Ibbenbüren: Schüler ersticht Lehrerin

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1147
der Abgeordneten Markus Wagner und Carlo Clemens vom 25.01.2023

Ibbenbüren: Schüler ersticht Lehrerin

Im münsterländischen Ibbenbüren hat sich am Dienstagnachmittag, den 10. Januar 2023, ein blutiges Drama an einem Berufskolleg abgespielt. Ein 17 Jahre alter Schüler griff eine 55 Jahre alte Lehrerin an und tötete sie mit mehreren Messerstichen. Nach Angaben von Medien wurde dem Schüler nur wenige Stunden zuvor ein eintägiger Schulverweis erteilt. Offenbar ist er nach Schulschluss in das Berufskolleg zurückgekehrt und habe gezielt nach der Pädagogin gesucht. Er traf sie in einem Klassenraum im fünften Stock des Gebäudes an, wo sie sich alleine aufhielt. Nach der Tat alarmierte der Schüler selbst die Polizei und ließ sich von den eintreffenden Polizeibeamten festnehmen.1

Nach ersten Informationen habe es offenbar Schulprobleme gegeben, die zu dieser tödlichen Attacke führten. Zwischen dem Tatverdächtigen und den Lehrern der Schule soll es immer wieder Konflikte gegeben haben, die zu dem besagten eintägigen Schulverweis führten.2 Einer seiner Mitschüler bestätigte die wiederkehrenden Konflikte zwischen dem Täter und der Schule: „Er hasste die meisten Schüler und alle Lehrer“.3

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtigen, Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vorname des deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Gab es bereits vor der Tat Vorfälle bzw. Anzeichen dafür, dass der 17-jährige Tatverdächtige zu Gewalt neigt und insofern eine strafbare Handlung vollziehen könnte?
  3. War bzw. ist der mutmaßliche Täter in psychologischer Behandlung? (Bitte nach den Gründen auflisten.)
  4. In welcher Form ist das Berufskolleg, an dem sich der oben genannte Mord ereignete, in der Vergangenheit bereits polizeilich in Erscheinung getreten?
  5. In welcher Form wird den Hinterbliebenen der getöteten Pädagogin Hilfe zuteil?

Markus Wagner
Carlo Clemens

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. htt p s: / /www. B i l d.de/regional/ruhr g e b i e t/ruhrgebiet-aktuell/i b b e n bueren-nrw-schueler-soll-lehrerin-g e t o e t e t-haben-82 5 10 36 4.bild.h t m l.

2 Ebenda.

3 Vgl. htt p s : / /www. D e r w e s t e n.de/region/nrw-lehrerin-schule-s c h u e l e r-ibben b u e r e n-id300373378.h t m l.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 1147 mit Schreiben vom 24. Februar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtigen, Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächti­gen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vorname des deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Münster hat dem Ministerium der Justiz unter dem 01.02.2023 u. a. berichtet, dass die Ermittlungen gegen einen 17-jährigen deutschen Staats­angehörigen wegen Totschlags andauerten. Gegen den Beschuldigten, gegen den die Unter­suchungshaft angeordnet worden sei, bestehe der dringende Verdacht, am 10.01.2023 gegen 14.51 Uhr in Ibbenbüren eine 55-jährige Lehrerin mit einem Messer angegriffen und mit zahl­reichen Messerstichen getötet zu haben. Der Bundeszentralregisterauszug des Beschuldigten vom 11.01.2023 weise keine Eintragungen auf. Es sei nicht bekannt, seit wann er deutscher Staatsangehöriger ist.

Von einer Angabe weiterer Einzelheiten sowie des Vornamens des Beschuldigten wird unter Abwägung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der Unschuldsvermutung und des Er­ziehungsgedankens des Jugendstrafrechts mit dem parlamentarischen Informationsinteresse, dem durch die weiteren Angaben zum Sachstand entsprochen wird, abgesehen. Wegen wei­terer, auch presseöffentlicher Angaben zu dem Verfahren würde die Gefahr einer Identifizierbarkeit des Beschuldigten erheblich erhöht.

  1. Gab es bereits vor der Tat Vorfälle bzw. Anzeichen dafür, dass der 17-jährige Tat­verdächtige zu Gewalt neigt und insofern eine strafbare Handlung vollziehen könnte?

Der Beschuldigte ist vor der Tat polizeilich nicht in Erscheinung getreten. Hinweise, dass er in der Vergangenheit zu gewalttätigen Handlungen neigte, liegen nicht vor. Zwar waren ihm ver­haltensbedingt erzieherische Maßnahmen auferlegt worden, aus denen sich indes Prognosen über eine vorliegende Delinquenz nicht ableiten lassen. Dem in der Antwort auf die Frage 1 genannten Bericht zufolge hatte sich der Beschuldigte fortwährend in Form von „verbalen Dis­ziplinlosigkeiten“ ungebührlich verhalten, wohingegen der Staatsanwaltschaft Münster keine Vorfälle im Vorfeld der Tat bekannt geworden sind, aufgrund derer angenommen werden konnte, dass er zu Gewalt neigt und insofern eine Straftat begehen könnte.

  1. War bzw. ist der mutmaßliche Täter in psychologischer Behandlung? (Bitte nach den Gründen auflisten.)

Auf den zweiten Absatz der Antwort auf die Frage 1 wird Bezug genommen. Von einer öffent­lichen Unterrichtung wird im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz des jugendlichen Beschul­digten, insbesondere den Schutz gesundheitsbezogener Daten abgesehen. Im Übrigen wird verwiesen auf die nichtöffentliche mündliche Unterrichtung des Landtags-Innenausschusses in der Sitzung am 9. Februar 2023.

  1. In welcher Form ist das Berufskolleg, an dem sich der oben genannte Mord ereig­nete, in der Vergangenheit bereits polizeilich in Erscheinung getreten?

Als Datenbasis für die Beantwortung der Frage dient die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Regeln erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Be­kanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung.

Die Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik erfolgt für die Adresse des Berufskollegs. Hierbei ist von Bedeutung, dass es sich um Fälle handeln kann, die sich im Berufskolleg, in weiteren dazugehörigen Gebäudeteilen oder lediglich an der Anschrift, beispielsweise vor dem Berufskolleg, ereignet haben. Ob in diesen Fällen jeweils ein tatsächlicher Zusammenhang mit dem Berufskolleg – als Schule – bestanden hat, kann über die Polizeiliche Kriminalstatistik nicht ausgewertet werden.

Für die Jahre 2019 und 2020 wurden jeweils acht und für die Jahre 2021 und 2022 jeweils sieben Fälle erfasst.

  1. In welcher Form wird den Hinterbliebenen der getöteten Pädagogin Hilfe zuteil?

Den Hinterbliebenen der Getöteten kommt umfangreiche psychologische Betreuung zu. Es findet ein kontinuierlicher Austausch zwischen den unmittelbar Hinterbliebenen, der Leitung der Mordkommission der Kreispolizeibehörde Münster, dem kriminalpolizeilichen Opferschutz sowie externen Beratungsstellen statt. Der Lebenspartner der Verstorbenen wurde ab dem Folgetag der Tat schulpsychologisch unterstützt.

Die Beauftragte für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hat dem Ministerium der Justiz darüber hinaus mitgeteilt, nach Bekanntwerden der Tat vom 10.01.2023 habe ihr Team umgehend am Vormittag des 11.01.2023 mit dem polizeilichen Opferschutz in Ibbenbüren telefonisch Kontakt aufgenommen. Sie habe dem Lebensgefährten und den Familienan­gehörigen der Getöteten ihre Erreichbarkeit sowie der betroffenen Schulleitung ihre Kontakt­daten mitgeteilt. Zudem stehen die Schulaufsichtsbehörden mit der Schulleitung und – zeit­weise – mit dem Lebenspartner in Kontakt. Außerdem habe sie Unterstützung angeboten und unter anderem an einer kirchlichen Trauerfeier für die Getötete teilgenommen.

Bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen erhalten die Hinterbliebenen Leistungen der beamtenrechtlichen Hinterbliebenenversorgung, der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. nach dem Opferentschädigungsgesetz oder der gesetzlichen Rentenversicherung.

 

Antwort als PDF