Kleine Anfrage 1900
des Abgeordneten Andreas Keith AfD
Hochwasserschutz in den durch die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 betroffenen Städten Hagen und Wuppertal, der Städteregion Aachen, dem Kreis Euskirchen, dem Rhein-Sieg-Kreis sowie dem Rheinisch-Bergischen Kreis
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Hochwasserschutz gehört gerade nach der Hochwasserkatastrophe 2021 zu den zentralen Aufgabe staatlicher Daseinsfürsorge. Die dafür vorgesehenen Maßnahmen gingen in der Vergangenheit zumeist von einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ 100) aus, das im Juli 2021 jedoch um ein Vielfaches übertroffen wurde. Ein Ausbau der vorhandenen Schutzmaßnahmen hat sich vor diesem Hintergrund vielerorts als notwendig erwiesen. Die Ereignisse haben zudem aufgezeigt, dass sowohl Sicherheits- als auch Rettungskräfte von massiven Ausfällen des Digitalfunksystems „BOSNet“ betroffen waren. Durch den Ausfall des Behördenfunks kam die Krisenkommunikation in den von der Flut betroffenen Städten und Kreisen zum Erliegen.1 Ferner hat sich gezeigt, dass die fehlende Ausrüstung deutscher Ambulanzhelikopter mit Seilwinden ein Defizit darstellte. Denn lediglich die Helikopter vom Typ Airbus H145 oder Super Puma der deutschen Bundeswehr und der Bundespolizei waren geeignet, um Menschen aus den völlig überfluteten Gegenden zu retten.2 Es steht zu erwarten, dass sich die Ereignisse vom Juli 2021 in ähnlicher Art wiederholen könnten.
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 1900 mit Schreiben vom 14. Juli 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.
- Welche Hochwasserschutzmaßnahmen in den oben aufgeführten Städten und Kreisen hat die Landesregierung seit dem Juli 2021 unterstützt (bitte einzeln mit Höhe der Finanzmittel aufführen)?
- Welche Hochwasserschutzmaßnahmen, in den oben angegeben Städten und Kreisen, wird die Landesregierung zukünftig unterstützen?
Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantwortet.
Nach dem Juli-Hochwasser 2021 lag der Fokus zunächst auf der Hilfe zur Schadensbewälti-gung, bei der auch Schutzvorkehrungen für künftige Hochwasserereignisse einbezogen werden. Das Wiederaufbauhilfeprogramm reguliert den durch das Hochwasserereignis im Juli 2021 entstandenen Schaden. Dabei werden die durch Starkregen- und Hochwasser beschädigten baulichen Anlagen, Gebäude, Gegenstände und öffentliche Infrastruktur gemäß Förderrichtlinie Wiederaufbau Nordrhein-Westfalen nach dem aktuellen Stand der Technik wiederaufgebaut und können u. a. auch Hochwasserschutzmaßnahmen beinhalten. Da es sich hier nicht um ein eigenständiges Förderprogramm des Landes für die Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen handelt, können die für den Hochwasserschutz möglicherweise relevanten Bestandteile einzelner Maßnahmen nicht beziffert werden.
Wesentliches Förderinstrument für Hochwasserschutzmaßnahmen ist die Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen der Wasserwirtschaft für das Hochwasserrisikomanagement und zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (FöRL HWRM/WRRL). Zum Hochwasserschutz an Abwasseranlagen wird auf die künftige Förderrichtlinie „Zukunftsfähige und nachhaltige Abwasserbeseitigung NRW“ (ZunA NRW) verwiesen, wonach konzeptionelle Maßnahmen bei Abwasseranlagen gefördert werden sollen.
Die Förderung von Hochwasserschutzmaßnahmen geschieht auf Antrag der Vorhabenträger und erfordert stets eine Prüfung des Einzelfalls, sodass für die Förderung zukünftiger Maßnahmen keine verbindlichen Aussagen getroffen werden können. Die Bezirksregierungen befinden sich mit den Kommunen im stetigen Austausch, um weitere Hochwasserschutzmaßnahmen zu identifizieren, deren Umsetzung und Chancen auf Förderfähigkeit zu unterstützen und die Hochwasserresilienz zu verbessern.
Für die seit 2021 geförderten Hochwasserschutzmaßnahmen in den angefragten Städten und Kreisen wird auf die drei nachfolgenden Tabellen verwiesen:
Kreis Euskirchen, Rheinisch-Bergischer Kreis, Rhein-Sieg-Kreis, Städteregion Aachen, Regierungsbezirk Köln
Tabelle 1: 28 im Zeitraum Juli 2021 – Juni 2023 bewilligte Zuwendungen für Maßnahmen zum Hochwasserschutz und zur Starkregenvorsorge in den zuvor genannten Kreisen und der Städteregion Aachen
Kreis | Kommune | Maßnahme | Gesamt- Zuwendung | Bewilligt im Jahr |
EU Bad Münstereifel Hochwasserschutzkonzept 165.402 € 2023 | ||||
EU | Euskirchen | Hochwasserschutzmaßnahmen – Umgestaltung des Veybach |
4.311.935 € | 2021 |
EU Euskirchen Hochwasserschutzkonzept 171.777 € 2023 | ||||
EU Kreis Euskirchen Starkregenanalyse 85.829 € 2022 | ||||
Grunddienstbarkeit zur Herstellung von
EU Mechernich Hochwasserentlastung 4.000 € 2022 |
||||
EU | Hochwassersentlastung Rotbach, Mechernich-
Mechernich Eicks |
141.140 € | 2022 | |
Hochwasserschutzmaßnahme in Mechernich-
EU Mechernich Kommern 121.200 € 2022 |
||||
EU Mechernich Hochwasserschutzkonzept 273.100 € 2023 | ||||
EU Weilerswist Hochwasserschutzkonzept 157.175 € 2023 | ||||
EU | Zülpich | Hochwasserschutzmaßnahme Zülpich-Sinzenich | 376.767 € | 2022 |
EU Zülpich Hochwasserschutzkonzept 194.887 € 2023 | ||||
EU | Zülpich | Grunderwerb für Hochwasserschutz Zülpich-Schwerfen | 11.600 € | 2023 |
Bau von 2 Pegelmessstellen Bleibach und
EU Zülpich/Mechernich Veybach 55.200 € 2023 |
Summe 6.070.012 €
Summe 156.406 €
RSK Alfter Starkregengefahrenkarten 28.490 € 2022 | ||||
RSK | Bornheim | Erstellung Handlungskonzept Starkregenrisikomanagement | 16.265 € | 2021 |
Untersuchungen zum Deich Statusbericht Teil
RSK Bornheim A – Hersel 21.200 € 2022 |
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RSK | Eitorf | Erstellung Deich-Statusbericht A und grundl. Überprüfung | 15.475 € | 2021 |
RSK Meckenheim Hochwasserschutzkonzept 37.233 € 2023 | ||||
RSK Rheinbach | Kommunales Starkregenrisikomanagement 35.105 € 2022 | |||
RSK Rheinbach Hochwasserschutzkonzept 125.023 € 2023 | ||||
RSK | Sankt Augustin | Statusbericht Teil A/grundl. Untersuchung Siegdeiche | 27.447 € | 2021 |
Statusbericht Teil A/grundl. Untersuchung
RSK Siegburg Siegdeiche 16.880 € 2021 |
||||
RSK | Swisttal | Hochwasserschutzkonzept | 117.955 € | 2023 |
Summe | 441.073 € | |||
StrAC Roetgen Starkregenkonzept | 16.534 € 2022 | |||
StrAC | Stolberg | Errichtung Hochwasserschutzdamm am Fischbach | 86.080 € | 2022 |
Summe | 102.614 € |
Stadt Hagen, Regierungsbezirk Arnsberg
Tabelle 2: Seit Juli 2021 in der kreisfreien Stadt Hagen geförderte Hochwasserschutzmaßnahmen
Kreisfreie Stadt | Maßnahme | Gesamt-Zuwendung | Bewilligt im Jahr |
Stadt Hagen Grunderwerb an der Volme für künftige 96.800 € 2021
Hochwasserschutzmaßnahme |
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Stadt Hagen 3. Bauabschnitt der Lenne-Renaturierungs- und 3.800.000 € 2023
Hochwasserschutzmaßnahme |
|||
Summe 3.896.800 € |
Stadt Wuppertal, Regierungsbezirk Düsseldorf
Tabelle 3: Seit Juli 2021 in der kreisfreien Stadt Wuppertal geförderte Hochwasserschutzmaßnahme
Kreisfreie Stadt | Maßnahme | Gesamt-Zuwendung | Bewilligt im Jahr |
Stadt Wuppertal Errichtung des kombinierten Hochwasserrückhaltebeckens/Regenrückhaltebeckens Bornberg am Mirker Bach des Wupperverbands | 1.909.200 € 2021 | ||
Summe | 1.909.200 € |
Die Förderung der Planung und Umsetzung weiterer Hochwasserschutzmaßnahmen in den angefragten Städten und Kreisen kann bei den Bezirksregierungen beantragt werden. Aus den ergangenen Förderbescheiden lassen sich zum Teil weitere Fördermöglichkeiten ableiten. Bei geförderten Grunderwerbsmaßnahmen ergeben sich beispielsweise Fördermöglichkeiten in der sich anschließenden Phase zur baulichen Realisierung der Hochwasserschutzmaßnahmen.
Im Rahmen der Erstellung von überregionalen Hochwasserschutzkonzepten findet ein konzeptionelles Vorgehen bei der Maßnahmenplanung, mit einer möglichst weitgehenden Abstimmung der Wirkung aller Maßnahmen innerhalb eines Einzugsgebietes statt. Die Erstellung solcher Hochwasserschutzkonzepte ist grundsätzlich förderfähig, aber auch die konkreten Maßnahmen, die aus den Konzepten resultieren, können in Planung und Umsetzung gefördert werden. Es ist davon auszugehen, dass durch die zunehmende Aufstellung von Hochwasser-schutzkonzepten weitere Einzelmaßnahmen identifiziert werden, die von Seiten des Landes unterstützt werden können.
- In welcher Höhe wird die Landesregierung die Mittel für Hochwasserschutzmaßnahmen in den oben bezeichneten Städten und Kreisen aufstocken?
Die Antwort bezieht sich auf die Haushaltsplanung des Landes für Hochwasserschutzmaßnahmen (vorsorgender Hochwasserschutz) und nicht auf Mittel im Rahmen der Schadensbe-wältigung im Nachgang eines Hochwasserereignisses (siehe auch Antwort auf Frage 1 und 2 zur Förderrichtlinie Wiederaufbau Nordrhein-Westfalen).
Infolge des Hochwasserereignisses im Juli 2021 besteht ein erhöhter Umsetzungsbedarf von Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes in Nordrhein-Westfalen. Bereits im Haushaltsplan des Jahres 2022 wurde der Haushaltsansatz in Höhe von 76,7 Mio. € gegenüber dem Haushaltsjahr 2021 um 20 Mio. € erhöht. Für das laufende Jahr 2023 wurde der Haus-haltsmittelansatz auf insgesamt circa 89,97 Mio. € erhöht. Der Haushaltsplan für das Jahr 2024 befindet sich derzeit in Aufstellung.
Die im Haushaltsplan dargestellten Finanzmittel stehen grundsätzlich zur Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen zur Verfügung. In einzelnen Themen des 10-Punkte-Arbeitsplans „Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels“3 engagiert sich das Land direkt bei der Finanzierung von Planungen und Maßnahmen (z. B. Verbesserung der Hochwasserinformationen und -vorhersage, Hochwasserinformations- und -meldedienst). Zu dem Umsetzungsstand des 10-Punkte-Arbeitsplans wurde in der LT-Drucksache 18/3500 vom 14.03.20234 informiert.
Für die Mittelbereitstellung durch Förderprogramme verweise ich zudem auf die LT-Drucksache 18/4598 vom 06.06.20235.
Zuwendungen für Fördermaßnahmen können auf Grundlage und nach den Maßgaben der FöRL HWRM/WRRL gewährt werden. Die Finanzmittel sind dabei nicht einzelnen Kreisen oder Kommunen zugeordnet, sondern werden bedarfsgerecht zugewiesen. Ein Anspruch auf Förderung besteht hierbei nicht.
- Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um sicherstellen zu können, dass der digitale Funkverkehr in Katastrophenlagen aufrechterhalten werden kann?
Die Landesregierung hat die bereits initiierten Maßnahmen zur Härtung des Digitalfunk BOS entsprechend der bundesweit beschlossenen Vorgaben fortgesetzt und intensiviert. Bis Ende 2023 werden die in NRW befindlichen Basisstationen mit entsprechender Notstromversorgung für eine Laufzeit von mind. 72 Stunden ausgestattet sein. Zudem werden weitere Mobilsys-teme für die Ergänzungs- und Ersatzversorgung z. B. bei gestörten Basisstationen beschafft. Im Rahmen von Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen werden die Handlungsmöglichkeiten im Rückfallbetrieb intensiv beleuchtet.
- Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um künftig sicherzustellen, dass Menschen aus Hochwassergebieten zu Wasser, zu Boden und zu Luft rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden können?
Die Zuständigkeit für Evakuierungen liegt grundsätzlich bei den Gemeinden und als Untere Katastrophenschutzbehörde bei den Kreisen und kreisfreien Städten. Die Initiierung der Warnung kann durch die Einsatzleitung der betroffenen Gemeinde für eine gefahrenbezogene und adressatengerechte Warnung veranlasst werden.
Ein wichtiger Bestandteil der Menschenrettung aus überfluteten Gebieten ist die Rettung über Wasser oder aus dem Wasser. Dazu wurde seitens des Landes für den Katastrophenfall ein entsprechendes Konzept mit den Landesverbänden der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesell-schaft und der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes erarbeitet und abgestimmt. In diesem Konzept der vorgeplanten überörtlichen Hilfe „Wasserrettungszug Nordrhein-Westfalen“ sind die wesentlichen Fähigkeiten der Wasserrettung aus, am oder unter Wasser beschrieben. Der Vorteil dieser Rettungseinheiten ist, dass sie eine höhere Rettungsrate aufweisen können als eine Menschenrettung aus der Luft ermöglicht. Zudem sind auch andere Bereiche erreichbar und Taucherinnen und Taucher können unter Wasser nach Vermissten suchen. Das Konzept ermöglicht zudem die Rettung von Tieren oder die Unterstützung bei Einsätzen der technischen Hilfeleistung oder mit Gefahrstoffen. Es gibt im Land Nordrhein-Westfalen 20 Wasserrettungszüge. Dadurch kann auch ein kontinuierlicher Einsatz gewährleistet werden.
Die Rettung von Menschen aus der Luft durch die Polizeifliegerstaffel erfolgt auf Ersuchen der originär zuständigen Behörde im Rahmen der Amtshilfe. Neben technischem Gerät (Winden) ist auch zu Luftrettern ausgebildetes Personal erforderlich. Die für den Einsatz an der Winde erforderlichen Luftretter sind bereits bei der Polizei vorhanden. Die Spezialisierung weiterer Kräfte wird zurzeit geprüft.
1 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/flutkatastrophe-behoerden-digitalfunk-100.html
2 https://www.nzz.ch/mobilitaet/luftfahrt/flutkatastrophe-hubschrauber-als-lebensretter-ld.1636156
3 https://www.land.nrw/media/25821
4 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-3500.pdf
5 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-4598.pdf