwiesen, wonach konzeptionelle Maßnahmen bei Abwasseranlagen gefördert werden sollen.

Die Förderung von Hochwasserschutzmaßnahmen geschieht auf Antrag der Vorhabenträger und erfordert stets eine Prüfung des Einzelfalls, sodass für die Förderung zukünftiger Maß­nahmen keine verbindlichen Aussagen getroffen werden können. Die Bezirksregierungen be­finden sich mit den Kommunen im stetigen Austausch, um weitere Hochwasserschutzmaß­nahmen zu identifizieren, deren Umsetzung und Chancen auf Förderfähigkeit zu unterstützen und die Hochwasserresilienz zu verbessern.

Für die seit 2021 geförderten Hochwasserschutzmaßnahmen in den angefragten Städten und Kreisen wird auf die drei nachfolgenden Tabellen verwiesen:

Kreis Euskirchen, Rheinisch-Bergischer Kreis, Rhein-Sieg-Kreis, Städteregion Aachen, Regie­rungsbezirk Köln

Tabelle 1: 28 im Zeitraum Juli 2021 – Juni 2023 bewilligte Zuwendungen für Maßnahmen zum Hochwasserschutz und zur Starkregenvorsorge in den zuvor genannten Kreisen und der Städ­teregion Aachen

Kreis Kommune Maßnahme Gesamt- Zuwendung Bewilligt im Jahr
EU       Bad Münstereifel   Hochwasserschutzkonzept      165.402 €         2023
EU Euskirchen Hochwasserschutzmaßnahmen –
Umgestaltung des Veybach
4.311.935 €     2021
EU       Euskirchen             Hochwasserschutzkonzept         171.777 €         2023
EU       Kreis Euskirchen    Starkregenanalyse                       85.829 €        2022
Grunddienstbarkeit zur Herstellung von

EU       Mechernich            Hochwasserentlastung                                              4.000 €          2022

EU Hochwassersentlastung Rotbach, Mechernich-

Mechernich             Eicks

141.140 € 2022
Hochwasserschutzmaßnahme in Mechernich-

EU       Mechernich            Kommern                                                               121.200 €         2022

EU       Mechernich            Hochwasserschutzkonzept                                    273.100 €         2023
EU       Weilerswist            Hochwasserschutzkonzept                                    157.175 €         2023
EU Zülpich Hochwasserschutzmaßnahme Zülpich-Sinzenich 376.767 € 2022
EU       Zülpich                   Hochwasserschutzkonzept                                    194.887 €         2023
EU Zülpich Grunderwerb für Hochwasserschutz Zülpich-Schwerfen 11.600 € 2023
Bau von 2 Pegelmessstellen Bleibach und

EU       Zülpich/Mechernich Veybach                                                                55.200 €          2023

Summe 6.070.012 €

Summe       156.406 €

RSK    Alfter                      Starkregengefahrenkarten                                      28.490 €          2022
RSK Bornheim Erstellung Handlungskonzept Starkregenrisikomanagement 16.265 € 2021
Untersuchungen zum Deich Statusbericht Teil

RSK    Bornheim               A – Hersel                                                                21.200 €          2022

RSK Eitorf Erstellung Deich-Statusbericht A und grundl. Überprüfung 15.475 € 2021
RSK    Meckenheim          Hochwasserschutzkonzept                                      37.233 €          2023
RSK    Rheinbach Kommunales Starkregenrisikomanagement            35.105 €          2022
RSK    Rheinbach             Hochwasserschutzkonzept                                    125.023 €         2023
RSK Sankt Augustin Statusbericht Teil A/grundl. Untersuchung Siegdeiche 27.447 € 2021
Statusbericht Teil A/grundl. Untersuchung

RSK    Siegburg                Siegdeiche                                                              16.880 €         2021

RSK Swisttal Hochwasserschutzkonzept 117.955 € 2023
Summe 441.073 €
StrAC Roetgen                   Starkregenkonzept 16.534 €                    2022
StrAC Stolberg Errichtung Hochwasserschutzdamm am Fischbach 86.080 € 2022
Summe 102.614 €

 

Stadt Hagen, Regierungsbezirk Arnsberg

Tabelle 2: Seit Juli 2021 in der kreisfreien Stadt Hagen geförderte Hochwasserschutzmaßnah­men

Kreisfreie Stadt Maßnahme Gesamt-Zuwendung Bewilligt im Jahr
Stadt Hagen            Grunderwerb an der Volme für künftige                                 96.800 €            2021

Hochwasserschutzmaßnahme

Stadt Hagen            3. Bauabschnitt der Lenne-Renaturierungs- und               3.800.000 €             2023

Hochwasserschutzmaßnahme

Summe                                                                                                                                                   3.896.800 €

 

Stadt Wuppertal, Regierungsbezirk Düsseldorf

Tabelle 3: Seit Juli 2021 in der kreisfreien Stadt Wuppertal geförderte Hochwasserschutzmaß­nahme

Kreisfreie Stadt Maßnahme Gesamt-Zuwendung Bewilligt im Jahr
Stadt Wuppertal Errichtung des kombinierten Hochwasserrückhaltebeckens/Regenrückhaltebeckens Bornberg am Mirker Bach des Wupperverbands 1.909.200 €                  2021
Summe 1.909.200 €

 

Die Förderung der Planung und Umsetzung weiterer Hochwasserschutzmaßnahmen in den angefragten Städten und Kreisen kann bei den Bezirksregierungen beantragt werden. Aus den ergangenen Förderbescheiden lassen sich zum Teil weitere Fördermöglichkeiten ableiten. Bei geförderten Grunderwerbsmaßnahmen ergeben sich beispielsweise Fördermöglichkeiten in der sich anschließenden Phase zur baulichen Realisierung der Hochwasserschutzmaßnah­men.

Im Rahmen der Erstellung von überregionalen Hochwasserschutzkonzepten findet ein kon­zeptionelles Vorgehen bei der Maßnahmenplanung, mit einer möglichst weitgehenden Abstim­mung der Wirkung aller Maßnahmen innerhalb eines Einzugsgebietes statt. Die Erstellung solcher Hochwasserschutzkonzepte ist grundsätzlich förderfähig, aber auch die konkreten Maßnahmen, die aus den Konzepten resultieren, können in Planung und Umsetzung gefördert werden. Es ist davon auszugehen, dass durch die zunehmende Aufstellung von Hochwasser-schutzkonzepten weitere Einzelmaßnahmen identifiziert werden, die von Seiten des Landes unterstützt werden können.

  1. In welcher Höhe wird die Landesregierung die Mittel für Hochwasserschutzmaß­nahmen in den oben bezeichneten Städten und Kreisen aufstocken?

Die Antwort bezieht sich auf die Haushaltsplanung des Landes für Hochwasserschutzmaß­nahmen (vorsorgender Hochwasserschutz) und nicht auf Mittel im Rahmen der Schadensbe-wältigung im Nachgang eines Hochwasserereignisses (siehe auch Antwort auf Frage 1 und 2 zur Förderrichtlinie Wiederaufbau Nordrhein-Westfalen).

Infolge des Hochwasserereignisses im Juli 2021 besteht ein erhöhter Umsetzungsbedarf von Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes in Nordrhein-Westfalen. Bereits im Haus­haltsplan des Jahres 2022 wurde der Haushaltsansatz in Höhe von 76,7 Mio. € gegenüber dem Haushaltsjahr 2021 um 20 Mio. € erhöht. Für das laufende Jahr 2023 wurde der Haus-haltsmittelansatz auf insgesamt circa 89,97 Mio. € erhöht. Der Haushaltsplan für das Jahr 2024 befindet sich derzeit in Aufstellung.

Die im Haushaltsplan dargestellten Finanzmittel stehen grundsätzlich zur Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen zur Verfügung. In einzelnen Themen des 10-Punkte-Arbeits­plans „Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels“3 engagiert sich das Land direkt bei der Finanzierung von Planungen und Maßnahmen (z. B. Verbesserung der Hochwasserinformati­onen und -vorhersage, Hochwasserinformations- und -meldedienst). Zu dem Umsetzungs­stand des 10-Punkte-Arbeitsplans wurde in der LT-Drucksache 18/3500 vom 14.03.20234 in­formiert.

Für die Mittelbereitstellung durch Förderprogramme verweise ich zudem auf die LT-Drucksa­che 18/4598 vom 06.06.20235.

Zuwendungen für Fördermaßnahmen können auf Grundlage und nach den Maßgaben der FöRL HWRM/WRRL gewährt werden. Die Finanzmittel sind dabei nicht einzelnen Kreisen o­der Kommunen zugeordnet, sondern werden bedarfsgerecht zugewiesen. Ein Anspruch auf Förderung besteht hierbei nicht.

  1. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um sicherstellen zu kön­nen, dass der digitale Funkverkehr in Katastrophenlagen aufrechterhalten werden kann?

Die Landesregierung hat die bereits initiierten Maßnahmen zur Härtung des Digitalfunk BOS entsprechend der bundesweit beschlossenen Vorgaben fortgesetzt und intensiviert. Bis Ende 2023 werden die in NRW befindlichen Basisstationen mit entsprechender Notstromversorgung für eine Laufzeit von mind. 72 Stunden ausgestattet sein. Zudem werden weitere Mobilsys-teme für die Ergänzungs- und Ersatzversorgung z. B. bei gestörten Basisstationen beschafft. Im Rahmen von Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen werden die Handlungsmöglichkei­ten im Rückfallbetrieb intensiv beleuchtet.

  1. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um künftig sicherzustel­len, dass Menschen aus Hochwassergebieten zu Wasser, zu Boden und zu Luft rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden können?

Die Zuständigkeit für Evakuierungen liegt grundsätzlich bei den Gemeinden und als Untere Katastrophenschutzbehörde bei den Kreisen und kreisfreien Städten. Die Initiierung der War­nung kann durch die Einsatzleitung der betroffenen Gemeinde für eine gefahrenbezogene und adressatengerechte Warnung veranlasst werden.

Ein wichtiger Bestandteil der Menschenrettung aus überfluteten Gebieten ist die Rettung über Wasser oder aus dem Wasser. Dazu wurde seitens des Landes für den Katastrophenfall ein entsprechendes Konzept mit den Landesverbänden der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesell-schaft und der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes erarbeitet und abgestimmt. In diesem Konzept der vorgeplanten überörtlichen Hilfe „Wasserrettungszug Nordrhein-Westfa­len“ sind die wesentlichen Fähigkeiten der Wasserrettung aus, am oder unter Wasser be­schrieben. Der Vorteil dieser Rettungseinheiten ist, dass sie eine höhere Rettungsrate aufwei­sen können als eine Menschenrettung aus der Luft ermöglicht. Zudem sind auch andere Be­reiche erreichbar und Taucherinnen und Taucher können unter Wasser nach Vermissten su­chen. Das Konzept ermöglicht zudem die Rettung von Tieren oder die Unterstützung bei Einsätzen der technischen Hilfeleistung oder mit Gefahrstoffen. Es gibt im Land Nordrhein-Westfalen 20 Wasserrettungszüge. Dadurch kann auch ein kontinuierlicher Einsatz gewähr­leistet werden.

Die Rettung von Menschen aus der Luft durch die Polizeifliegerstaffel erfolgt auf Ersuchen der originär zuständigen Behörde im Rahmen der Amtshilfe. Neben technischem Gerät (Winden) ist auch zu Luftrettern ausgebildetes Personal erforderlich. Die für den Einsatz an der Winde erforderlichen Luftretter sind bereits bei der Polizei vorhanden. Die Spezialisierung weiterer Kräfte wird zurzeit geprüft.

 

Anfrage als PDF

 

1 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/flutkatastrophe-behoerden-digitalfunk-100.html

2 https://www.nzz.ch/mobilitaet/luftfahrt/flutkatastrophe-hubschrauber-als-lebensretter-ld.1636156

3 https://www.land.nrw/media/25821

4 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-3500.pdf

5 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-4598.pdf

Beteiligte:
Andreas Keith